Infektionen

Herpes zoster für Alte besonders riskant

Wer als Kind an Windpocken erkrankt, trägt das Varizella-zoster-Virus ein Leben lang in sich. In jungen Jahren bleibt das Virus zwar meist asymptomatisch, im fortgeschrittenen Alter aber steigt die Gefahr eines endogenen Rezidivs beträchtlich. Doch gerade für alte Menschen ist Herpes zoster keine harmlose Erkrankung.

Von Dr. Dagmar Kraus Veröffentlicht:
Befund bei einer 66 Jahre alten Patientin: Zeichen eines Herpes zoster am Oberbauch.

Befund bei einer 66 Jahre alten Patientin: Zeichen eines Herpes zoster am Oberbauch.

© Dr. Hans Schulz, Bergkamen

BERLIN. Es beginnt mit allgemeinem Unwohlsein, leichtem Fieber und brennenden Schmerzen entlang der Nervenbahnen. Zeigen sich einige Tage später Rötungen und Bläschen auf der Haut, die nur einseitig auftreten, die Mittellinie nicht überschreiten und auf ein oder zwei Nervensegmente beschränkt sind, ist klar: Es handelt sich um Herpes zoster.

Von der äußerst schmerzhaften "Gürtelrose" sind vorwiegend Personen jenseits des 50. Lebensjahres betroffenen, wobei das Erkrankungsrisiko kontinuierlich mit dem Alter steigt (BMC Geriatrics 2017; 17: 30). Während bei den 50- bis 59-Jährigen die Herpes-zoster-Inzidenz noch 6,21 pro 1000 Personenjahre beträgt, liegt sie bei den 90-Jährigen bereits doppelt so hoch (13,19 pro 1000 Personenjahre) (BMC Infectious Diseases 2011; 11: 173). Nach Angaben des Robert Koch- Instituts geht man davon aus, dass jeder Zweite, der das 85. Lebensjahr erreicht, einmal während seines Lebens an Herpes zoster erkrankt (RKI: Ratgeber für Ärzte: Windpocken, Herpes zoster (Gürtelrose). März 2016).

Erkrankungszahlen steigen

Die Herpes-zoster-Inzidenz nimmt aber nicht nur mit dem Lebensalter zu, die Erkrankungszahlen steigen - unter anderem aufgrund der demografischen Entwicklung - auch absolut, und das weltweit. In den Ländern Australien, Japan und den USA ist die Herpes-zoster-Inzidenz zwischen 1992 und 2012 jedes Jahr um 2,35 Prozent bis 3,74 Prozent angewachsen (BMC Geriatrics 2017; 17: 30). Geht man davon aus, dass bis zum Jahr 2030 in den USA 55 Prozent mehr alte Menschen leben werden als noch im Jahr 2015, werden bei einem jährlichen Inzidenzanstieg um 2,35 Prozent im Jahr 2030 343 Prozent mehr Menschen über 65 Jahre an Herpes zoster erkranken als im Jahr 2001. In Japan werden die Erkrankungszahlen laut Berechnung um 176 Prozent steigen, in Australien um 376 Prozent.

Ausschlaggebend für das mit dem Alter steigende Erkrankungsrisiko scheint unter anderem die Immunoseneszenz zu sein. Nach einer exogenen Erstinfektion ziehen sich die Erreger in die Spinal- und Hirnnervenganglien zurück und werden dort von der zellvermittelten Immunabwehr in Schach gehalten. Sinkt die Aktivität des Immunsystems, kommt es zur Reaktivierung.

Postzoster-Neuralgie gefürchtet

Gefürchtet ist der Herpes zoster vor allem wegen der ausgeprägten Schmerzsymptomatik. Meist treten die Schmerzen synchron mit den Bläschen auf und lassen mit Abheilen des Hautausschlages wieder nach. Quälen den Patienten 90 Tage nach Auftreten der Hautsymptome immer noch heftige Nervenschmerzen, spricht man von einer postherpetischen Neuralgie (PHN). Betroffen sind schätzungsweise 10 Prozent bis 20 Prozent der Herpes-zoster-Patienten, wobei im höheren Alter der Anteil deutlich steigt. Bei den 85-Jährigen bleibt bei jedem Zweiten eine Postzoster-Neuralgie zurück (Curr Geri Rep 2016; 5 (1): 9-15).

Die PHN ist das Ergebnis einer Entzündung sensorischer Nerven. Die intensiven Schmerzen, die über Monate bis Jahre persistieren können, sind nicht einfach zu behandeln und manchmal kaum in den Griff zu bekommen. Besonders schwierig gestaltet sich die Schmerzlinderung bei alten Menschen, denn Vorerkrankungen und Medikamenteneinnahme schränken die Behandlungsoptionen deutlich ein. Die Betroffenen ziehen sich vom sozialen Leben zurück und stürzen häufig in eine Depression.

Mit einer Postzoster-Neuralgie können sich auch kognitive Funktionen verschlechtern. Das ist zum einen der postherpetischen Neuralgie selbst geschuldet, zum anderen ist das eine bekannte Nebenwirkung mancher zur Schmerztherapie eingesetzten Medikamente. Im schlimmsten Fall kann eine postherpetische Neuralgie einen bislang selbstständig lebenden alten Menschen zum Pflegefall machen.

Schlaganfallrisiko lange erhöht

Wer eine "Gürtelrose" überstanden hat, muss außerdem mit einem höheren Schlaganfallrisiko leben (BMC Infectious Diseases 2017; 17(1): 198). Im ersten Monat nach der Erkrankung ist das relative Risiko fast um zwei Drittel höher als bei Nichterkrankten (RR 1,78; 95 Prozent-KI 1,70-1,88). Danach sinkt es zwar kontinuierlich, ist aber ein Jahr später immer noch signifikant (RR 1,20, 95 Prozent-KI 1,14-1,26).

Besonders schlaganfallgefährdet sind Patienten, bei denen sich die Viren über den 1. Trigeminusast ausbreiten und eine Herpes ophthalmicus verursachen. Bei diesen überwiegend alten Patienten klettert das Insultrisiko um mehr als das Doppelte (RR 2,05, 95 Prozent-KI 1,82-2,31) und ist auch ein Jahr nach der akuten Episode weiterhin erhöht.

Komplikationen bei Herpes zoster

- Bei den 85-jährigen Herpes-zoster-Patienten bleibt bei jedem Zweiten eine Postzoster-Neuralgie zurück.

- Mit einer Postzoster-Neuralgie können sich auch kognitive Funktionen verschlechtern.

- Nach Herpes zoster ist das Risiko für einen Schlaganfall erhöht.

Lesen Sie dazu auch: Infektionen: Effektiver Zosterschutz auch für über 70-Jährige

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