Prognose
Chronische Rückenschmerzen nur schwer vorherzusagen
Werden Rückenschmerzen chronisch, verursacht das hohe Kosten im Gesundheitswesen. Wünschenswert wäre, möglichst früh herauszufinden, welche Patienten für das dauerhafte Kreuzweh gefährdet sind. Doch das fällt schwer.
Veröffentlicht:SAN FRANCISCO. Chronischer Rückenschmerz zählt mit zu den größten Kostenfaktoren im Gesundheitswesen, es wäre daher gut, möglichst recht früh herauszufinden, bei welchen Patienten akute Rückenschmerzen irgendwann chronisch werden.
Um diese Patienten könnten sich Ärzte dann besonders kümmern. Aber offenbar ist das nicht so einfach, berichten Forscher um Dr. Wolf Mehling von der Universität in San Francisco (Eur J Pain 2015; 19: 439-446).
Die Forscher hatten sich Daten der Studie "Prognosis of Pain" (POP) genauer angeschaut. In dieser Studie wurde über zwei Jahre hinweg das Schicksal von Patienten mit Rückenschmerzen untersucht.
Hauptziel der Studie war, biologische und psychologische Risikofaktoren für eine Chronifizierung herauszufinden. Dabei wurde auch ein Fragebogen verwendet, der weitgehend dem britischen Start-Back-Screenig-Tool (SBST) entsprach.
Mit diesem Tool konnten in einer Studie unter beliebigen Rückenschmerz-Patienten einigermaßen gut diejenigen herausgefiltert werden, die später chronische Schmerzen hatten. Allerdings waren in jener Studie auch viele Patienten, die bereits zu Beginn an chronische Schmerzen litten.
Mehling und sein Team wollten nun schauen, ob der Test auch klappt, wenn nur Patienten mit akuten Schmerzen betrachtet werden.
Spezieller Fragebogen verwendet
Sie analysierten daher Angaben von 605 Patienten aus der POP-Studie mit akuten Rückenschmerzen. Als akut galt der Schmerz, wenn er nicht länger als 30 Tage bestand. Auch durften die Patienten in den zwölf Monaten vor Beginn der Schmerzen keine derartigen Beschwerden und keinen Eingriff an der Wirbelsäule gehabt haben.
Der Fragebogen in der POP-Studie enthielt sechs der neun Fragen aus dem SBST: Sind die Schmerzen besonders lästig? Strahlen sie unters Knie aus?
Treten zusätzliche Schmerzen im Schulter- und Nackenbereich auf? Kleiden sich die Patienten aufgrund der Schmerzen langsamer an? Gehen sie wegen ihrer Schmerzen nur noch kurze Strecken? Ist der Schmerz furchtbar und geht nicht mehr zurück?
Hinzu kamen drei Fragen, die denen aus dem SBST ähnelten: Hier sollten die Patienten angeben, ob sie Handlungen aus Furcht vor den Schmerzen vermeiden, ob sie sich gedanklich stark damit beschäftigen und ob die Schmerzen ihre Stimmung beeinträchtigen.
Für jede Frage gab es maximal einen Punkt, die Skala reichte also von 0-9 Punkten (maximaler Schmerz). Fünf der Fragen wurden in einer psychosozialen Subskala zusammengefasst.
Schlechte Sensitivität
Analog zum SBST teilten die Forscher die Patienten in drei Risikokategorien ein: Ein hohes Chronifizierungsrisiko wurde angenommen, wenn die Patienten mindesten vier von fünf Punkten auf der psychosozialen Subskala erreichten. Das war bei 22 Prozent der Patienten zu Studienbeginn der Fall.
Ein moderates Risiko wurde als mindestens vier Punkte im Gesamtscore, aber weniger als vier Punkte auf der psychosozialen Subskala definiert. Das traf bei 46 Prozentder Teilnehmer zu. Die übrigen 32 Prozent wiesen die Forscher der Gruppe mit dem niedrigsten Chronifizierungsrisiko zu.
Nach sechs Monaten und nach zwei Jahren schauten die Wissenschaftler, wie häufig tatsächlich eine Chronifizierung auftrat. Als solche galt etwa ein Wert von mindestens sieben Punkten nach dem Roland-Morris Disability Questionnaire (RMDQ). Das war nach sechs Monaten bei 22 Prozent der Teilnehmer der Fall, nach zwei Jahren bei 25 Prozent.
Allerdings hatten nur 32 Prozent der Patienten aus der Hochrisikogruppe nach sechs Monaten und 36 Prozent nach zwei Jahren chronische Schmerzen entwickelt - die Sensitivität war also äußerst gering.
Nicht besser sah es aus, wenn statt des RMDQ ein anderes Instrument zur Bestimmung der Chronifizierung verwendet wurde, dann lag die Sensitivität sogar weit unter 30 Prozent. Auch die Spezifität war mit 80 Prozent nicht gerade überwältigend.
Die Wissenschaftler um Mehling schließen daraus, dass sich das SBST und verwandte Tools nur wenig zum Risikoscreening bei akutem Rückenschmerz eignen.