Interview
Arzneimittel unter Verdacht - Was ist zu tun?
Immer wieder geraten Arzneimittel in Verdacht, organschädlich zu sein - so jüngst das Phytopharmakon Umckaloabo®. Was Ärzte in solchen Situationen beachten sollten, dazu äußerte sich Professor Dieter Loew im Gespräch mit Ruth Ney von der "Ärzte Zeitung".
Veröffentlicht:Ärzte Zeitung: Wie sollten niedergelassene Ärzte mit Verdachtsfällen zu lebertoxischen Effekten von Arzneimitteln generell umgehen?
Professor Dieter Loew: Niedergelassene Ärzte sollten Meldungen über lebertoxische Effekte natürlich ernst nehmen. Und wenn bei eigenen Patienten Symptome oder Laborparameter wie erhöhte Werte von GOT, GPT, ChE, gamma-GT bei kurzfristig wiederholter Messung auffallen, müssen diese von einem Hepatologen abgeklärt werden.
Aber erst nach Ausschluss hepatotoxischer Substanzen, Umweltfaktoren, viraler, bakterieller und parasitärer Infektionen, Stoffwechselstörungen und Autoimmunhepatitis, kann auf eine möglicherweise arzneimittelinduzierte Leberschädigung geschlossen werden.
Ärzte Zeitung: Wie sind vor diesem Hintergrund Berichte über mögliche lebertoxische Effekte von Umckaloabo® zu bewerten in Anbetracht der großen Zahl an Lebererkrankungen?
Loew: Bei Lebererkrankungen gibt es allein aufgrund der hohen Erkrankungszahl vermutlich auch eine hohe Dunkelziffer. Das wäre auch eine Erklärungsmöglichkeit für die Befunde bei Patienten, die das Phytopharmakon eingenommen hatten.
Um einen kausalen Zusammenhang zwischen Arzneimitteleinnahme und Leberschädigung zu erfassen, sind stets auch Informationen wichtig zu Dosis, Einnahmedauer und -zeitpunkt. Kommt es nach kurzfristiger Einnahme zu Leberschäden, dann ist das, abgesehen von einer Idiosynkrasie, äußerst unwahrscheinlich.
Im Fall von Umckaloabo® geht es zum Beispiel um ein Arzneimittel, das maximal 8 bis 14 Tage eingenommen wird. Wenn dann Leberschäden auftreten, müsste das Arzneimittel sehr lebertoxisch sein. Das hätte man aber zuvor in der Toxikologie gesehen.
Professor Dieter Loew
Werdegang / Ausbildung: Studium der Zahnmedizin, Promotion zum Dr. med. dent. und Dr. med., Facharzt für Chirurgie, Habilitation für experimentelle Chirurgie.
Karriere: Pharmakologe an der Universität Frankfurt, Mitglied der Aufbereitungskommission B 7 im BGA und der Kommission E im BfArM, seit 1994 Mitglied der Kommission nach § 109 a.
Aktuelle Position: in Ruhestand
Ärzte Zeitung: Es gab also zuvor keine Hinweise auf Lebereffekte? Welche Daten liegen konkret zur Sicherheit des Phytopharmakons vor?
Loew: Die Unbedenklichkeit von Umckaloabo® wurde toxikologisch und sicherheitspharmakologisch nach AMG- und EU-Standard untersucht ohne Hinweise auf Hepatotoxizität. Danach scheidet eine obligate substanzbedingte Leberschädigung aus. Dennoch können in Einzelfällen idiosynkratische, also unvorhersehbare Effekte auftreten.
Ärzte Zeitung: Wie können substanzspezifische Effekte von unvorhersehbaren unterschieden werden?
Loew: Nach derzeitigem Erkenntnisstand können substanzspezifische Effekte auf die Leber nicht von idio- synkratischen unterschieden werden.
Ärzte Zeitung: Ist aufgrund der durch die AkdÄ und das Arzneitelegramm vorgestellten Fälle von Patienten mit einer Hepatitis jetzt erhöhte Aufmerksamkeit bei der Anwendung des Phytopharmakon geboten?
Loew: Berichte über mögliche unerwünschte Arzneimitteleffekte, insbesondere zytotoxische und organtoxische Effekte, sind wie anfangs gesagt, immer ein Grund zur Wachsamkeit. Eine Meldung an die AkdÄ ist aber nur bei wirklich begründetem Verdacht sinnvoll.
Vor einer breiten Publikation müssen die Verdachtsfälle zudem sorgfältig recherchiert und fachkompetent abgeklärt und beurteilt werden. Denn im Zeitalter einer evidenzbasierten Medizin gelten diese Kriterien nicht nur für Empfehlungen zur Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit, sondern auch für Aussagen zu Nebenwirkungen.