Prospektive Megastudie
Krebs durch Haare färben? Studie gibt weitgehend Entwarnung
Die Sorge, dass der Gebrauch von permanenter Haarfarbe das Krebsrisiko erhöht, wird durch eine Analyse der Nurses’ Health Study weitgehend entkräftet – allerdings nicht für alle Tumorarten.
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Ein Anstieg von Hodgkin-Lymphomen war bei färbenden Frauen mit eigentlich dunklem Haar zu beobachten.
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Das Wichtigste in Kürze
Frage: Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Gebrauch von permanenter Haarfarbe und der Entstehung von Krebs?
Antwort: In der Nurses´ Health Study waren Krebsmortalität und die meisten Krebsarten bei färbenden Frauen nicht erhöht. Positive Assoziationen fanden sich aber für bestimmte Brustkrebstypen, Ovarialkarzinome und, abhängig von der Naturhaarfarbe, für Basalzellkarzinome und Hodgkin-Lymphome.
Bedeutung: Die Studie gibt weitgehend Entwarnung. Die positiven Assoziationen für einzelne Tumorarten sollten aber weiter untersucht werden.
Einschränkung: Nur weiße Frauen aus Gesundheitsberufen; seit Beginn der Studie wurden einige potenzielle Karzinogene aus permanenten Färbemitteln verbannt.
Boston. Die berufliche Exposition gegen permanente („oxidative“) Haarfärbemittel wird von der International Agency for Research on Cancer (IARC) als „möglicherweise karzinogen“ beurteilt. Für die persönliche Nutzung hat sie dagegen das Etikett „nicht klassifizierbar“ vergeben. Aus den methodisch oft mangelhaften epidemiologischen Studien lassen sich bislang keine eindeutigen Aussagen zu den Risiken des Haarefärbens ableiten, wie Forscher aus Boston berichten (BMJ 2020; 370: m2942).
Mit einer Analyse der prospektiven Nurses´ Health Study haben sie nun zu einer erheblichen Verbesserung der Evidenzlage beigetragen: In der Langzeitstudie mit 117.200 Teilnehmerinnen war zu den meisten Krebsentitäten und zur Krebsmortalität kein Zusammenhang festzustellen. Bei wenigen Krebsarten fanden sich jedoch Hinweise auf eine dosisabhängige Assoziation.
Beobachtungszeit über mehr als drei Dekaden
Während der Beobachtungszeit von 36 Jahren, in der die Studienteilnehmerinnen mehrfach zum Gebrauch von permanenter Haarfarbe befragt worden waren, wurden rund 20.800 solide und 1800 hämatologische Malignome diagnostiziert.
Für das Auftreten beider Tumorgruppen war es unerheblich, ob, wie lange, seit wann und wie häufig die Frauen sich die Haare gefärbt hatten. Auch das Risiko, an Krebs zu sterben, war bei Anwenderinnen von Haarfarbe nicht höher als bei Frauen, die nie zu solchen Mitteln gegriffen hatten.
Nur das Risiko von Basalzellkarzinomen war beim Gebrauch von Haarfarbe geringfügig (und zwar um zwei Prozent) höher als bei komplettem Verzicht; diese Assoziation war allerdings nicht dosisabhängig.
Mit zunehmenden kumulativen Dosen war jedoch bei Mammakarzinomen mit negativem Östrogen-, Progesteron- oder Hormon-Rezeptor-Status sowie bei Ovarialkarzinomen ein leichter Anstieg zu erkennen; pro 50 zusätzlichen Anwendungen erhöhte sich das Risiko jeweils um 1–2 Prozent.
Gehäuft Basalzellkarzinome bei hellhaarigen Frauen
Für zwei weitere Krebserkrankungen war die Assoziation abhängig von der natürlichen Haarfarbe der Frauen: Nur Hellhaarige, die mit Farbe nachhalfen, entwickelten gehäuft Basalzellkarzinome. Ein Anstieg von Hodgkin-Lymphomen war dagegen auf färbende Frauen mit eigentlich dunklem Haar beschränkt.
Bei anderen Krebsarten war beim Gebrauch von Färbemitteln keinerlei Inzidenzzunahme festzustellen. Das heißt, auch für Blasenkrebs wurde das Nullergebnis von neueren Metaanalysen bestätigt. Bei allen Risikoabschätzungen wurde der Einfluss einer großen Zahl anderer Risikofaktoren für Krebserkrankungen mitberücksichtigt; sie waren in der Studie regelmäßig abgefragt worden.
Ergebnisse schaffen eine „gewisse Beruhigung“
Laut der Studienautoren um Dr. Yin Zhang von der Harvard Medical School schaffen die Ergebnisse eine „gewisse Beruhigung“. Sie schränken aber ein, dass die dosisabhängig leicht erhöhten Raten von Ovarial- und bestimmten Mammakarzinomen ebenso wie die gemischten Resultate zu Basalzellkarzinomen einer weiteren Abklärung bedürften.
Limitiert ist die Aussagekraft der Studie dadurch, dass fast nur weiße US-Amerikanerinnen aus Gesundheitsberufen beteiligt waren und trotz der umfangreichen Adjustierung möglicherweise nicht alle Risikofaktoren berücksichtigt werden konnten. Hinzu kommt, dass sich seit Beginn der Studie im Jahr 1976 die Zusammensetzung der Färbemittel verändert hat, vor allem in Europa wurden seitdem viele Inhaltsstoffe wegen potenziell karzinogener Wirkung verboten.