Überaktive Blase
Injektion von Toxin entspannt den Blasendetrusor
Botulinumtoxin-Injektionen in die Harnblase scheinen auch nach mehreren Behandlungszyklen in ihrer Wirksamkeit nicht nachzulassen.
Veröffentlicht:MÜNCHEN. Für OAB-Patientinnen, denen mit Anticholinergika nicht geholfen werden kann und die keinen relevanten Deszensus haben, kommt die Botulinumtoxin-Injektion in den Detrusor in Betracht. "Mehrere prospektiv randomisierte Studien haben eine signifikante Verbesserung der Drangsymptomatik durch Botulinumtoxin im Vergleich zu Placebo zeigen können", schreibt Professor Ursula Peschers, Gynäkologin am Bayerischen Beckenbodenzentrum an den Isar Kliniken in München (Gynäkologe 2017; 50: 184-188). Zulassungsrelevant ist der vorherige medikamentöse Therapieversuch oder das Vorliegen von Kontraindikationen für die Einnahme von Anticholinergika. In Deutschland besteht ausschließlich für Onabotulinumtoxin A (Botox®) die Zulassung zur Behandlung der nichtneurogenen überaktiven Blase. Zu beachten ist, dass die Botulinumtoxin-Einheiten nicht auf andere Präparate übertragbar sind.
Restharnbildung ausschließen
"Vor der Behandlung mit Botulinumtoxin muss eine relevante Restharnbildung ausgeschlossen werden", betont Peschers. Das heißt, es dürfen nur weniger als 100 ml Restharn gemessen werden. Denn ansonsten besteht ein erhöhtes Risiko für postoperative Blasenentleerungsstörungen mit der Notwendigkeit intermittierenden Selbstkatheterismus. Ein Harnwegsinfekt muss vor der Injektion ebenfalls ausgeschlossen sein. In der Fachinformation wird außerdem eine mehrtägige periinterventionelle Antibiotika-Prophylaxe empfohlen. Thrombozytenaggregationshemmer sollen pausiert werden. Der Eingriff selbst kann in Narkose, Analgosedierung oder mit lokaler Betäubung per intravesikaler Instillation eines Lokalanästhetikums vorgenommen werden. 100 IE Onabotulinumtoxin werden in 10 ml Kochsalzlösung verdünnt und transurethral in definierter Weise an 20 Stellen im Abstand von einem Zentimeter in den Detrusor injiziert.
Innerhalb von zwei Wochen nach dem Eingriff kann mit der maximalen Wirkung und der klinischen Besserung gerechnet werden. Zu diesem Zeitpunkt wird die Restharnmenge kontrolliert. Liegt sie über 200 ml und bestehen Symptome der Blasenentleerungsstörung, muss sich die Patientin intermittierend selbst katheterisieren. Geht das nicht, wird ein suprapubischer Katheter, gegebenenfalls auch die transurethrale Harnableitung erforderlich.
Wie wirksam Botulinumtoxin A bei überaktiver Blase ist, geht aus den EMBARK-Studien hervor (Urology 2004; 64(Suppl 6A): 2-6).
Weniger Inkontinenz-Episoden
Daran hatten mehr als 1100 Patienten teilgenommen, die nicht oder unzureichend auf Anticholinergika angesprochen hatten. Sie klagten über durchschnittlich fünf Inkontinenz-Episoden pro Tag. Diese reduzierten sich im Mittel um 2,8 Episoden pro Tag, 27,1 Prozent der Teilnehmer wurden vollständig kontinent. Zum Vergleich: Unter Placebo waren es 8,4 Prozent. Auch die Drangepisoden verringerten sich um 3,3 Episoden pro Tag, die Miktionsfrequenz ging signifikant zurück. Die Wirkung hielt etwa sechs Monate an. Allerdings traten bei jedem vierten Patienten Harnwegsinfekte auf, Dysurie bei jedem zehnten. Selbstkatheterismus war bei 6,5 Prozent der Studienteilnehmer postoperativ erforderlich, bei 2,7 Prozent für mehr als zwölf Wochen.
Die Wirksamkeit der Botulinumtoxin-Behandlung ist unabhängig davon, wie viele Anticholinergika die Patienten vorher bereits genommen haben. Aus einer Langzeitstudie über drei Jahre mit über 800 Patienten, überwiegend Frauen, geht hervor, dass auch nach bis zu sechs Behandlungszyklen mit konsistenten Effekten und einer verbesserten Lebensqualität gerechnet werden kann (J Urol 2016; 196(3): 791-800). Allerdings hatte fast die Hälfte der Teilnehmer die Studie im Laufe der Zeit abgebrochen, ohne dass es dafür gesicherte Erklärungen gab. Denn nur wenige Teilnehmer beklagten einen Mangel an Wirksamkeit oder unerwünschte Wirkungen.
Die gepoolte Analyse zweier Phase-III-Studien bestätigte bisherige Erkenntnisse: Bei etwa 60 Prozent der Botulinumtoxin-A-behandelten Patienten kann mit einer mehr als 50-prozentigen Reduktion der Inkontinenz-Episoden gerechnet werden, die Drangepisoden gehen um durchschnittlich drei bis vier pro Tag zurück (Int J Clin Pract 2014; 68(10): 1246-1256).