Tinnitus
Kann Magnetstimulation langfristig helfen?
Patienten mit chronischem Tinnitus profitieren offenbar von einer mehrmals wiederholten repetitiven transkraniellen Magnetstimulation, wie jetzt eine placebokontrollierte Studie bestätigt. Die Beschwerden lassen sich demnach auch langfristig lindern.
Veröffentlicht:PORTLAND. Bisherige Studien zum Potenzial der transkraniellen Magnetstimulation (TMS) bei Patienten mit chronischem Tinnitus waren unter anderem zu klein für aussagekräftige Ergebnisse, hatten keine Placebogruppe zum Vergleich oder keine optimale Positionierung der TMS-Spule.
In einer aktuellen placebokontrollierten US-Studie wurde nun die Hypothese überprüft, dass sich mit einer repetitiven TMS, die einmal täglich an zehn aufeinanderfolgenden Werktagen vorgenommen wird, die Tinnitusbeschwerden signifikant stärker lindern lassen als durch eine Schein-TMS (JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2015; online 16. Juli).
An der Studie nahmen insgesamt 64 Patienten teil, von denen in der Verumgruppe 17 Patienten schon seit mindestens elf Jahren unter den Phantomgeräuschen litten.
In der Vergleichsgruppe waren es 24 Patienten, von denen 20 schon seit mehr als 20 Jahren Tinnitus hatten. Um an der Studie teilnehmen zu können, mussten die Patienten seit mindestens einem Jahr Beschwerden haben.
2000 Impulse pro Sitzung
Für die Stimulation verwendeten die Ärzte um Dr. Robert L. Folmer vom US Veterans Hospital in Portland das Rapid2-Gerät des britischen Unternehmens Magstim mit einer Impulsfrequenz von einem Hertz sowie ein entsprechendes Gerät von dem Unternehmen für die Placebo-TMS.
Pro Sitzung erhielten die Patienten, die nicht alle ehemalige Soldaten waren, 2000 Impulse über die auf dem Hörkortex links- oder rechtsseitig platzierte Spule. Der Erfolg der Therapie wurde sofort nach der letzten Behandlung sowie 1, 2, 4, 13 und 26 Wochen später beurteilt.
Primärer Endpunkt der Studie waren die TFI-Werte, ermittelt anhand des Fragebogens "Tinnitus Functional Index" (0-100 Punkte, mehr Punkte sind schlechter). Als Ansprechen galt, wenn die Zahl der TFI-Punkte zwischen Beginn und Ende der Behandlung um mindestens sieben gestiegen war.
Ergänzung zu etablierten Verfahren
Zu Beginn der Studie betrug der TFI-Wert in der Gruppe mit geplanter TMS durchschnittlich 44,8, in der Placebogruppe 40,6.
Wie Folmer und seine Kollegen berichten, wurden die Beschwerden in der Verumgruppe nach einem Follow-up von 26 Wochen im Vergleich zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Studie um 30,8 Prozent reduziert, unter der Schein-TMS dagegen nur um 7,1 Prozent. 18 von 32 Patienten (56 Prozent) in der Verumgruppe sowie 7 von 32 Patienten (22 Prozent) der Vergleichsgruppe sprachen auf die TMS an, ein signifikanter Unterschied.
Dass in der Placebogruppe überhaupt Patienten ansprachen, könnte daran liegen, dass die vom entsprechenden Gerät ausgesendeten Impulse nicht schwach genug waren.
Die Ärzte sind sich im Klaren, dass es sich bei ihrer Untersuchung nur um eine kleine Studie handelt, deren Ergebnisse in größeren Studien zu überprüfen sind. Unter den noch zu klärenden Fragen sei zum Beispiel, ob der anhand der TFI-Werte ermittelte Erfolg der TMS-Therapie nicht nur ein halbes, sondern sogar ein ganzes Jahr anhalten könnte und auf welcher Seite des Kopfes die Spule zu platzieren sei, um den größten Therapieerfolg zu erzielen.
Unklar sei zudem, ob Patienten besser ansprechen, wenn sie bereits länger Beschwerden haben.
Schließlich weisen die Autoren darauf hin, dass die TMS in den aktuellen Leitlinien der American Academy of Otolaryngology von 2014 bei Tinnitus nicht empfohlen werde.
Allerdings beruhe diese Empfehlung auf zwei Studien, in denen der Erfolg der Behandlung nicht anhand des TFI wie in der aktuellen Studie beurteilt worden sei. Die Ärzte gehen davon aus, dass die TMS künftig etablierte Strategien gegen Tinnitus nicht ersetzen, sondern eher ergänzen könnte.