Akuter Rückenschmerz

Medikamente statt Physiotherapie

Krankengymnastik macht zwar bei chronischem Rückenschmerz Sinn - in der Akutsituation kann man aber zuerst auf Medikamente setzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie.

Katharina GrzegorekVon Katharina Grzegorek Veröffentlicht:
Krankengymnastik macht durchaus Sinn - allerdings nur bei chronischen Schmerzen. In der Akutsituation helfen Medikamente oft besser.

Krankengymnastik macht durchaus Sinn - allerdings nur bei chronischen Schmerzen. In der Akutsituation helfen Medikamente oft besser.

© Janina Dierks / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Bei akuten Rückenschmerzen sofort zu Medikamenten greifen? Oder reicht vielleicht Physiotherapie, deren Nutzen ja schon bei chronischen Schmerzen belegt ist?

Professor Hans-Christoph Diener, Neurologe am Universitätsklinikum Essen rät eher zu Ersterem: Zunächst den Verlauf unter medikamentöser Therapie abzuwarten und eine Krankengymnastik erst dann einzusetzen, wenn die Schmerzen länger als zehn bis 14 Tage bestehen, schreibt er in der Zeitschrift InFo Neurologie und Psychiatrie (2016; 18:10).

Seine Aussage macht er an einer prospektiven randomisierten Studie von Julie Mae Fritz und Kollegen von der University of Utah fest, in der der Einfluss von Physiotherapie auf akuten Rückenschmerz geprüft wurde (JAMA 2015; 314: 1459-67).

220 Patienten mit akutem lumbalen Rückenschmerz hatten an dieser Studie teilgenommen. Ausgeschlossen waren Patienten mit radikulären Schmerzen.

Patienten im Schnitt 36 Jahre alt

Das Alter der Patienten betrug im Mittel 36 Jahre. Zwei Drittel von ihnen nahmen NSAR ein, ein Drittel Opioide. Zwei Drittel der Patienten hatten bereits früher unter Rückenschmerz gelitten. Die mittlere Schmerzintensität auf einer Skala von 0 bis 10 wurde mit 5 angegeben.

Der Wert auf der Oswestry Disability Index (ODI) Skala lag bei 40. Der Index erfasst den Schmerz- und Funktionsstatus von Rückenschmerz-Patienten; der Maximalwert bei stärkster Behinderung ist 100.

112 Patienten wurden in die übliche Therapie ohne weitere Interventionen in den ersten vier Wochen randomisiert; 108 Patienten nahmen an Physiotherapie-Sitzungen teil. Diese beinhalteten unter anderem Manualtherapie und Bewegungsübungen.

Nur geringe Verbesserung

Primärer Endpunkt der Studie war die Änderung des ODI nach drei Monaten. Nach Ablauf dieser Zeit hatte sich der Wert in beiden Gruppen verringert: In der Physiotherapiegruppe war er von 41,3 auf 6,6 Punkte gesunken; in der Gruppe ohne Intervention von 40,9 auf 9,8 Punkte.

Dieser Unterschied von 3,2 Punkten zugunsten der Physiotherapie war zwar statistisch signifikant, doch zu gering, um auch klinisch relevant zu sein. Eine klinische Relevanz war nach Ansicht von Fritz und Kollegen erst bei einer Differenz von sechs Punkten gegeben.

Initial könne daher der Verlauf unter medikamentöser Therapie abgewartet werden, so der Kommentar Dieners.

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Kommentare
Markus Martin 11.02.201600:01 Uhr

Chronifizierung ein Thema für den pharmakologisch tätigen Spezialisten?


Liebe Ärztezeitung, sehr geehrter Herr Professor Diener,

Kollege Supp hat auf sehr fundierter Grundlage die effekteinheischende Methode des wenig differenzierten Artikels deutlich gemacht. Sie werden sicher eine entsprechende Richtigstellung/Korrektur der möglichen Fehlinterpretation liefern.

Eine dort nicht gestellte Frage wäre zu ergänzen: Wie sieht es aus mit der Chronifizierung von Rückenschmerzen nach der von Ihnen favorisierten "erfolgreichen pharamakologischer Behandlung"?

Symptome zu beseitigen ist eine Aufgabe der Medizin - Symptomerscheinungen zu verhindern ist eine andere; letztere Methode wird auch Ursachenbehandlung genannt.

Dass NSAR oder Opioide in Akutsituationen schneller wirken als Physiotherapie ist nachvollziehbar - wobei oftmals die mechanische Komponente vergessen wird: was Druck bekommt, verliert nur dauerhaft die Symptome, wenn das Druckereignisse kurzzeitig war ... sollte es bleiben oder immer wieder kommen, wird die Mechanik das organische immer wieder hervorrufen - ein Phänomen vor dem viele Orthopäden und Neurologen die Augen zu verschließen scheinen. Dass die Wahl dieser Methode auch bei vielen Zweit- oder selbst Dritt-Ereignissen wirksamer sein kann, ist ja ebenso nachvollziehbar (Fragestellung eines verantwortlichen Orthopäden oder Neurologen sollte allerdings sein, warum es zum Zweit- oder Dritt-Erlebnis überhaupt kommt!). Was aber das Risiko einer Chronifizierung betrifft, gibt es hier sicher unzweifelhaft keine Alternative zu sinnvoller Bewegungs- und Haltungsmodifikation.
Herr Prof. Diener kann dazu sicher eine klärende Antwort liefern.

Mit freundlichen Grüßen
Markus Martin

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