Klimawandel
Hitzewellen sind für Diabetiker besonders bedrohlich
Der Klimawandel stellt Ärzte vor besondere Herausforderungen. So sind etwa die zunehmenden Hitzewellen bei Diabetes ein großes Problem. Neben der meist vorliegenden Adipositas birgt auch das Insulin Gefahren.
Veröffentlicht:Wiesbaden. Die extreme Hitzewelle 2003 hat allein in Deutschland etwa 7600 Tote gefordert, erinnerte Professor Erhard Siegel aus Heidelberg. Der Ärztliche Direktor am St. Josefskrankenhaus prognostizierte, dass künftig durch den Klimawandel solche Extremwetterlagen häufiger auftreten werden.
Und: Dabei müsse man sich künftig auf eine Übersterblichkeit wie bei einer schweren Grippewelle einstellen, sagte Siegel bei einer virtuellen Pressekonferenz im Vorfeld der gemeinsamen Herbsttagung der Deutschen Gesellschaften für Diabetes (DDG) und Adipositas (DAG).
Hitzeanpassung ist gestört
Siegel warnte: Bei Menschen mit Diabetes und Adipositas ist wegen gestörter Hitzeanpassung bei Extremwetterlagen eine besonders hohe Morbidität und Mortalität zu befürchten. So funktionieren bei Diabetes die physiologischen Anpassungsmechanismen nur eingeschränkt, sagte er. Beeinträchtigt seien sowohl der feuchte Hitzeaustausch über Schwitzen als auch der trockene Hitzeaustausch über verstärkten Hautblutfluss mittels Gefäßerweiterung.
Zu den Ursachen zählen periphere und zentrale Störungen der regulierenden Schweißdrüsen und Blutgefäße, erläuterte Siegel. So ist die Aktivität sympathischer Nervenbahnen bei Diabetes bekanntlich häufig herabgesetzt. Hinzu kommt ein besonders ungünstiges Verhältnis von Körperoberfläche zu Körpervolumen bei Adipösen im Vergleich zu Normalgewichtigen, was den trockenen Wärmeaustausch weiter begrenzt. Und schließlich zeigt das Fettgewebe eine niedrigere Wärmekapazität als die Muskelmasse, sodass die Wärmeabgabe bei Menschen mit Adipositas langsamer erfolgt.
Temperatursensible Arzneien
Weitere Probleme kommen bei insulinpflichtigen Patienten hinzu. Denn durch den erhöhten Blutfluss für den trockenen Hitzeaustausch wird das Insulin schneller als üblich im Körper verteilt und aufgenommen. Das erhöht wiederum das Hypoglykämie-Risiko.
Im Gegensatz dazu kann es bei Menschen mit Typ-2-Diabetes, die nur unzureichend mit oralen Antidiabetika eingestellt sind, zu Hyperglykämien kommen. Folge der hohen Glukosewerte kann dann eine erhöhte Osmolalität des Blutes sein. Hitzeaustausch wird dadurch weiter behindert, und das Risiko für Dehydrierung steigt.
Stoffwechselentgleisungen werden zudem durch die Temperatursensibilität von Insulin und oralen Antidiabetika begünstigt. So sind die verfügbaren Insuline alle temperaturempfindlich und werden bei Temperaturen über 30° C zerstört, warnte der Diabetologe. Die richtige Lagerung (2° bis 8° C) ist gerade in Hitzeperioden von enormer Wichtigkeit.
Siegel appellierte an Ärzte, die Bedrohungen durch Hitzewellen und die Anpassung der Medikation zu besprechen.