Bildschirme und Co.

LED-Licht raubt den Schlaf

Vor dem Schlafengehen schnell die Mails checken - das treibt den Adrenalinspiegel hoch und senkt die Melatoninwerte. Und das hindert uns am Einschlafen.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Hallo, wach! Licht von Bildschirmen lässt uns offenbar nachts nicht gut schlafen.

Hallo, wach! Licht von Bildschirmen lässt uns offenbar nachts nicht gut schlafen.

© lassedesignen / fotolia.com

KÖLN. Forscher sind schon seit Langem alarmiert: Die durchschnittliche Schlafdauer in der Bevölkerung geht stetig zurück.

Doch zuletzt schien sich der Trend noch zu beschleunigen - nach Daten einer britischen Studie nahm der Anteil derjenigen, die im Schnitt unter sieben Stunden pro Nacht schlafen, innerhalb eines Jahres um knapp 40 Prozent zu.

Nun haben wir schon lange die Nacht zum Tag gemacht, es muss also einen anderen Grund für diese plötzliche Veränderung geben.

Und hier drängt sich ein Verdacht auf: Möglicherweise steckt der Siegeszug der LED hinter der weiteren Verkürzung der Nacht.

LED sind überall

Die Licht emittierenden Dioden sind inzwischen überall anzutreffen: In Fernseher- und Computerbildschirmen, in Tablets und Smartphones und auch zunehmend in der Raumbeleuchtung.

Die Lichtrevolution hat jedoch einen Nachteil: Die LED emittieren in der Regel viel Blaulicht, das senkt die Melatoninspiegel und hält das Gehirn wach. Am späten Abend ist dieser Effekt eher unerwünscht.

Die Auswirkungen von Blaulicht auf die Melatoninproduktion und den Chronorhythmus sind zwar gut untersucht, die entscheidende Frage ist aber, ob das Licht der LED-Monitore tatsächlich ausreicht, um den Tag-Wach-Rhythmus zu stören und den Schlaf zu verzögern. Hierzu gibt es bislang nur wenige valide Daten.

Schon schwaches Licht hält abends wach

Neue Daten wurden nun auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) in Köln vorgestellt.

So bestimmten Forscher um Professor Christian Cajochen vom Zentrum für Chronobiologie der Universität Basel zunächst die Wachheit bei gesunden Probanden, die abends Tageslicht ausgesetzt waren.

Diese nahm bereits bei etwa 120 Lux zu, also mäßig starkem Bürolicht, und erreichte ein Plateau bei etwa 10.000 Lux - stärkere Dosen konnten die Aufmerksamkeit und Wachheit in Tests nicht weiter steigern.

Als nächstes schauten die Schweizer Forscher, ob sich auch Effekte mit Computerbildschirmen erzielen lassen.

Diese sind mit 80 bis 100 Lux zwar nicht sehr hell, allerdings ist der Abstand zu den Geräten in der Regel sehr gering, und sie leuchten direkt in die Augen.

In einem Experiment durften die Probanden einmal zwischen acht Uhr abends und Mitternacht an einem LED-Monitor arbeiten, an einem anderen Abend hingegen saßen sie vor einem älteren Röhrenbildschirm.

LED-Monitore haben etwa zwei Drittel mehr Blaulicht im Bereich um 460 nm. Das ist die Wellenlänge, die von den Melanopsin-Rezeptoren in der Retina am besten absorbiert wird.

Melanopsin-Rezeptoren gelten als wichtige Sensoren für die Einstellung der inneren Uhr.

Arbeit am LED-Monitor verzögert Melatoninproduktion

Wie sich herausstellte, kam es an den Abenden mit LED-Monitor zu einem deutlich langsameren Anstieg der Melatoninwerte als beim Röhrenbildschirm.

Der Anstieg war um etwa eine Stunde verschoben. Erst gegen Mitternacht wurden Werte erreicht, die mit dem konventionellen Bildschirm schon um 23 Uhr auftraten.

Dass die Teilnehmer vor dem LED-Bildschirm auch tatsächlich wacher waren, ließ zum einen die Unterdrückung der frontalen EEG-Aktivität im Bereich zwischen 1 und 7 Hz vermuten, zudem traten langsame rollende Augenbewegungen - ebenfalls ein Zeichen von Müdigkeit - viel seltener auf.

Schließlich schnitten die Teilnehmer an den Abenden mit LED-Monitor auch messbar besser bei Gedächtnis- und Aufmerksamkeitstests ab, für Cajochen ein Hinweis dafür, dass auch höhere kognitive Funktionen durch das Blaulicht angeregt werden.

Blaulicht macht helle, könnte man also annehmen. Jedenfalls steigert es die kognitive Leistung bei der Arbeit.

Das mag während der üblichen Arbeitszeiten von Vorteil sein, vor dem Schlafengehen erscheint eine solche geistige Aktivierung eher nachteilig.

Allerdings schliefen die Testpersonen nach der LED-Exposition ähnlich gut wie nach dem Arbeiten mit einem Röhrenmonitor - auf den subjektiv empfundenen Schlaf hatte das LED-Licht offenbar keinen Einfluss.

Cajochen gab jedoch zu bedenken, dass die Testpersonen Gutschläfer waren - bei Menschen mit Schlafproblemen könne dies anders sein. Zudem wurde jeweils nur ein Abend ausgewertet.

Wenn jemand täglich lange vor dem Monitor sitzt, könnten sich die Effekte auf den Melatoninspiegel mit der Zeit addieren.

Blaulichtblocker macht abends müde

Für ein weiteres Experiment wählten die Forscher einen anderen Ansatz: Sie testeten nun direkt die Auswirkungen auf den Schlaf bei Jugendlichen.

Nach Umfrageergebnissen verbringen Jugendliche im Schnitt knapp viereinhalb Stunden am Tag am Fernseher, Smartphone und Computer.

95 Prozent checken regelmäßig vor dem Schlafengehen noch Mails oder ihre Facebook-Seite. "Viele gehen also mit einer richtigen Blaulicht-Dusche ins Bett", so Cajochen.

Die Forscher gaben nun Jugendlichen Brillen mit oder ohne Blaulichtfilter und untersuchten den Schlaf am Freitagabend nach einer Schulwoche.

Brillen mit Blaulichtfilter lassen besser schlafen

Tatsächlich fanden die Forscher nach einer Woche abendlicher Blaulichtblockade deutlich höhere Melatoninwerte als bei Teilnehmern mit Brillen ohne Filter.

Auch waren die Jugendlichen mit den Blockern deutlich müder. Allerdings zeigten Messungen im Labor kaum Unterschiede zwischen den Gruppen beim Schlaf: "Die Kinder waren nach einer Woche Schule wohl so müde, dass sie alle gut schliefen", vermutet der Experte.

Überraschenderweise war jedoch der Tiefschlaf bei denjenigen ohne Filter wesentlich tiefer als bei denen mit Blaublocker: Sie zeigten eine stärkere Delta-Aktivität im EEG.

Cajochen vermutet, dass die Teilnehmer ohne Filter schon vor dem Einschlafen einen Teil des Schlafdrucks abbauen, genau das wird jedoch vom Blaulicht unterbunden und muss dann im Tiefschlaf nachgeholt werden.

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