Individuell
Kardiologen ordnen Herzinfarkt-Risiken neu
Bei der kardiovaskulären Prävention gilt es umzudenken. Die Einteilung in Primär- und Sekundärprävention ist out. Kardiologen setzen jetzt auf individualisierte Prävention, um Herzinfarkten vorzubeugen.
Veröffentlicht:HAMBURG (mal). Bei der kardiovaskulären Prävention gilt es umzudenken: Nach dem Update der Richtlinien zur kardiovaskulären Prävention der Europäische Kardiologengesellschaft (ESC) wird nicht mehr zwischen Primär- und Sekundärprävention unterschieden.
Die Prävention richtet sich nun nach dem individuellen Risiko. So sollen Menschen mit hohem Risiko für einen Herzinfarkt so behandelt werden wie jene, die bereits einen Infarkt überlebt haben.
Vorgesehen ist, Patienten nach ihrem Risiko für einen tödlichen Herzinfarkt innerhalb der nächsten zehn Jahre einer von vier Kategorien zuzuordnen, teilt die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) zu ihrer Herbsttagung in Hamburg mit.
Niedriges Risiko (unter 1 Prozent): In diese Kategorie gehören Menschen ohne Risikofaktoren, die sie einem moderaten Risiko aussetzen würden.
Moderates Risiko (1 bis 5 Prozent): zum Beispiel viele Menschen mittleren Alters.
Hohes Risiko (5 bis 10 Prozent): Menschen mit deutlich erhöhten einzelnen Risikofaktoren, mit Diabetes ohne Risikofaktoren oder Endorganschäden und moderater chronischer Nierenkrankheit.
Sehr hohes Risiko (über 10 Prozent): Menschen mit diagnostizierten kardiovaskulären Krankheiten, Diabetes mit einem oder mehr Risikofaktoren oder Endorganschädigungen, und schwerer chronischer Nierenkrankheit.
Hoher Risikostellenwert für die Nierenfunktion
Eine weitere Neuerung liege in der Bedeutung, die der Nierenfunktion beigemessen werde, so die DGK. Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion hätten automatisch und unabhängig von den übrigen Risikofaktoren ein hohes oder ein sehr hohes Risiko.
Da die Nierenerkrankung ihrerseits meist die Folge von Bluthochdruck und/oder Zuckerkrankheit ist, steigt für viele Betroffene das individuelle Risiko noch weiter an.
Diabetiker ohne zusätzliche Risiken haben automatisch ein hohes Risiko; kommt zum Diabetes ein weiterer Risikofaktor hinzu, wird von sehr hohem Risiko ausgegangen.
Bei Männern ab 40 und Frauen ab 50 nach Risikofaktoren fahnden
"Die Ärzteschaft ist nun aufgefordert, bei Männern ab dem 40. und bei Frauen ab dem 50. Lebensjahr nach diesen Risikofaktoren zu fahnden", wird Professor Rainer Hambrecht vom Herzzentrum Bremen von der DGK zitiert.
Dies sei nicht in erster Lini Aufgabe der Kardiologen, sondern primär der Hausärzte, die ja näher an der - mehr oder weniger - gesunden Bevölkerung seien. Erst wenn es auffällige Befunde zu hinterfragen gibt, oder wenn präventive Maßnahmen nicht greifen, sollte ein Facharzt hinzugezogen werden.
Die neuen Risiko-Scores der ESC Richtlinien erlauben auch altersangepasste Aussagen. "Das Alter ist ein ganz wesentlicher Risikofaktor", sagt Hambrecht.
"Das führt aber nun dazu, dass zum Beispiel ein junger übergewichtiger Raucher ein eher geringes absolutes Risiko aufweist. Anhand der Charts kann man diesen Menschen aber nun zeigen, um wie viel höher ihr Risiko im Vergleich zu einem schlanker Nichtraucher gleichen Alters ist - und wie es ihnen wahrscheinlich in ein paar Jahren gehen wird, wenn sie ihren Lebensstil nicht verändern. Wir können also auch jüngeren Patienten sehr genau demonstrieren, was es bringt, mit dem Rauchen aufzuhören. So hat ein 40jähriger Raucher mit erhöhten Blutfetten das gleiche Risiko wie ein 60jähriger ohne zusätzliche Risikofaktoren."
Zur Umsetzung der kardiovaskulären Prävention empfehlen die Richtlinien neben - je nach individueller Situation - entsprechenden Medikamenten "multimodale Lebensstilintervention", teilt die DGK mit:
- Aktives und passives Rauchen muss vermieden werden,
- Ratschläge für eine gesunde Ernährung sind wichtiger Bestandteil der kardiovaskulären Prävention,
- übergewichtigen und adipösen Personen wird dringend eine Gewichtsreduktion empfohlen
- und gesunde Personen sollten Alters-unabhängig 2,5 bis 5 Stunden pro Woche bei moderater Intensität (optimal 30 Minuten oder mehr pro Tag) körperlich aktiv sein.