Akuter Rückenschmerz
Medikamente statt Physiotherapie
Krankengymnastik macht zwar bei chronischem Rückenschmerz Sinn - in der Akutsituation kann man aber zuerst auf Medikamente setzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie.
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Krankengymnastik macht durchaus Sinn - allerdings nur bei chronischen Schmerzen. In der Akutsituation helfen Medikamente oft besser.
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NEU-ISENBURG. Bei akuten Rückenschmerzen sofort zu Medikamenten greifen? Oder reicht vielleicht Physiotherapie, deren Nutzen ja schon bei chronischen Schmerzen belegt ist?
Professor Hans-Christoph Diener, Neurologe am Universitätsklinikum Essen rät eher zu Ersterem: Zunächst den Verlauf unter medikamentöser Therapie abzuwarten und eine Krankengymnastik erst dann einzusetzen, wenn die Schmerzen länger als zehn bis 14 Tage bestehen, schreibt er in der Zeitschrift InFo Neurologie und Psychiatrie (2016; 18:10).
Seine Aussage macht er an einer prospektiven randomisierten Studie von Julie Mae Fritz und Kollegen von der University of Utah fest, in der der Einfluss von Physiotherapie auf akuten Rückenschmerz geprüft wurde (JAMA 2015; 314: 1459-67).
220 Patienten mit akutem lumbalen Rückenschmerz hatten an dieser Studie teilgenommen. Ausgeschlossen waren Patienten mit radikulären Schmerzen.
Patienten im Schnitt 36 Jahre alt
Das Alter der Patienten betrug im Mittel 36 Jahre. Zwei Drittel von ihnen nahmen NSAR ein, ein Drittel Opioide. Zwei Drittel der Patienten hatten bereits früher unter Rückenschmerz gelitten. Die mittlere Schmerzintensität auf einer Skala von 0 bis 10 wurde mit 5 angegeben.
Der Wert auf der Oswestry Disability Index (ODI) Skala lag bei 40. Der Index erfasst den Schmerz- und Funktionsstatus von Rückenschmerz-Patienten; der Maximalwert bei stärkster Behinderung ist 100.
112 Patienten wurden in die übliche Therapie ohne weitere Interventionen in den ersten vier Wochen randomisiert; 108 Patienten nahmen an Physiotherapie-Sitzungen teil. Diese beinhalteten unter anderem Manualtherapie und Bewegungsübungen.
Nur geringe Verbesserung
Primärer Endpunkt der Studie war die Änderung des ODI nach drei Monaten. Nach Ablauf dieser Zeit hatte sich der Wert in beiden Gruppen verringert: In der Physiotherapiegruppe war er von 41,3 auf 6,6 Punkte gesunken; in der Gruppe ohne Intervention von 40,9 auf 9,8 Punkte.
Dieser Unterschied von 3,2 Punkten zugunsten der Physiotherapie war zwar statistisch signifikant, doch zu gering, um auch klinisch relevant zu sein. Eine klinische Relevanz war nach Ansicht von Fritz und Kollegen erst bei einer Differenz von sechs Punkten gegeben.
Initial könne daher der Verlauf unter medikamentöser Therapie abgewartet werden, so der Kommentar Dieners.