Hormonstörungen
Menopause und Hyperthyreose gehen auf die Knochen
Die Menopause modifiziert die Klinik von Schilddrüsen-Erkrankungen. Steigendes Alter erschwert die Diagnose zusätzlich.
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Leipzig. Mit zunehmendem Alter verändert sich die Schilddrüse. „Die Jodaufnahme sinkt, die Synthese von freiem T4 und T3 ist rückläufig, TSH-Werte sind eher erhöht“, sagte Professor Karin Frank-Raue. Hinzu komme, dass es bei steigendem Alter weniger Symptome gebe – sowohl bei Hyperthyreose als auch bei Hypothyreose, so die Endokrinologin aus Heidelberg. So zeigten in einer Studie die über 60-Jährigen Patienten mit nachgewiesener Hyperthyreose keine bis maximal zwei Symptome der Überfunktion. Das galt auch, wenn Patienten ausgeschlossen wurden, die bereits β-Blocker oder Amiodaron erhielten (1). „Klinisch ist eine Hyperthyreose hier kaum zu diagnostizieren“, warnte Frank-Raue.
Calcium-Bilanz wird negativ
Welche Auswirkungen das haben kann, erläuterte die Endokrinologin mit einem Blick auf die Knochen: „Eine Hyperthyreose verstärkt das altersabhängige Frakturrisiko exponentiell.“ Wenn ein älterer Mensch längere Zeit eine Hyperthyreose habe, müsse sich um den Knochen gekümmert werden, so Frank-Raues Appell. Denn eine Hyperthyreose verkürze die Knochenumbau-Zyklen und erhöhe deren Frequenz. Die Dauer der Resorption sei im Vergleich zur Mineralisation verlängert. Zudem sei die Calcium-Aufnahme im Darm vermindert, die Calcium-Ausscheidung über die Niere erhöht. Die Folge ist eine negative Calcium-Bilanz. Das Gute: Zumindest bei jüngeren Patienten normalisiere sich die Knochendichte, werde die Hyperthyreose behandelt. Das habe eine Studie mit Frauen in der Prämenopause ergeben (2).
Menopause verstärkt Knochenabbau
Auch auf das Thema Knochen und Menopause ging Frank-Raue ein: Die Knochendichte eines Menschen erreiche bis zum 30. Lebensjahr ihr Maximum, danach gehe es bergab und zwar mit 1% Knochendichte-Verlust pro Jahr. „Die Menopause beschleunigt den Verlust an Knochenmasse“, erinnerte die Endokrinologin. In drei Jahren Transmenopause betrage dieser Verlust 2,5%/Jahr an der Wirbelsäule und 1,8%/Jahr am Schenkelhals (3). Unter einer Hormonersatz-Therapie (HRT) reduziere sich der Knochendichte-Verlust um 0,4% pro Jahr.
Über kardiovaskuläre Risiken reden!
Die Perimenopause sei ein guter Zeitpunkt, um mit den Patientinnen über Risiken zu sprechen, riet Frank-Raue. Denn die Menopause akzeleriere das kardiovaskuläre Risiko: Die Werte des Gesamt-Cholesterins steigen, LDL-C, die zentrale Adipositas und das metabolische Syndrom nehmen zu (4). Die Endokrinologin relativierte an dieser Stelle die Ergebnisse der WHI-Studie, die vor 20 Jahren als Totengräber der HRT galt: Die Frauen seien im Mittel 63 Jahre alt gewesen und damit schon weit in der Postmenopause. Der späte Beginn einer HRT – zehn oder mehr Jahre postmenopausal – erhöhe das KHK-Risiko. Ein früher Beginn der HRT hingegen scheine KHK-protektiv zu wirken. „Das Alter macht den Unterschied“, so Frank-Raue.
Menopause oder Hyperthyreose?
Die Endokrinologin warnte anhand einer Kasuistik vor einer möglichen Übertherapie einer Schilddrüsen-Unterfunktion. Die 49-jährige Patientin klagte über vermehrtes Schwitzen – ständig und auch anfallsweise – und fragte ob die Wechseljahre oder eine Hyperthyreose dahinterstecke. Die Anamnese habe unregelmäßige Zyklen mit längeren Pausen ergeben. Und die Patientin hatte in den vergangenen zwei Jahren 5kg zugenommen. Der Ultraschall habe eine kleine, echoarme Schilddrüse gezeigt. Das Labor: TSH 8,4 mIU/l, TPO-Antikörper 600 U/ml und FSH 68 U/l. Die Diagnose laute somit Hashimoto-Thyreoidtis, latente Hypothyreose, Perimenopause, so Frank-Raue.
TSH-Suppression erhöht Mortalität
Die Therapie der Patientin erfolgte mit L-Thyroxin (75µg//Tag), initial drei Wochen eine halbe Tablette. Nach drei Monaten habe der TSH-Wert bei 2,4 mIU/l gelegen, die Patientin war also gut eingestellt. Die Kontrolle nach einem halben Jahr ergab ein TSH von 0,01 mIU/l. „Was war passiert“, fragte die Endokrinologin die Teilnehmer der Fortbildungsveranstaltung und gab auch gleich die Antwort: Die Patientin hatte die L-Thyroxin-Dosis verdoppelt, in der Hoffnung, so mehr Gewicht abzunehmen. „Das hat nicht funktioniert, aber die Patientin hat so ihr Risikoprofil drastisch erhöht“, sagte Frank-Raue. „Eine längerfristige TSH-suppressive Therapie hat Folgen.“ Der Ruhepuls steige, es komme vermehrt zu Rhythmusstörungen, die Pumpfunktion des Herzens bei Belastung sinke und die Knochendichte nehme ab. „Und ein supprimiertes TSH erhöht die Mortalität“, warnte Frank-Raue (5).
Literatur:
1. Boelaert K et al.: Older Subjects with Hyperthyroidism Present with a Paucity of Symptoms and Signs: A Large Cross-Sectional Study. JCEM 2010; 95: 2715
2. Vestergaard P, Mosekilde L: Hyperthyroidism, bone mineral, and fracture risk--a meta-analysis. Thyroid 2003; 13: 585-93
3. Karlamangla AS et al.: Bone Health During the Menopause Transition and Beyond. Obstet Gynecol Clin North Am 2018;45:695-708
4. El Khoudary SR et al.: Menopause Transition and Cardiovascular Disease Risk: Implications for Timing of Early Prevention: A Scientific Statement From the American Heart Association. Circulation 2020; 142: 506-532
5. Parle JV et al.: Prediction of all-cause and cardiovascular mortality in elderly people from one low serum thyrotropin result: a 10-year cohort study. Lancet 2001; 358: 861)
Mehr Infos zum Thema unter: www.infoline-schilddruese.de
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Quelle: Veranstaltung: Schilddrüsen-Update 2022, 28. September 2022 in Leipzig und online; Veranstalter: Sanofi (Henning)