Experte gibt Tipps
Das sollten Lungenkranke auf Reisen beachten
Wenn Patienten mit Asthma oder COPD eine Urlaubsreise planen, gibt es einiges zu bedenken. Worauf besonders zu achten ist, verrät Professor Adrian Gillissen vom Klinikum Kassel im Interview mit der "Ärzte Zeitung" - und gibt praktische Tipps.
Veröffentlicht:Ärzte Zeitung: Bei Asthma können sich Klimaveränderungen günstig auswirken: Welches Klima ist für Betroffene besonders geeignet?
Prof. Adrian Gillissen
Aktuelle Position: Direktor der Klinik für Lungen- und Bronchialmedizin, Klinikum Kassel.
Karriere: Medizinstudium in Aachen und Hannover. Danach 13 Jahre ärztliche Tätigkeit an den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannsheil der Uniklinik Bochum. Facharztausbildung zum Internisten, ; zwischenzeitlich zweijähriges Forschungsstipendium am National Heart Lung and Blood Institute in Bethesda, USA Zusatzqualifikationen in Lungen- und Bronchialheilkunde, Sportmedizin und Allergologie; 1998: Professur für Pneumologie an der Bonner Uniklinik; 2001 bis 2010 Leiter des Bereichs Lungenerkrankungen der Robert-Koch-Klinik in Leipzig..
Schwerpunkte: Lungenkrebs, COPD, Asthma.
Professor Adrian Gillissen: Die Patienten reagieren sehr unterschiedlich. Manche fühlen sich im Gebirge wohl, manche an der See, das muss man im Zweifel ausprobieren.
Die See hat den Vorteil des Reizklimas. Der Winter ist zwar allergenarm oder sogar weitgehend allergenfrei, aber auch die kalte Luft kann eine Atemwegsobstruktion auslösen.
Die Klimawirkung hängt auch davon ab, wie sehr sich der Betroffene im Freien betätigt, ob er Sport treibt, sich belastet oder eher einen ruhigen Urlaub verbringt.
Was ist speziell bei allergischem Asthma zu beachten?
Gillissen: Die Patienten profitieren von allergenarmen Gegenden. Die Höhe, insbesondere ab zirka 1500 Metern, ist allergenärmer als die tiefer gelegenen mitteleuropäischen Gegenden. Daher haben allergische Asthmatiker in der Höhe einen Benefit, was zum Beispiel Höhen-Kurkliniken ausnutzen.
Auch für Hausstaubmilbenallergiker ist eine Höhe von über 1500 Metern von Vorteil, da es dort keine Milben gibt.
Gibt es auch für COPD-Patienten besonders geeignete und weniger geeignete Reiseziele?
Gillissen: Patienten mit einer fortgeschrittenen Erkrankung, die auch an einem Lungenemphysem leiden oder sogar dauerhaft mit einem Sauerstoffgerät versorgt sind, sind in der Auswahl ihres Urlaubsortes limitiert.
Ein Reizklima oder ein Kurort mit einer Saline für die Förderung der mukoziliären Clearance sind für COPD-Patienten besonders geeignet. Höhenluft kann dagegen insbesondere bei Belastung wegen des verringerten Sauerstoffpartialdrucks zu einem beschleunigten Auftreten von Atemnot führen.
Patienten mit einer dauerhaften Sauerstofftherapie und solche, die schon Atemnot in Ruhe haben, sind deswegen besser an der See aufgehoben.
Natürlich ist eine erhöhte Luftverschmutzung, wie sie zum Beispiel in manchen asiatischen Metropolen üblich ist, gerade Patienten mit einer COPD nicht zuträglich.
Was müssen Sauerstoff-Patienten bei der Reiseplanung beachten?
Gillissen: Sauerstoff zu transportieren ist schwierig. Es gibt spezielle transportable Konzentratoren und Adapter. Bei Flugreisen muss man auf jeden Fall vorher die Airline anrufen und sich nach den technischen Gegebenheiten und Bestimmungen erkundigen, ob und wie an Bord die Sauerstoffversorgung gesichert ist.
Für den Urlaubsort gilt, dass man die lokalen Gegebenheiten bezüglich Steckdosenform und Stromspannung in Erfahrung bringen muss.
Außerdem muss man den Hersteller oder die Firma, die das Sauerstoffgerät oder den Sauerstofftank bereitstellt, vor Urlaubsantritt fragen, wie die Sauerstoffversorgung am Urlaubsort sichergestellt werden kann.
Meistens haben die deutschen Firmen im Ausland Partner, die helfen. Dies betrifft auch die Bereitstellung von Leihgeräten am Urlaubsort oder für die Reise. Tipps und Tricks verrät die Deutsche Sauerstoffliga.
Können Asthma- und COPD-Sprays bei Flugreisen problemlos im Bordgepäck mitgenommen werden?
Gillissen: Ja, das geht, da es sich um Medikamente handelt.
Der O2-Partialdruck in der Kabine entspricht dem auf 2500 Metern Meereshöhe. Was hat das für Konsequenzen für Lungenpatienten?
Gillissen: Nach Angaben der European Respiratory Society sollte der Sauerstoffdruck im Blut während eines Fluges mindestens 55 mmHg betragen. Falls Patienten generell einen eher niedrigen Sauerstoffgehalt im Blut haben, kann es sein, dass der Wert im Flugzeug unter diese Schwelle sinkt.
Dies kann auch passieren, wenn sie aufgrund einer akuten Verschlechterung während des Urlaubs, etwa aufgrund eines Infekts, den Rückflug antreten müssen.
Wann ist ein COPD-Patient flugtauglich?
Gillissen: In der Regel braucht ein COPD-Patient, der in Ruhe normale Sauerstoff- und Kohlendioxidwerte in der Blutgasanalyse aufweist, keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen wegen des Sauerstoffdrucks in der Flugzeugkabine zu treffen.
Aber: Vor Antritt einer Flugreise muss der Zustand der COPD stabil sein. Bei Zweifel an der Flugtauglichkeit sollte ein Lungenfunktionstest und eine Blutgasanalyse durchgeführt werden. Man sollte auch darauf achten, dass die Patienten keine Ödeme haben.
Wie ist das bei Emphysempatienten?
Gillissen: Leiden Patienten an einer COPD mit Lungenemphysem, sollte unbedingt im Vorfeld der Flugreise eine Untersuchung beim Lungenfacharzt erfolgen, der dann das Risiko für eine Flugreise abschätzen kann.
Die Druckschwankungen in den Flugzeugkabinen kommerzieller Airlines prädisponieren aber offenbar nicht für eine erhöhte Pneumothoraxrate bei Emphysempatienten.
Worauf ist zu achten, wenn sauerstoffpflichtige Patienten fliegen wollen?
Gillissen: Die Mitnahme von flüssigem Sauerstoff ist auf Flugreisen grundsätzlich nicht gestattet. Gasdruckflaschen oder mobile Sauerstoffkonzentratoren sind oft erlaubt. Einige Fluggesellschaften schränken die Mitnahme von Konzentratoren jedoch auf bestimmte Modelle ein.
Auf der Homepage der Federal Aviation Administration findet sich eine Liste mit Empfehlungen für Fluggesellschaften mit geeigneten Geräten.
Manche Fluggesellschaften bieten eine Sauerstoffversorgung an Bord an, die im Vorfeld gebucht werden muss. Dies kann aber teuer werden, und die Krankenkassen übernehmen diese Kosten nicht notwendigerweise. Einige Fluggesellschaften verlangen ein ärztliches Attest, das die generelle Flugreisetauglichkeit feststellt.
Kann die trockene Luft im Flugzeug Probleme bereiten?
Gillissen: In der Regel macht sie keine Probleme. Der Körper ist gut in der Lage, die Atemluft anzufeuchten. Man sollte aber beim Fliegen genug trinken, das gilt auch für Lungengesunde, denn bei niedriger Luftfeuchtigkeit wird über die Haut mehr Wasser an die Umgebungsluft abgegeben.
Welche sportlichen Aktivitäten im Urlaub können empfohlen werden?
Gillissen: Sportarten mit einer Dauerbelastung oder Sportarten mit sehr kurzen Belastungsphasen sind günstig. Schwimmen gilt wegen der hohen Luftfeuchtigkeit als vorteilhaft. Aber Vorsicht: Das Chlor in Schwimmbädern oder Temperaturunterschiede können zusammen mit der körperlichen Belastung einen Asthmaanfall auslösen.
Und wer auf einem See oder im Meer zu weit hinaus schwimmt, ist alleine, wenn Luftnot auftritt. Beim Tauchen kommt es zur tiefenabhängigen Druckverschiebung. Wenn bei einem Patienten mit Lungenemphysem unter Wasser ein Lungenbläschen platzt, kann jede Hilfe zu spät sein.
Grundsätzlich gilt: Alles in Maßen, kein zu großer Ehrgeiz, und der Patient soll sich der Risiken von eventuell für ihn gefährlichen Sportarten bewusst sein.
Es gibt aber andererseits viele Asthmatiker, die Weltrekorde aufgestellt haben, etwa im Marathon. Es kommt auf die richtige Asthmatherapie und das richtige Training an.
Brauchen chronisch Lungenkranke besondere Impfungen?
Gillissen: Chronisch Kranke sollten sich nach der Empfehlung der Ständigen Impfkommission jährlich im Spätherbst gegen Influenza und einmalig gegen Pneumokokkeninfektionen impfen lassen.
Was sollte in der Reiseapotheke enthalten sein?
Gillissen: Prinzipiell sollten die Patienten dafür sorgen, dass immer ausreichend Asthma- beziehungsweise COPD-Medikamente zur Verfügung stehen, das ist besonders im Ausland wichtig, da manche in Deutschland zugelassenen Medikamente nicht verfügbar oder viel teurer sein können. Das gilt auch für Substanzen gegen akute Atemnot.
Für den allergischen Asthmapatienten ist ein Notfallset empfohlen, bestehend aus einem Kortisonpräparat, einem Antihistaminikum und einem Adrenalin-Autoinjektor.
Wie können sich die Patienten sonst noch auf eine Notfallsituation vorbereiten?
Gillissen: Wichtig sind Notrufnummer und die Telefonnummer des Arztes, des nächsten Krankenhauses oder einer Person, die weiterhelfen kann. Außerdem sollten die Patienten eine Liste der Medikamente bereithalten, die sie derzeit einnehmen, am besten auch einen Arztbrief mit allen Diagnosen.
Die Patienten sollen mit ihren Angehörigen die Notfallsituation durchgehen, damit jeder weiß, was er dann zu tun hat. Sie sollten in der Lage sein, Warnsymptome für Notfallsituationen zu erkennen - wenn die Luft knapp wird, das Sprechen und Gehen immer schwerer fällt, sich Husten oder Auswurf verschlimmern, Lippen oder Finger blau anlaufen, das Herz schneller oder sogar unregelmäßig schlägt oder Medikamente nicht mehr wirken.
Wichtig ist, dass der Betroffene nicht zu lange wartet, bis der Notarzt gerufen wird. Auch nach dem Einsatz des Asthma-Notfallsets sollte sicherheitshalber ein Notarzt verständigt werden.
Haben Sie weitere Tipps für Lungenkranke, die eine Reise planen?
Gillissen: Ja. Die Patienten sollten sich richtig versichern, das ist insbesondere im Ausland wichtig, zum Beispiel mit einer Reiserücktrittversicherung, einer Reise-Krankenversicherung und einer Reiserückholversicherung.
Bei Unternehmungen in entlegenere Gebiete sollte man immer jemanden informieren, der im Notfall Hilfe holen kann, wenn man nicht pünktlich an den Ausgangspunkt zurückgekehrt ist.
Man muss auch bedenken, dass der Handyempfang im Ausland oder in entlegenen Gebieten schlecht oder gar nicht vorhanden sein kann.