Welt-Schlaganfall-Tag
Bei Aneurysma braucht es nicht immer Coil oder Clip
Interventionelle oder operative Verschlüsse von Aneurysmen an der Hirnbasis können Leben retten, der Patient kann dabei aber auch sterben. Neurologen plädieren für eine stärker risikoadaptierte und individualisierte Entscheidung über Coil und Clip.
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Kontrolle nach einem Eingriff bei einem Patienten mit Hirnaneurysma.
© A. Noor / BSIP / mauritius image
BERLIN. Subarachnoidalblutungen (SAB) in Folge eines rupturierten Aneurysmas sind die dritthäufigste Ursache von Schlaganfällen. Rund jeder dritte SAB-Patient in Deutschland sterbe daran, berichtete Professor Helmuth Steinmetz von der Goethe-Universität Frankfurt.
Weil mittlerweile aus unterschiedlichsten Gründen relativ viele Kopf-MRT-Untersuchungen durchgeführt werden, gibt es eine zunehmende Zahl kleiner Aneurysmen, die zufällig entdeckt werden.
1,5 Millionen Menschen betroffen
- Am 29. Oktober findet der Welt-Schlaganfall-Tag mit Veranstaltungen rund um den Globus statt.
- 80 Millionen Menschen weltweit haben Angaben der World Stroke Organization zufolge einen Schlaganfall überlebt.
- 50 Millionen Überlebende haben nach Apoplexie permanente Beeinträchtigungen.
„Wir gehen davon aus, dass allein in Deutschland etwa 1,5 Millionen Menschen ein Aneurysma an der Hirnbasis aufweisen. Die allermeisten werden davon nie erfahren“, sagte Steinmetz bei einer Veranstaltung der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) aus Anlass des Welt-Schlaganfall-Tags am 29. Oktober.
Bisher würden Aneurysmen, die Zufallsbefunde sind, überwiegend chirurgisch oder invasiv verschlossen. Das ist allerdings nicht ganz ungefährlich: Steinmetz bezifferte das Komplikationsrisiko des Aneurysmaverschlusses unabhängig von der Art der Behandlung auf mindestens vier Prozent, wobei es sich dabei oft um schwere Komplikationen bis hin zum Tod handelt.
Langzeitdaten über 10 bis 20 Jahre
Mittlerweile gibt es ausreichend Langzeitdaten zu Menschen mit Aneurysma, die nicht operiert oder mit Katheter versorgt wurden. Diese Daten über zehn bis zwanzig Jahre erlauben eine recht zuverlässige Abschätzung des individuellen Blutungsrisikos. Es variiere stark und liege zwischen 0,5 und 18 Prozent über fünf Jahre, so Steinmetz.
Zu den Faktoren, die starken Einfluss nehmen, gehören Größe und genaue Lokalisation des Aneurysmas, aber auch das Alter des Patienten, Hypertonie sowie eventuell das Rauchen. Eine positive Familienanamnese werde dagegen überbewertet, so der Neurologe.
Individuelle Risikoabschätzung
Steinmetz empfahl, mit entsprechenden Risikotabellen eine individuelle Risikoabschätzung bei Patienten mit zufällig entdeckten Aneurysmen vorzunehmen, statt aus dem Bauch heraus zu Coil oder Clip zu raten: „Wer über 60 Jahre alt ist und ein Rupturrisiko von 0,5 Prozent über fünf Jahre hat, bei dem ist das Risiko des Eingriffs höher als das Risiko durch das Aneurysma.“
In jedem Fall sollte der Befund allerdings per MRT in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden. Denn wenn das Aneurysma wächst, springt das individuelle Risiko um den Faktor zwölf in die Höhe.
Ob sich das Rupturrisiko eines Aneurysmas auch durch konservative Therapiemaßnahmen reduzieren lässt, ist noch offen. Untersucht wird in Studien derzeit unter anderem eine konsequente Blutdrucksenkung auf 140 oder 120 mmHg. Erste Hinweise gibt es auch dafür, dass eine ASS-Gabe das Aneurysmawachstum bremsen könnte. Bewiesen ist das nicht.