Keine Beweise, dass Sport Endoprothesen lockert
Sport tut auch Endoprothesenträgern gut. Doch bedarf es einer guten Beratung über die geeignete Sportart.
Veröffentlicht:HEIDELBERG. Immer häufiger werden Ärzte mit der Frage von Endoprothesenträgern konfrontiert, ob sie denn Sport treiben dürfen. Die Gründe: Zunehmend jüngere Patienten mit sekundärer Arthrose werden mit einer Total-Endoprothese (TEP) versorgt, und ältere agile Patienten mit einem Gelenkersatz wollen nicht auf Sport verzichten.
Grundsätzlich sei eine sportliche Betätigung zu befürworten, sagte der Heidelberger Sportorthopäde Dr. Nikolaus Streich bei einer Veranstaltung des Interdisziplinären Zentrums für Sport- und Bewegungsmedizin an der Uni Heidelberg.
Vorausgehen sollte jedoch eine "sehr individuelle" ärztliche Beratung. Dabei sei die Berücksichtigung des Prothesentyps wichtiger als das Alter des Patienten, so Streich.
Krafttraining der Reha sollte fortgesetzt werden
Das in den Reha-Einrichtungen angebotene Krafttraining sollte in jedem Fall dauerhaft fortgeführt werden, riet der Sportorthopäde.
Für sportliche Aktivität gibt es gute Gründe: die zu erzielende Funktionsverbesserung des betroffenen Gelenks durch Muskelaufbau, eine Verbesserung von Koordination und Gangbild, psychosoziale Faktoren wie etwa die Akzeptanz im Freundes- und Kollegenkreis sowie, der Abbau von Ängsten und Depression.
Gegenargumente sind die mangelnde Anpassungsreaktion bei avitalem Material, die Luxations- und die erhöhte Abriebgefahr. Als häufigste Risiken werden das Lockerungsrisiko durch Knochenumbauvorgänge im Implantatlager oder Reaktionen des Knochengewebes auf das Fremdmaterial und Abrieb der Endoprothese angesehen.
Diese Fragestellungen seien jedoch noch nicht hinreichend wissenschaftlich untersucht, sagte der Orthopäde. Es gäbe keinen Beweis dafür, dass das Lockerungsrisiko durch Sport erhöht werde. Im Gegenteil seien erfahrungsgemäß Wechseloperationen bei Sportlern eher selten durch eine Verbesserung der Knochenlagerung und -dichte.
Sport frühestens sechs bis neun Monate nach der Op
Generell seien die Fragen "Sport - ja oder nein?" und "Welcher Sport für welchen Prothesenträger?" sehr individuell und nur nach eingehender fachärztlicher Beratung zu entscheiden. Grundsätzlich gilt, dass Hüft-TEPs stärker belastbar sind als Knie-Endoprothesen.
Mit dem Sport nach einer TEP sollte frühestens 6 bis 9 Monate nach der Op begonnen werden. Das Implantat müsse stabil verankert sein, und es dürfe kein Ruhe- und oder Belastungsschmerz vorliegen.
Weitere orthopädische Voraussetzungen: ein funktionelles Gangbild, eine adäquate Muskelfunktion und ein ausreichender Bewegungsumfang (Extension bis 0). Natürlich müssten auch stabile Herz- und Kreislaufverhältnisse gegeben sein, betonte der Orthopäde.
Eindeutig nicht indiziert ist Sport bei einer Gelenkinfektion, einer Implantatlockerung, einer Gelenkinstabilität und bei Muskelinsuffizienz. Übergewicht und Zustand nach einer TEP-Wechseloperation sieht Streich als relative Kontraindikationen an: Hier müsse individuell entschieden werden.
Generell zu vermeiden sind abrupte Rotationsbewegungen über 20 Grad, extensive Adduktionsbewegungen wie Scheren oder Kreuzen der Beine und hohe Belastungsspitzen durch Sprünge. Auch das Joggen mit stetig sich wiederholender axialer Stauchungsbelastung ist Streich zufolge nur bedingt für Endoprothesenträger geeignet.
Besonders empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention deshalb Ausdauersportarten wie Schwimmen (besonders Kraulen), Radfahren, Wandern, Walking (mit Stöcken), Aquajogging, Gymnastik und Rudern. Als weniger geeignet gelten Skilanglauf, Golf, Tennis, Tischtennis, Kegeln und Reiten.
Bei Knieendoprothesen, die durch erhöhte Kraftübertragung auf das Implantat und den angrenzenden Knochen wesentlich vulnerabler sind, gelten strengere Indikationen: Für diese Patienten empfehlen Sportmediziner vor allem gelenkschonende Ausdauersportarten wie Schwimmen und Aquajogging, Radfahren, individuell angepasste Gymnastik, Wandern und Walking.