Migräne-Attacken bei Frauen - oft sind sinkende Östrogenspiegel die Ursache

Eine Kurzzeitprophylaxe mit Naproxen macht eine menstruelle Migräne erträglicher.

Von Sabine Stürmer Veröffentlicht:

Frauen haben bekanntlich wesentlich häufiger Migräne als Männer: Bei Frauen beträgt die Prävalenz 12 bis 18 Prozent, bei Männern dagegen nur 6 bis 8 Prozent. Gründe für diesen Unterschied sind Triggerfaktoren wie Schwankungen im weiblichen Hormonhaushalt. Besonders deutlich wird der hormonelle Einfluss bei der menstruellen Migräne. Die Behandlung ist nicht einfach, denn betroffene Frauen sprechen auf Triptane häufig nur vermindert an.

Bei der menstruellen Migräne treten Attacken häufiger, aber nicht nur im zeitlichen Zusammenhang mit der Menstruation auf. Der kritische Zeitraum beginnt zwei Tage vor der Menstruation und hält fünf Tage an. Anfälle in diesem Zeitfenster sind besonders schwer: Sie dauern länger als sonst, die Schmerzen sind stärker und häufiger, die Frauen müssen oft erbrechen. Außerdem ist die Behandlung schwierig, sodass betroffene Frauen häufiger arbeitsunfähig sind oder ihre üblichen Tätigkeiten im Haushalt oder bei der Kinderbetreuung nicht ausführen können.

Änderung des Hormonwerts ist für Schmerz entscheidend

Bisherige Untersuchungen legen nahe, dass die Attacken um die Menstruation herum vermutlich durch den physiologischen, prämenstruellen Abfall des Östrogenspiegels getriggert werden, berichtet Dr. Ulrike Bingel aus Hamburg (Der Schmerz, 1, 2008, 31). Offensichtlich ist dabei nicht die absolute Höhe des Hormonspiegels, sondern nur dessen Veränderung bedeutsam. So tritt bei betroffenen Frauen, die mit der Pille verhüten, die Attacke im hormonfreien Intervall auf.

Typisch ist auch, dass sich bei 50 bis 80 Prozent der schwangeren Betroffenen ab dem vierten Monat, wenn stabile hochnormale Östrogenspiegel vorliegen, die Migräne bessert oder gar keine Attacken auftreten. Nach der Geburt, wenn der Östrogenspiegel abfällt, treten häufig wieder Anfälle auf. Stillen hingegen erhält den Östrogenspiegel und zögert so die Rückkehr der Migräne hinaus. In der Perimenopause, wenn der Östrogenspiegel kontinuierlich sinkt, besteht die höchste Migräneprävalenz. Ist die Menopause allerdings abgeschlossen, kann sich die Migräne bessern oder ganz verschwinden. Ursache dafür ist vermutlich der stabile niedrignormale Östrogenspiegel.

"Allerdings ist noch unklar, wie und wo genau die hormonellen Veränderungen die Pathophysiologie der Migräne beeinflussen," erläutert Bingel. Es gebe viele Schnittstellen zwischen Östrogenwirkungen und der Pathophysiologie der Migräne. So könnten etwa bei der menstruellen Migräne die Prostaglandine bedeutsam sein. Denn: Die während der Menstruation freigesetzten Prostaglandine können migräneartige Kopfschmerzen auslösen. Dazu passt auch, dass Prostaglandin-Synthesehemmer wie COX-Hemmer einer menstruellen Migräne vorbeugen können. Allerdings ist unklar, warum die Hormonschwankungen nur bei einem Teil der Frauen eine Migräne auslösen. Möglicherweise sind hier genetische Ursachen von Bedeutung.

Studien belegen die Wirksamkeit der Triptane. Allerdings ist diese bei der menstruellen Migräne vermindert. Die Kombination mit einem NSAR kann deshalb von Vorteil sein. Die schwierige Akutbehandlung und der Umstand, dass die Attacken besonders schwer sind und lange dauern, machen eine Kurzzeitprophylaxe nötig. Dabei nehmen die Betroffenen zwei Tage vor Menstruationsbeginn fünf Tage lang ein- bis zweimal täglich Naproxen 500 mg ein. Die Zahl der Kopfschmerztage und die Schmerzintensität können auf diese Weise reduziert werden.

Östrogen-Substitution taugt kaum zur Prophylaxe

Auch Naratriptan, Frovatriptan und Sumatriptan sind in der Kurzzeitprophylaxe wirksam (Off-label-use). Bingel gibt allerdings zu bedenken, dass bei einem Versagen der Triptane diese nicht mehr zur Akutbehandlung verwendet werden können. Außerdem gibt es Hinweise dafür, dass nach Beendigung einer Kurzzeitprophylaxe mit Naratriptan vermehrt Attacken auftreten. In einer kleinen offenen Studie konnte auch die Wirksamkeit des COX-2-Hemmers Rofecoxib (bekanntlich nicht mehr auf dem Markt) in der Kurzzeitprophylaxe nachgewiesen werden.

Bisherige Versuche, den Östrogenabfall durch eine perimenstruelle Hormonsubstitution mit niedrig dosiertem Östrogenpflaster aufzufangen, scheiterten. Die subkutane Anwendung eines höher dosierten Östrogen-Gels verringerte zwar Dauer und Schmerzstärke der Attacken, allerdings wurde dieser Nutzen durch eine Zunahme der Migräne nach Absetzen des Hormonpräparats komplett zunichtegemacht.

Treten auch noch häufiger nichtmenstruelle Attacken auf, wird eine Langzeitprophylaxe empfohlen. Als Mittel der ersten Wahl rät die Deutsche Kopfschmerz- und Migränegesellschaft zu den Betablockern Metoprolol und Propranolol sowie dem Kalzium-Antagonisten Flunarizin.

Lesen Sie dazu auch: "Vorsicht mit der Pille bei Migräne mit Aura"

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Studie der Unimedizin Greifswald

Neurologin: Bei Post-COVID-Kopfschmerzen antiinflammatorisch behandeln

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Porträt

Felix Michl: Unternehmer, Jurist und Medizinstudent

Kommentar zur Entscheidung des Bundesrats

Klinikreform – ein Fall fürs Lehrbuch

Lesetipps
Arzt injiziert einem älteren männlichen Patienten in der Klinik eine Influenza-Impfung.

© InsideCreativeHouse / stock.adobe.com

Verbesserter Herzschutz

Influenza-Impfraten erhöhen: So geht’s!