Interventionsstudie
Low-Carb-Diät erleichtert offenbar das Abnehmen
Und es geht doch: Steigen Übergewichtige auf eine kohlenhydratarme Ernährung um, „verbrennen“ sie deutlich mehr Kalorien. Dies könnte tatsächlich effektiv beim Abspecken helfen.
Veröffentlicht:Das Wichtigste in Kürze
- Frage: Steigt allein durch eine Ernährungsumstellung von einer High-Carb- auf eine Low-Carb-Diät der Energieumsatz?
- Antwort: In einer kontrollierten Studie nahm der Energieumsatz unter einer Low-Carb-Diät am stärksten zu.
- Bedeutung: Unter einer kohlenhydratarmen Diät werden bei gleicher Energieaufnahme deutlich mehr Kalorien „verbrannt“. Dies könnte beim Abnehmen helfen.
- Einschränkung: Ob Dicke mit Low-Carb-Diät tatsächlich leichter abnehmen, muss erst noch gezeigt werden.
BOSTON. Fett zu verteufeln und stattdessen literweise Zuckerlimo in sich reinschütten, das hat der US-Bevölkerung offenkundig nicht gut getan. Seit den 1970er-Jahren, als die Kampagne für eine fettarme Ernährung in den USA begann, ist die Zahl der Adipösen und Übergewichtigen drastisch in die Höhe geschossen.
Ob dies tatsächlich an einer veränderten fettarmen und kohlenhydratreichen Ernährungsweise liegt oder doch eher am zunehmenden Bewegungsmangel, steht auf einem anderen Blatt. Allerdings gibt es plausible Mechanismen, nach denen eine kohlenhydratreiche Ernährung den Kalorienbedarf steigert und damit eine Adipositas begünstigt.
Nach dem Kohlenhydrat-Insulin-Modell führt eine Mahlzeit mit hoher glykämischer Last, also mit viel Kohlenhydraten, die schnell ins Blut gehen, zur vermehrten Insulinausschüttung und einem ungünstigen Insulin-Glukagon-Verhältnis. Dadurch werde der metabolische Treibstoff nicht vollständig zur Energiegewinnung oxidiert, sondern vermehrt im Fettgewebe gebunkert, erläutern Forscher um Dr. Cara Ebbeling von der Kinderklinik in Boston, USA.
Dies könnte eine Adipositas begünstigen, vor allem bei Personen, die schon genetisch bedingt zu einer übermäßigen Insulinausschüttung neigen.
Essen über 20 Wochen hinweg geliefert
Ob eine kohlenhydratreiche Diät tatsächlich den Stoffwechsel von „Kalorien verbrennen“ auf „Kalorien speichern“ umstellt, sei bislang aber noch nicht randomisiert-kontrolliert untersucht worden. Genau das haben die Forscher um Ebbeling nun getan. Die Studie wurde jüngst im British Medical Journal publiziert (BMJ 2018;363:k4583).
Für ihre Interventionsstudie konnten sie insgesamt 164 Übergewichtige und Adipöse gewinnen, die regelmäßig die Kantine der Framingham State University aufsuchten. Für die 20 Studienwochen erhielten sie dort das jeweilige Studienmenü.
Im Schnitt waren die Teilnehmer 38 Jahre alt, wogen rund 90 kg und präsentierten im Mittel einen BMI von 32. Alle hatten zuvor schon erfolgreich eine rund drei Monate dauernde Einführungsdiät absolviert, bei der sie rund elf Prozent ihres Körpergewichts verloren.
Für die eigentliche Studie sollten sie dieses Gewicht (plus-minus 2 kg) nun über 20 Wochen hinweg halten. Dazu wurde der Kalorienbedarf anhand des Gewichts und der körperlichen Aktivität regelmäßig neu berechnet.
Rund ein Drittel der Teilnehmer bekam in der Campuskantine eine Diät mit vielen Kohlenhydraten (60 %), ein Drittel mit niedrigem (40 %) und ein weiteres Drittel mit geringem Kohlenhydratanteil (20 %). Der Proteinanteil war bei allen auf 20 % fixiert, entsprechend betrug der Fettanteil jeweils 20, 40 und 60 %.
Die Forscher um Ebbeling wollten primär schauen, wie hoch der Kalorienumsatz in den jeweiligen Gruppen liegt, also wie viele Kalorien aus der Nahrung zur Energiegewinnung verstoffwechselt werden. Diesen Umsatz bestimmten sie, indem sie den Teilnehmern alle zwei Wochen Wasser zu trinken gaben, das mit abweichenden Sauerstoff- und Wasserstoffisotopen versetzt war.
Anhand der Isotopenwerte im Urin konnten sie den Kalorienumsatz berechnen. Immerhin 120 Teilnehmer in allen drei Gruppen schafften es, das Gewicht zu halten.
480 kcal mehr „verbrannt“
Über alle 164 Teilnehmer gemittelt (intention to treat) war der Kalorienumsatz mit hohem Kohlenhydratanteil am geringsten. Er hatte ausgehend von im Schnitt 2640 Kilokalorien (kcal) pro Tag zum Studienende um 19 kcal täglich abgenommen, mit moderatem Kohlenhydratanteil dagegen um 71 kcal und mit geringem Anteil um 190 kcal zugenommen.
Berücksichtigten die Forscher Alter, Geschlecht, Ausgangs-BMI und weitere Faktoren, lag der Kalorienbedarf in der Gruppe mit moderatem Kohlenhydratanteil um 76 kcal pro Tag, mit geringem Anteil sogar um 185 kcal höher.
Wurden nur die 120 Teilnehmer berücksichtigt, die ihr Gewicht halten konnten, ergaben sich jeweils hochsignifikante Unterschiede im Energiebedarf von 111 und 249 kcal (p = 0,001). Am deutlichsten waren die Differenzen nach zehn Wochen (bis zu 300 kcal), anschließend nahmen sie etwas ab.
Wie vom Kohlenhydrat-Insulin-Modell vorhergesagt, zeigten sich die deutlichsten Unterschiede bei Teilnehmern, die beim oralen Glukosetest vor der Gewichtsabnahme die größte Insulinausschüttung aufwiesen. Wer sich im Terzil mit den höchsten Insulinwerten befand und sein Gewicht halten konnte, entwickelte unter der Low-Carb-Diät einen um rund 480 kcal höheren Energieumsatz als unter der High-Carb-Diät.
Zudem fanden die Forsche in der Low-Carb-Gruppe signifikant geringere Werte des Hungerhormons Ghrelin und des Fettspeicherindikators Leptin, was dafür spricht, dass solche Teilnehmer weniger hungerten und zugleich weniger Fett einlagerten.
Insgesamt sehen die Forscher um Ebbeling ihre Hypothese bestätigt, wonach eine Umstellung auf eine kohlenhydratarme Diät den Energieumsatz ankurbelt und die Fettspeicherung reduziert.
Allein die Ernährungsumstellung von hohem auf niedrigen Kohlenhydratanteil bei gleichem Energiegehalt würde nach diesen Daten einem 100 kg schweren und 1,78 cm großen Mann einen Gewichtsverlust von 10 kg in drei Jahren bescheren. Unter der Annahme, dass das Hungergefühl bei einer kohlenhydratarmen Diät mit niedriger glykämischer Last zurückgeht und die Kalorienaufnahme dadurch sinkt, könnte der Gewichtsverlust sogar noch weitaus größer sein, geben die Forscher zu bedenken.