Kommentar des Experten

Hoher Blutzucker hat nur selten eine andere Ursache als Diabetes

Erhöhter Blutzucker deutet in der Regel auf Diabetes mellitus hin. Gelegentlich können Arzneien, Stress oder süße Kost die Blutglukose erhöhen.

Von Prof. Hellmut Mehnert Veröffentlicht:

Prof. Hellmut Mehnert

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Arbeits­schwerpunkte: Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselleiden. Diesen Themen widmet sich Prof. Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren.

Erfahrungen: 1967 hat er die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht sowie das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland gegründet.

Ehrung: Er ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

Bei der Früherkennung von Typ-2-Diabetes sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden:

  • metabolisches Syndrom mit androider Fettsucht, Dyslipoproteinämie, Hypertonie und Gerinnungsstörungen,
  • Prädiabetes mit erhöhtem Nüchternblutzucker oder pathologischem Glukosetoleranztest sowie
  • manifester Diabetes mellitus, bei dem bereits unter Alltagsbedingungen der Blutzucker erhöht ist.

Die Frage ist zunächst, ob es bei Glukosurie ohne erkennbare Hyperglykämie Zustände gibt, die nicht auf "echten" Diabetes hinweisen. Wohl bekannt sind dabei die unschädlichen alimentären und renalen Glukosurien. Diese haben sich zum Beispiel in der weltweit größten Diabetes-Früherfassungsaktion 1967 als nicht unbeträchtlich erwiesen.

Bei der angeblich "nicht-diabetischen" Hyperglykämie muss man allerdings vorsichtiger sein. Natürlich sind stressbedingte Erhöhungen des Blutzuckers ebenso wie Hyperglykämien nach exzessiver Zuckerzufuhr möglich. Man sollte sie aber nicht allzu schnell als "nicht-diabetisch" abtun. Es gibt genügend Menschen, die bei ähnlichem Stress oder ähnlicher Nahrungszufuhr keine Hyperglykämie bekommen.

Weitere pathologische Werte von Stoffwechselparametern können sich bei metabolischem Syndrom und damit bei Dyslipoproteinämie ergeben: Die Lipidtrias bei Diabetikern zeigt erhöhte Werte von Triglyceriden und chemisch modifizierten, oxidierten, glykierten, besonders gefäßaggressiven LDL-Partikeln. Das HDL-Cholesterin ist erniedrigt.

Darüber hinaus sind auch androide Fettsucht und Hypertonie von diagnostischer Bedeutung. Parameter wie Proinsulin und C-Peptid sind in der Regel der Forschung vorbehalten. Im Einzelfall kann die Bestimmung von Autoimmunmarkern wie GAD (Glutamatdecarboxylase-Antikörper) wichtig sein, um etwa einen Typ-1-Diabetes auszuschließen.

Bedeutsam für die Differenzialdiagnose ist der Zustand nach Magenresektion mit erhöhten postprandialen Spitzen. Ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT) ist hier nicht geeignet.

Hyperglykämien bis hin zum Typ-3-Diabetes gibt es nach Einnahme von Medikamenten (etwa Cortisolabkömmlinge), womöglich bei akuten Lebererkrankungen, in Stresssituationen und bei Kaliummangel (etwa durch Diuretika!).

Immer aber sollte man sich vor Augen halten, dass es eben auch viele Menschen gibt, die solchen Zweiterkrankungen ausgesetzt sind und nicht mit einer Hyperglykämie reagieren. Dies gilt insbesondere auch für den Gestationsdiabetes, in dessen Gefolge bei etwa jeder zweiten Frau in den Jahren oder Jahrzehnten nach der Geburt ein Typ-2-Diabetes auftritt.

Für die Diagnostik von Gestationsdiabetes haben die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) jetzt neue Leitlinien erstellt (wir berichteten). Die alten Grenzwerte für den 75-g-oGTT wurden in etwa zwar beibehalten: nüchtern 92 mg/dl, eine Stunde postprandial 180 mg/dl, zwei Stunden 153 mg/dl.

Verändert hat sich aber die Bedeutung von zwei Faktoren: Die neuen Werte beziehen sich ausschließlich auf Plasmaglukose, was gegenüber den vorher oft üblichen Vollblutwerten eine erhebliche Verschärfung bedeutet. Auch führt jetzt ein einziger pathologischer Wert zu den drei Zeitpunkten (einschließlich erhöhtem Nüchternblutzucker!) zur Diagnose Gestationsdiabetes.

Mit den neuen Kriterien wird künftig bei deutlich mehr Schwangeren ein Gestationsdiabetes diagnostiziert werden als bisher. Das ist wegen der möglichen Schäden für Mutter und Kind aber durchaus berechtigt.

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