Oft falsch hohe Werte
Einfache Blutdruckmessung hat ihre Tücken
Wird bei der Blutdruckkontrolle in der Praxis auf eine zweite Messung verzichtet, wird mancher zum (schlecht eingestellten) Hypertoniker gemacht, der es gar nicht ist.
Veröffentlicht:CLEVELAND. Die Empfehlung der Deutschen Hochdruckliga lautet, zur Bestimmung des Blutdrucks – egal ob in der Praxis oder zu Hause – nach einer fünfminütigen Ruhepause das erste Mal und dann im Abstand von einer Minute ein zweites Mal zu messen und den niedrigeren der beiden Werte zu dokumentieren.
Hält man sich nicht an diese Vorgabe, das zeigt ein Research Letter in JAMA Internal Medicine, dann besteht die Gefahr, dass falsch hohe Werte ermittelt werden (JAMA Intern Med 2018, online 16. April).
Ärzte der Case Western Reserve University in Cleveland haben bei mehr als 38.000 ambulanten Hochdruckpatienten und fast 81.000 Praxisterminen die Auswirkungen einer Wiederholungsmessung untersucht. Immer wenn bei der ersten Messung Drücke von 140/90 mmHg und mehr gemessen wurden, gab es automatisch eine Erinnerung, eine zweite Messung vorzunehmen.
Bei 39 Prozent aller Messungen war der erste Wert erhöht, in den meisten dieser Fälle (83 Prozent) wurde die empfohlene zweite Messung angeschlossen.
Das Ergebnis: Der systolische Druck lag im Median 8 mmHg niedriger als bei der ersten Messung.
Oft Fehler bei Blutdruckmessung
Die größten Abweichungen zeigten sich bei Patienten mit besonders hohen Ausgangswerten. Letztlich wurden mit der zweiten Messung bei 36 Prozent der Patienten mit zunächst zu hohen Werten normale Drücke festgestellt.
In der gesamten Kohorte erhöhte sich dadurch der Anteil der Patienten mit kontrollierter Hypertonie von 61 auf 73 Prozent.
Für den Erstautor der Studie, Douglas Einstadter, bestätigt das Ergebnis, dass "Fehler bei der Blutdruckmessung eine Hauptursache für eine schlechte Blutdruckkontrolle sind".
Übereinstimmend heißt es in einem begleitenden Kommentar von Robert B. Baron von der Universität in San Francisco: "Obwohl Blutdruckmessungen falsch hoch oder falsch niedrig sein können, ist das Erste wesentlich häufiger und mit viel größeren Konsequenzen verbunden."
Ergebnisse der SPRINT-Studie führten zu Leitlinien-Änderung
Wie relevant bei der Angabe von Blutdruckwerten die Messmethode ist, illustriert auch die SPRINT-Studie: Sie hat letztes Jahr zu einer Änderung der US-amerikanischen Hypertonie-Leitlinie geführt, wonach Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko nun schon ab 130/80 mmHg blutdrucksenkend behandelt werden sollen, mit einem systolischen Zielwert von 120 mmHg.
In der SPRINT-Studie waren die – prognostisch vorteilhaften niedrigen – Werte allerdings unter eher praxisfernen Umständen ermittelt worden: mit dreimaliger automatisierter Messung in einem eigenen Raum und in Abwesenheit anderer Personen.
Auf diese Weise bestimmte systolische Drücke liegen laut Baron rund 12 mmHg niedriger als bei Routinemessungen in der Praxis.