Gefahr bei Olympia

Kopfeinsatz lässt Gehirn altern

Auch Sportler sollten den Kopf eher zum Denken benutzen und nicht als fünfte Extremität für einen brachialen Kraftakt: Denn Gehirnerschütterungen führen zu subtilen Spätfolgen und lassen das Gehirn möglicherweise schneller altern.

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Der deutsche Judoka Ole Bischof gegen den US-Amerikaner Travis Stevens.

Der deutsche Judoka Ole Bischof gegen den US-Amerikaner Travis Stevens.

© Friso Gentsch / dpa

ANN ARBOR (mut). Ein Fußball wiegt knapp ein halbes Kilo. Wenn er nach einem guten Schuss mit 120 km/h auf den Kopf eines Spielers trifft, muss dessen Hirn schon etwas aushalten.

Auch die etwa hundertfache Erdbeschleunigung nach einem erfolgreich platzierten Haken eines Profiboxers ist nicht unbedingt etwas, womit das menschliche Hirn gut klarkommt, aber das soll es beim Boxen ja auch nicht, schließlich ist hier ein Trauma des gegnerischen Denkorgans Sinn und Zweck des Ganzen.

Beim Boxen sind die Langzeitfolgen auch gut bekannt: Für die Dementi pugilistica sowie zahlreiche neurologische Spätschäden gibt es genug prominente Beispiele.

"Wenn ihr 3000 Schläge an die Birne bekommen hättet, so wie ich, wie würde es euch dann gehen?", soll Cassius Clay einmal treffend gesagt haben, als er mit knapp über 40 Jahren schon so zitterte wie ein Parkinsonkranker mit 80.

Schaden leichte Schläge auf den Kopf?

Aber schaden auch gelegentliche Gehirnerschütterungen oder sogar leichtere Schläge auf den Kopf, wie sie viele Mannschaftssportler in Kauf nehmen? Dafür haben jetzt US-Forscher um Dr. Steven Broglio aus Ann Arbor einige Hinweise gefunden (Exercise & Sport Sciences Reviews 2012; 40(3):138-144).

Da sich gerade bei jungen Sportlern nach einer länger zurückliegenden Gehirnerschütterung mit den üblichen Kognitionstests keine negativen Veränderungen nachweisen lassen, haben die Sportmediziner etwas subtilere Methoden angewandt.

So untersuchten sie bei 90 gesunden College-Studenten spezielle EEG-Signale, während sie den Probanden Denksport-Aufgaben stellten. Die Hälfte der Studenten hatte in den vergangenen Jahren mindestens eine Gehirnerschütterung vorzuweisen, die andere Hälfte war frei von nennenswerten Schlägen auf den Kopf.

In den Tests war nun die Fähigkeit, in unerwarteten Situationen die Aufmerksamkeit zu fokussieren, bei den Probanden mit zurückliegenden Gehirnerschütterungen deutlich verringert, gleichzeitig konnten sie falsche Reaktionen schlechter unterdrücken und hatten Probleme, ihre eigenen Fehler zu erkennen.

Zugleich war bei ihnen die Intensität von EEG-Signalen reduziert, die mit solchen Fertigkeiten einhergingen.

Das Team um Broglio schaute nun auch nach subtilen motorischen Veränderungen bei 224 College-Athleten. Von diesen hatte 62 in der Vergangenheit eine oder mehrere Gehirnerschütterungen erlitten.

Schlechtere Werte im Gleichgewichtstest

In einem Gleichgewichtstest zeigten die Studenten mit Gehirnerschütterungen um 16,5 Prozent schlechtere Werte beim medio-lateralen Gleichgewicht und um 29 Prozent schlechtere Werte bei der anterior-posterioren Balance - verglichen mit Sportlern ohne vergleichbare Traumata.

Bei einer anderen Gleichgewichtsübung mussten die Probanden eine bestimmte Strecke über Hindernisse laufen.

Dabei standen solche mit Gehirnerschütterungen in der Vergangenheit beim Test signifikant häufiger auf zwei Beinen und deutlich seltener auf einem Bein als Sportler in der Kontrollgruppe - auch dies deutet auf einen beeinträchtigten Gleichgewichtssinn.

Broglio und seine Mitarbeiter weisen darauf hin, dass Veränderungen in ähnlichen Bereichen auch bei Patienten mit leichter kognitiver Einschränkung beobachtet werden, wenn sie Morbus Alzheimer entwickeln.

Studien hätten zudem ergeben, dass ehemalige Rugby-Spieler ein deutlich erhöhtes Risiko für einen frühen Alzheimerbeginn haben - bei dieser Sportart geht es bekanntermaßen sehr rau zu.

Es könne also sein, dass die gemessenen kognitiven und motorischen Veränderungen, die in jungen Jahren nicht klinisch relevant sind, dies mit dem Altern werden.

Gehirnerschütterung - eine Verletzung mit Nachspiel

"Eine Gehirnerschütterung kann nicht länger als vorübergehende Verletzung ohne Nachspiel betrachtet werden", schreibt Broglio. Auf der anderen Seite führten ein paar Gehirnerschütterungen auch nicht zwangsläufig zu Alzheimer.

Der Sportmediziner geht von einer kumulativen Wirkung aus: Jede Gehirnerschütterung erhöht demnach das Risiko für eine neurodegenerative Erkrankung - und möglicherweise sind auch weniger harte Schläge dazu schon in der Lage.

Manche Gehirne seien aber so robust, dass ihre Träger trotz zahlreicher Traumata kognitiv gesund altern, andere reagierten dagegen sehr empfindlich auf die Erschütterungen.

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