Therapie-Adhärenz
Ist die Pillenfarbe wirklich egal?
Erhalten Patienten plötzlich Antiepileptika mitanderer Farbe oder Form, beeinträchtigt dies möglicherweise die Therapietreue. So geht einer mangelnden Compliance vermehrt ein Tablettenwechsel voraus. Allerdings ist der Einfluss eher gering.
Veröffentlicht:TREMONT. Bei bestimmten Erkrankungen wird ein Wechsel zwischen wirkstoffgleichen Präparaten sehr kritisch gesehen.
So ist bei vielen Antiepileptika das therapeutische Fenster sehr eng, die unterschiedliche Bioverfügbarkeit der einzelnen Präparate kann bei einem Wechsel entweder zu Serumspiegeln führen, die für den Anfallschutz zu niedrig sind, oder aber zu Spiegeln, die zu hoch sind und daher unerwünschte Wirkungen verstärken.
Möglicherweise haben aber auch die veränderte Form und Farbe einen negativen Einfluss auf die Adhärenz, berichten US-Forscher vom Brigham and Women's Hospital in Tremont (Arch Intern Med, online 31. Dezember 2012).
Sie hatten in einer Fall-Kontroll-Studie Daten von über 60.000 Patienten ausgewertet, die mit einer Antiepileptika-Therapie begonnen hatten.
Allerdings waren nur knapp 23 Prozent davon an einer Epilepsie erkrankt, die übrigen litten an Schmerzen, affektiven oder anderen psychischen Störungen.
Die Ärzte um Dr. Aaron Kesselheim kontrollierten nun, wie viele der Patienten ihr Rezept nicht innerhalb von fünf Tagen erneuerten, nachdem ihr Pillenvorrat hätte aufgebraucht sein müssen.
Dies war bei knapp 11.500 Patienten der Fall. Nun schauten sie sich die zwei vorhergehenden Rezepte an und analysierten, ob dabei zu Präparaten mit anderer Form oder Farbe gewechselt worden war.
Dasselbe taten sie bei über 50.000 Kontrollen, die sich stets rechtzeitig eine neue Packung verschreiben ließen.
Das Ergebnis: Bei 1,27 Prozent der nicht adhärenten Patienten wurde ein Wechsel der Pillenfarbe bei den beiden vorausgegangenen Verschreibungen festgestellt, dagegen nur bei 0,97 Prozent der adhärenten Patienten, bezogen auf die zwei zuletzt erfassten Rezepte.
Relativ betrachtet war ein Wechsel der Farbe bei den nicht adhärenten Patienten damit um ein Viertel häufiger aufgetreten. Absolut gesehen waren die Unterschiede bei der Pillenform geringer (0,11 versus 0,16 Prozent), relativ betrachtet jedoch etwas höher (31 Prozent).
Analysierten die Forscher speziell Daten der Epilepsiekranken, so wurde ein Wechsel der Pillenfarbe bei 1,74 Prozent mit Adhärenzproblemen und bei 1,16 Prozent ohne solche Probleme beobachtet (relativer Unterschied: 33 Prozent).
Zur Pillenform waren die Zahlen hier zu klein für belastbare Aussagen. Zweifelhaft ist, ob der Wechsel der Farbe einen Einfluss auf die Compliance hat. So lässt sich aus der Fall-Kontroll-Studie nicht folgern, dass der Präparatewechsel die Ursache der fehlenden Adhärenz war.
Möglicherweise waren die Patienten mit Präparatewechsel nicht öfter non-adhärent: Vielleicht verschrieben die Ärzte das neue Präparat zeitgleich mit Dosisreduktion, sodass die Packungen länger ausreichten.