Studie zeigt
Jeder Zweite über 70 hat latenten Prostata-Krebs
Bei der Hälfte der 70- bis 79-Jährigen fanden sich nach dem Tod in Autopsiestudien Prostatakarzinome, die klinisch nie in Erscheinung getreten waren. Forscher warnen daher vor Überdiagnosen beim Screening auf Prostata-Krebs.
Veröffentlicht:GOLD COAST. Der mögliche Schaden bei einem Screening auf Prostatakrebs besteht vor allem in der Entdeckung und Behandlung von Patienten mit Tumoren, die zu Lebzeiten auch ohne Therapie nie Probleme gemacht hätten.
Welches Ausmaß Überdiagnostik und Übertherapie annehmen können, lassen Autopsieergebnisse von Männern mit anderer Todesursache erahnen: Bei knapp der Hälfte der 70- bis 80-Jährigen wird Publikationen zufolge erst post mortem ein Prostatakarzinom entdeckt.
Darauf weisen Mediziner um Dr. Katy J. L. Bell vom Centre for Research in Evidence Based Practice in Gold Coast in Australien hin (Int J Cancer 2015, online 21. April).
Daten zwischen 1948 und 2013
Die Ärzte haben alle Studien ausgewertet, in denen bei Männern ohne vorbekannten Prostatakrebs im Rahmen der Autopsie die Vorsteherdrüse systematisch histologisch untersucht worden war. In der Literatur fanden sich 29 solcher Untersuchungen von ausreichend guter Qualität aus den Jahren 1948 bis 2013.
Erwartungsgemäß stieg die Krebsrate mit zunehmendem Lebensalter, und zwar in nicht linearer Weise. Bei unter 30-Jährigen lag die Quote noch bei 5 Prozent, im Alter zwischen 60 und 69 war schon jeder Dritte betroffen und bei 70- bis 79-Jährigen sowie bei den noch Älteren waren es sogar 46 und 59 Prozent.
Eine erhöhte Krebsprävalenz fand sich außer bei älteren Männern auch in Studien, in denen der Gleason-Score zur Anwendung kam - in Studien, in denen der Score (noch) nicht genutzt worden war, waren die Befunde vermutlich konservativer beurteilt worden.
Unerheblich war dagegen, ob die Männer im Krankenhaus gestorben waren oder nicht, wie dick die Gewebsschnitte waren und aus welchem Jahr die Studie stammte.
Dass die Prostatakarzinom-Prävalenz über den gesamten Zeitraum hinweg relativ konstant war, steht im Gegensatz zur Detektionsrate in vielen Industrieländern, wo sie mit der Verbreitung von PSA-Tests dramatisch angestiegen ist.
Zwar ist nicht auszuschließen, dass Letzteres tatsächlich auf eine Steigerung von aggressiv wachsenden Tumoren zurückgeht. Zumindest das Vorkommen von niedrigmalignen Tumoren scheint jedoch gleich geblieben zu sein.
Bell und Kollegen warnen vor dem daraus resultierenden hohen Risiko von Überdiagnosen bei einem Prostatakrebs-Screening: "Wenn Biopsie und Beurteilung dieser Tumoren ante mortem stattgefunden hätten, wären wahrscheinlich viele als hochgradig eingestuft und aktiv behandelt worden."
Es seien deswegen dringend bessere Methoden zur Unterscheidung von hoch- und niedrigmalignen Prostatakarzinomen erforderlich. Solange es die nicht gebe, habe "jeglicher Vorwand für eine Biopsie eine hervorragende altersabhängige Chance auf ein positives Ergebnis".