Botenstoffe hemmen die Apoptose und sabotieren die Strahlentherapie bei Krebs

Außer Chemotherapie und Op ist auch die Radiatio eine Waffe gegen Tumoren. Doch sie setzen den Strahlen Abwehrmechanismen entgegen.

Veröffentlicht:
Untersuchung von Krebszellen wie hier am Klinikum in Darmstadt: Ziel ist es die Bildung von Botenstoffen zu unterdrücken und die Apoptose zu sichern.

Untersuchung von Krebszellen wie hier am Klinikum in Darmstadt: Ziel ist es die Bildung von Botenstoffen zu unterdrücken und die Apoptose zu sichern.

© dpa

HEIDELBERG (eb). Die Bestrahlung ist zusammen mit Chemotherapie und Operation die dritte Säule der Krebsbehandlung. Dabei sind die Strahlen doppelt wirksam, wie die Deutsche Krebshilfe in Heidelberg mitteilt: Zum einen treiben sie Krebszellen in die Apoptose, zum anderen zerstören sie die Blutgefäße, die den Tumor mit Sauerstoff und Nahrung versorgen.

Oft werden die Krebszellen jedoch resistent gegen die Strahlenbehandlung.

Forscher am Universitätsklinikum Heidelberg haben nun entdeckt, wie sich der Tumor vor der Zerstörung durch die Strahlen schützt. Basierend auf diesen Erkenntnissen haben die Forscher eine neue Therapie entwickelt, die sie derzeit in klinischen Studien erproben.

Sie ist besonders bei Tumoren der Bauchspeicheldrüse und des Gehirns erfolgversprechend. Die Deutsche Krebshilfe hat das Projekt mit 325.000 Euro unterstützt.

Wie jede gesunde Körperzelle benötigen auch Tumorzellen Sauerstoff und Nährstoffe, die ihnen über die Blutgefäße angeliefert werden. Ab einer bestimmten Tumorgröße reichen jedoch die vorhandenen Blutgefäße nicht mehr aus, um den wachsenden Bedarf an Nährstoffen zu decken.

Als Folge setzen die Tumorzellen Botenstoffe frei, die dem Körper signalisieren, dass ein Versorgungsnotstand eingetreten ist und neue Blutgefäße benötigt werden. Als Antwort auf dieses Signal wächst eine neue Versorgungsleitung in den Tumor und stellt den Anschluss an das Blutgefäßsystem her. Dies wird als Tumor-Angiogenese bezeichnet.

Werden Krebszellen bestrahlt, schütten sie große Mengen Angiogenese-Botenstoffe aus, berichten die Forscher um Dr. Amir Abdollahi von der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie des Universitätsklinikums Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums.

Dies tun sie, um der Zerstörung ihrer Blutgefäße durch die Strahlen entgegenzuwirken. Doch die Botenstoffe haben noch eine andere Funktion: Sie unterdrücken einen wichtigen Mechanismus der Zelle, die so genannte Apoptose.

In gesunden Zellen ist das Selbstmord-Programm ein wichtiger Schutz, mit dem der Körper funktionsuntüchtige, nicht mehr benötigte oder bösartig veränderte Zellen in die Zerstörung treibt. Entsteht ein Tumor, wird das Apoptose-Programm jedoch unterbrochen: Die Krebszellen reagieren nicht mehr auf die Zelltod-Signale und teilen sich dann ungehindert weiter.

Eigentlich soll eine Bestrahlung das Apoptose-Programm wieder reaktivieren. Doch die Angiogenese-Botenstoffe verhindern dies - die Krebszellen werden immun gegen die Strahlen, und folglich wird die Behandlung wirkungslos.

"Diese Mechanismen sind raffinierte Strategien der Tumorzellen, um sich und ihre Blutgefäße vor der Strahlentherapie zu schützen und so ihre Sauer- und Nährstoffzufuhr zu gewährleisten", so Abdollahi. "Unser Ziel ist es, die Bildung dieser Botenstoffe zu unterdrücken und damit die Strahlentherapie wieder wirksam zu machen."

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

OECD-Report

Krebs-Screening: Großes Potenzial zur Verbesserung

Kommentare
Peter Peschel 03.03.201113:26 Uhr

Supportive O2-Gabe bei Chemo kann HIF und damit Angiogense-Faktoren senken

Supportive O2-Gabe bei Chemo kann HIF und damit Angiogense-Faktoren senken
Vieleicht sollte eine neue Sichtweise beachtet werden welche durch supportive erhöhte O2-Gabe erzielt werden könnte-Absenkung der Ausschüttung von HIF (Hypoxie induzierte Faktoren) welche auch die Angiogenese beeinflussen.
Auszug Pneumologie-Beilage :
Gezielte Gefäßnormalisierung -ein neuer Therapieansatz
Tumorblutgefäße sind infolge der exzessiven Ausschüttung angiogener Faktoren (HIF) in Struktur und Funktion ab normal, das heißt chaotisch, verschlungen und undicht. Dies hat eine gestörte Perfusion und das Auftreten einer Hypoxie zur Folge. Zudem erleichtern die undichten Gefäße das Einwandern von KarzinomzeIlen und damit die intravasale Metastasierung. Der VEGF-Antikörper Bevacizumab bewirkt jedoch eine "Gefäßnormalisierung". Die Folge ist ein besserer Blutfluss und ein geringerer interstitieller Druck, was es Chemotherapeutika ermöglicht, besser an den Tumor herangeführt zu werden.
Das ursprüngliche Konzept der Anti-Angiogenese besteht aber darin, den Tumor "auszuhungern", indem man seine Blutgefäße maximal zerstört. Aktuelle Forschungsergebnisse machen jetzt deutlich, dass dies möglicherweise gar nicht das Ziel sein darf - denn der maximale Sauerstoffmangel kann zu einer erhöhten Invasiviät und zu einer Metastasierungsneigung führen. Therapeutisch vorteilhafter zu sein scheint daher die "richtige" Mischung aus Gefäßnormalisierung und Gefäßrückbildung.
Zwei neue Therapieansätze: Anti-PIGF-Therapie und PHD2•Blockade
mit einhergehender Beseitigung des Sauerstoffmangels des Gewebes, Hypoxie Vermeidung , Senkung von HIF-Signalausschüttung .

Weitere Infos und vollständiger Text siehe Link
http://www.oxycare-gmbh.de/images/stories/pm_krebstherapie.pdf

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Suchtmedizin

Evidenzbasierte Strategien gegen Alkoholabhängigkeit

Lesetipps
Eine Ärztin untersucht die Hand eines älteren Patienten in einer Klinik.

© Drazen / stock.adobe.com

ACR-Kongress

Fünf M für eine bessere Versorgung älterer Rheumapatienten