Zu viel Druck

Burn-out trifft jeden 10. Leistungssportler

Bei Leistungssportlern bleibt durch Leistungsdruck, Übertraining und zu wenigen Entspannungsphasen häufig die Seele auf der Strecke, wie aktuelle Studiendaten zeigen.

Von Friederike Klein Veröffentlicht:
Eine hohe tägliche Trainingsdauer erhöht das Risiko für psychische Erkrankungen.

Eine hohe tägliche Trainingsdauer erhöht das Risiko für psychische Erkrankungen.

© WavebreakMediaMicro / fotolia.com

BERLIN. Wie jeder andere Mensch ist auch ein Leistungssportler nicht gegen psychische Erkrankungen gefeit.

Risikofaktoren für Burn-out

Studien weisen auf folgende Risikofaktoren für ein Burn-out von Spitzensportlern hin:

hohe tägliche Trainingsdauer und tägliche Arbeitsbelastung

wahrgenommener Stress

Mannschaftssportart

höheres Bildungsniveau

mangelnde soziale Unterstützung

autoritärer Stil des Trainers

perfektionistische Kognitionen

nach außen orientierter Perfektionismus (Wunsch nach Wertschätzung durch andere – selbst-orientierter Perfektionismus scheint eher protektiv zu wirken

Augenfällig wird das Thema immer dann, wenn Spitzensportler mit einer solchen Erkrankung an die Öffentlichkeit treten oder gar ein solch tragischer Fall wie die Selbsttötung des Torhüters Robert Enke 2009 nach langer depressiver Erkrankung durch die Medien geht.

Inwieweit das Risiko für psychische Erkrankungen bei Leistungssportlern erhöht ist, ist nicht genau bekannt.

Eine epidemiologische Studie, die 13 Prozent aller französischen Leistungssportler erfasste, fand mit 20 Prozent bei Frauen und 15 Prozent bei Männern keine höhere Prävalenz als in der Allgemeinbevölkerung.

Die häufigsten psychischen Störungen waren mit einer Prävalenz von 6 Prozent der Studienteilnehmer eine generalisierte Angststörung (GAD) und 4,2 Prozent eine unspezifische Essstörung.

Bei den Sportlern waren Frauen wie in der Allgemeinbevölkerung häufiger von Angststörungen, Essstörungen, Depression, Schlafproblemen und selbstschädigendem Verhalten betroffen als Männer.

Unterschiede zwischen Sportarten

Die Studie zeigte aber Anhaltspunkte für eine geschlechtsabhängige Assoziation bestimmter Sportarten mit einer erhöhten Prävalenz einiger psychischer Störungen.

 Am häufigsten waren Angststörungen bei ästhetischen Sportarten wie Turnen oder Eiskunstlauf: Hier waren 17 Prozent der Männer und 39 Prozent der Frauen betroffen.

In anderen Sportarten fanden sich Angststörungen nur bei sieben Prozent der Männer und zehn Prozent der Frauen.Depressionen wurden häufig unter ästhetischen Sportarten und im Schießsport, Schlafstörungen neben den ästhetischen bei den Kampfsportarten beobachtet.

Essstörungen fanden sich besonders häufig bei Läuferinnen (14 versus 9 Prozent in anderen Sportarten) und beim männlichen Geschlecht unter den Kampfsportlern (7 versus 5 Prozent in anderen Sportarten).

In einer norwegischen Studie zu Essstörungen fanden sich ebenfalls je nach Sportartentyp unterschiedliche Prävalenzen mit besonders hohen Raten in ästhetischen Sportarten bei den Frauen (42 Prozent ) und gewichtsabhängigen Sportarten bei den Männern (22 Prozent).

Beide Studien sprechen sehr für unterschiedliche Belastungen und spezifische Effekte auf die psychische Gesundheit bei bestimmten Sportarten.

Befragt nach der eigenen Einschätzung ihrer psychischen Gesundheit gaben zehn Prozent von 1154 deutschen Spitzenathleten in einer Online-Befragung an, unter einer Essstörung zu leiden, neun Prozent unter einer depressiven Erkrankung und elf Prozent unter einem Burnout.

Bei Burnout wurden Symptome wie emotionale und körperliche Erschöpfung, Entwertung des Sports und reduzierte Leistungsfähigkeit berichtet, erläuterte Professor Philipp Arthur Thomann von der Klinik für Allgemeine Psychiatrie am Uniklinikum Heidelberg, aus Anlass des DGPPN-Kongresses in Berlin.

Inzwischen wurde ein entsprechender 15 Items umfassender Fragebogen speziell für Sportler entwickelt, den es auch in deutscher Sprache gibt (Athlete Burnout Questionnaire - Deutsche Version, ABQ-D).

Untersuchungen mit diesem oder anderen Instrumenten ergeben ähnliche Prävalenzen wie die Selbstauskunft der deutschen Sportler in der Online-Umfrage.

Keine Frage der Anpassung

Als Hypothese für die Häufigkeit dieses Phänomens favorisiert Thomann die "Self Determination Theory" mit ihrer Subtheorie der psychischen Grundbedürfnisse, die für das psychische Wohlbefinden bedeutsam sind, und der Motivationstheorie.

Belegt ist, dass erfüllte Grundbedürfnisse der Autonomie (Volition, Entscheidungsfreiheit), Kompetenz (Erfolg im Sport) und Zugehörigkeit (Verbundenheit mit anderen) und eine hohe intrinsische Motivation protektiv wirken.

Auch Risikofaktoren konnten identifiziert werden, etwa eine hohe tägliche Trainingsdauer und tägliche Arbeitsbelastung.

Die im Durchschnitt 22,4 Jahre alten Spitzensportler der deutschen Online-Umfrage investierten zum Beispiel 25,6 Stunden pro Woche in den Sport, dazu kamen durchschnittlich 27,7 Stunden für Beruf oder Ausbildung.

Präventiv gegensteuern

Um Sportlern Möglichkeiten an die Hand zu geben, dem belastenden Stress vorzubeugen, haben Heidelberger Sportpsychiater ein Stresspräventionsprogramm entwickelt.

Dass eine solche Präventionsmaßnahme im engen Trainingsalltag möglich ist, zeigte eine Evalutationsstudie.

Um wirklich erfolgreich der chronischen Erschöpfung oder psychischen Störungen bei Leistungssportlern entgegenzuwirken, wird das nicht ausreichen. Trainer, Therapeuten und Sportpsychologen müssen mit ins Boot geholt werden.

Bisher kümmern sie sich fast ausschließlich um eine Optimierung der sportlich-körperlichen Leistung, sagte Thomann.

Trainer müssten sensibilisiert werden für einen Autonomie fördernden, wertschätzenden Umgang mit den Athleten und alle Betreuer für das frühzeitige Einbeziehen externer Expertise.

Derzeit erfolge bei psychischer Erkrankung häufig zu spät eine fachpsychiatrische Diagnose und Behandlung.

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