Schlaganfall-Mobil

Frühe Lyse effektiv, aber teuer

Beim Schlaganfall zählt jede Minute: Erfolgt eine Lyse schon im Rettungswagen statt in der Klinik, erhalten deutlich mehr Patienten die Therapie in der wichtigen ersten Stunde nach Symptombeginn, wie eine neue Studie zeigt. Aber trotzdem gibt es Kritik.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Die erste Stunde nach Symptombeginn ist beim Schlaganfall entscheidend: Je früher die Lyse einsetzt, desto besser die Prognose. Allerdings müssen dafür einige wichtige Voraussetzungen erfüllt sein.

Die erste Stunde nach Symptombeginn ist beim Schlaganfall entscheidend: Je früher die Lyse einsetzt, desto besser die Prognose. Allerdings müssen dafür einige wichtige Voraussetzungen erfüllt sein.

© Christoph Pueschner/Zeitenspiegel Stiftung Dt. Schlaganfall-Hilfe

BERLIN. Je früher Patienten mit einem ischämischen Schlaganfall eine rt-PA-Behandlung bekommen, umso besser für ihr Gehirn. Darum liegt es nahe, die Lyse bereits in den Rettungswagen zu verlegen und nicht mit der Behandlung zu warten, bis die Patienten die Klinik erreicht haben.

Allerdings ist dafür ein gewisser Aufwand nötig: So muss der Rettungswagen einen CT und ein Point-of-Care-Labor enthalten, um einen ischämischen Insult klar zu bestätigen und eine Hirnblutung auszuschließen.

Auch sollte ein erfahrener Arzt an Bord sein, um bei einem Schlaganfallverdacht rasch die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Über all das verfügt das Berliner "Stroke Emergency Mobile" (Schlaganfall-Mobil), kurz STEMO. Wie ein Team um Dr. Martin Ebinger vor Kurzem in einer Publikation berichtet hat, ließ sich in einer kontrollierten Studie mit dem STEMO die Zeit vom Notruf bis zur Lyse (Alarm-zur-Nadel-Zeit, ANZ) um etwa ein Drittel verkürzen.

Dadurch bekamen etwa 50 Prozent mehr Schlaganfall-Patienten eine Lyse als bei einer Therapie erst in der Klinik (33 versus 22 Prozent) - es lagen entsprechend mehr Patienten noch in dem Zeitfenster, in dem eine Lyse möglich ist.

Ein Drittel schafft Lyse in der goldenen Stunde

In einer neuen Publikation hat Ebingers Team die Daten der PHANTOM-S-Studie nun danach ausgewertet, wie viele Patienten es innerhalb der ersten 60 Minuten nach Symptombeginn zur Lyse schaffen (JAMA Neurol 2014, online 17. November).

Diese sogenannte "goldene Stunde" gilt als besonders kritisch, danach sinken die Chancen drastisch, den Insult ohne bleibende Behinderungen zu überstehen.

Für die Studie wurde das STEMO nur jede zweite Woche eingesetzt, die übrigen Wochen dienten zur Kontrolle. Die Ärzte berücksichtigten den Zeitraum von Mai 2011 bis Januar 2013. In dieser Zeit gab es in Berlin rund 7000 Notrufe mit Verdacht auf Schlaganfall, etwa die Hälfte fiel auf die Wochen mit STEMO.

In den STEMO-Wochen fuhr der Spezialwagen zu etwa 1800 Patienten, über 1400 wurden weiterhin in normalen Rettungsfahrzeugen versorgt. Insgesamt bekamen 200 Patienten, für die das STEMO ausrückte, eine Lyse, 177 davon noch im Rettungswagen.

Wie sich zeigte, schafften die Ärzte immerhin bei 62 der 200 Lyse-Patienten (31 Prozent), die mit dem STEMO transportiert wurden, die Behandlung in der goldenen Stunde.

Dies gelang hingegen nur bei 16 von 330 Lyse-Patienten in der Kontrollgruppe (knapp 5 Prozent). Die Wahrscheinlichkeit, die Lyse noch in den ersten 60 Minuten nach Symptombeginn zu bekommen, ist mit dem STEMO folglich sechsmal höher.

Mit rascher Lyse seltener ins Pflegeheim

Bei Patienten mit einer Lyse in der goldenen Stunde war auch die Sterberate nach sieben und nach 90 Tagen geringer (minus 62 Prozent und minus 31 Prozent) als bei solchen mit späterer Lyse, allerdings war der Unterschied statistisch nicht signifikant - für ein belastbares Ergebnis war die Zahl der früh Behandelten wohl zu klein.

Doch die Ärzte um Ebinger fanden einen anderen Anhaltspunkt für einen Nutzen der frühen Lyse: Patienten, die rt-PA in der ersten Stunde bekamen, wurden doppelt so häufig nach Hause statt ins Pflegeheim entlassen wie solche mit späterer Lyse.

Trotz dieser beeindruckenden Zahlen - die Kritiker werden sich auch für andere Werte interessieren. So musste das etwa eine Million Euro teure STEMO immerhin 1800-mal ausrücken, um 200 Patienten eine Lyse und 62 eine Lyse in der ersten Stunde zu ermöglichen.

Insgesamt hatte nur ein Drittel der Patienten mit Schlaganfallverdacht einen ischämischen Infarkt, und davon lagen trotz STEMO zwei Drittel außerhalb des Lysezeitfensters.

Die Frage lautet also, ob dem Mehraufwand ein entsprechender Nutzen gegenübersteht. Hier fehlen bisher Langzeitdaten, die Vorteile der frühen Lyse im STEMO bei der Mortalität und dem Behinderungsgrad zeigen.

In einem Editorial sieht der texanische Neurologe Steven Warach für das STEMO aber eine gute Chance in der Praxis, wenn es noch weiter zu einer Art mobiler neurologischer Intensivstation aufgerüstet wird (JAMA Neurol 2014, online 17. November).

So könnten Patienten mit Antikoagulanzien-verursachten Hirnblutungen gleich vor Ort Antidots bekommen oder die Neurologen ein verstopftes Hirngefäß noch im Wagen mit einem Stentretriever befreien.

Ein solches STEMO könnte nicht nur bestimmten Patienten mit ischämischem Insult einen Zusatznutzen bringen, sondern einer weit größeren Gruppe von Notfällen.

Lesen Sie dazu auch: Kommentar zum Schlaganfall-Mobil: NEMO statt STEMO

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