US-Studie
Die mittlere Körpertemperatur der Menschen sinkt
Mit der industriellen Revolution ist die mittlere Körpertemperatur des Menschen stetig zurückgegangen, berichten US-Forscher. Als Ursache werden unter anderen Fortschritte bei Hygiene und Infektionskrankheiten vermutet.
Veröffentlicht:Stanford. In den USA ist die durchschnittliche Körpertemperatur der Menschen in den letzten 157 Jahren um knapp 0,6°C gesunken.
Das berichten US-Forscher um Myroslava Protsiv von der Stanford University School of Medicine. Sie haben Aufzeichnungen zum Thema seit dem amerikanischen Bürgerkrieg analysiert (eLife 2020; online 7. Januar).
Die bisher gültige mittlere Körpertemperatur von 37°C hatte nach Angaben der Autoren der Arzt Carl Reinhold August Wunderlich 1850 in Leipzig ermittelt. Dazu waren Millionen axillär gemessene Werte von etwa 25.000 Patienten gemittelt worden.
Der Wert wird allerdings seit einigen Jahren immer häufiger angezweifelt, so die Forscher. So war zum Beispiel bei einer Analyse von fast 250.000 oralen Messwerten von über 35.000 Briten eine mittlere Körpertemperatur von 36.6°C gefunden worden (BMJ 2017; 359:j 5468).
Als Ursache für die höheren Messwerte in frühen Jahren waren bisher meist ungenaue Thermometer vermutet worden.
Vergleichswerte von US-Bürgerkriegsveteranen
Dem sind die Stanford-Forscher nun auf den Grund gegangen. Sie haben über 677.000 Messwerte der Körpertemperatur aus den letzten 157 Jahren zusammengetragen.
Dazu gehörten 83.900 Messungen aus der „Union Army Veterans of the Civil War cohort“ (UAVCW) aus den Jahren 1862 bis 1930, außerdem knapp 6000 Messungen aus der Kohorte des „National Health and Nutrition Examination Survey I“ (NHANES) in den USA aus den Jahren 1971 bis 1975, und 230.261 Messungen aus der Kohorte der „Stanford Translational Research Integrated Database Environment“ (STRIDE) aus den Jahren 2007 bis 2017. Aus den Studien NHANES und STRIDE gingen zudem fast 350.000 Werte bei Frauen in die Analyse ein.
Ergebnis: Die mittlere Körpertemperatur sowohl bei Männern als auch bei Frauen ging gleichmäßig um etwa 0,03°C pro Dekade des Geburtsjahres zurück, was sich als Rückgang der mittleren Körpertemperatur insgesamt um 0,59°C seit 1862 summiert.
Weniger Inflammation dank Antibiotika und Impfstoffen
Dies lege nahe, dass Messfehler nicht vorliegen, sondern die Körpertemperatur wirklich gesunken sei, so die Forscher. Sie vermuten eher physiologische Ursachen, wie ein Rückgang von Entzündungsreaktionen dank Antibiotika, Impfstoffen und sauberem Trinkwasser.
Auch ein Rückgang des metabolischen Grundumsatzes durch Zentralheizung und Klimaanlagen könne zur Erklärung beitragen, heißt es in einer Mitteilung des Fachjournals „eLife“. (eis)