Hintergrund

Migräne zur Menstruation - oft sind fallende Östrogenspiegel die Ursache

Hormonschwankungen im weiblichen Zyklus können Migräneattacken auslösen. Sie sind häufig länger und schwerer als Anfälle ohne hormonelle Gebundenheit. Bei der Therapie sowie bei der Prophylaxe gibt es einige Besonderheiten zu beachten.

Von Kerstin Nees Veröffentlicht:

Etwa ein Drittel aller migränegeplagten Frauen im gebärfähigen Alter leidet zumindest teilweise an menstruell gebundenen Attacken. Sie treten typischerweise kurz vor der Monatsblutung oder bis zum dritten Blutungstag auf, seltener auch um die Zeit des Eisprungs herum. Hormonell sind diese Zyklusphasen von einem Abfall des Östrogenspiegels begleitet, berichten die Freiburger Neurologen Dr. Anna Gorsler und Professor Holger Kaube (NeuroTransmitter 7-8, 2008, 32).

Eine spezifische Therapie für Frauen mit hormongebundenen Kopfschmerzen gibt es nicht. Die Betroffenen sollten nach den üblichen Empfehlungen zur Migränetherapie behandelt werden, raten die Neurologen. Die Triptane seien nahezu alle erprobt und wirksam. Da menstruelle Migräneattacken oft länger andauern, können wiederholte Triptan-Gaben notwendig sein.

Keine Östrogene bei Raucherinnen mit Migräne!

Bei der Prophylaxe ist zu beachten, dass die herkömmliche Migräneprophylaxe mit Betarezeptorblockern, Flunarizin oder Topiramat bei Menstruationsmigräne nicht wirkt. Da sie durch einen Östrogenabfall getriggert wird, gibt es hier aber hormonelle Einflussmöglichkeiten. Nutzen und mögliche Risiken einer Östrogengabe wie ein erhöhtes Brustkrebs- und Thromboserisiko sollten abgewogen werden. Absolut kontraindiziert sind Östrogene bei Raucherinnen mit Migräne aufgrund des dann deutlich erhöhten Risikos für einen Schlaganfall.

Für Frauen mit regelmäßigem Zyklus bietet sich eine Kurzzeitprophylaxe mit einem NSAR wie Naproxen an. Die Einnahme von täglich 500 bis 1000 mg sollte zwei Tage vor der erwarteten Menstruation beginnen und bis zum dritten Blutungstag dauern. Zum Schutz vor möglichen Magenproblemen ist die Kombination mit einem Protonenpumpenhemmer angebracht. Bei fehlender Wirkung können auch langwirksame Triptane wie Frovatriptan und Naratriptan prophylaktisch zwei Tage vor der erwarteten Menstruation und bis zum dritten Blutungstag gegeben werden. Als dritte Variante der Kurzzeitprophylaxe eignet sich die Applikation von Östradiol als Gel oder Pflaster.

Eine hormonelle Langzeitprophylaxe sollte für Frauen erwogen werden, die schwer beeinträchtigende und lang andauernde Migräneattacken im Zusammenhang mit der Menstruation haben. Ziel ist, Fluktuationen oder das Absinken des Östrogenspiegels zu verhindern. Dazu eignet sich etwa eine monophasische Kombinationspille mit mittlerer Östrogendosis. Gute Erfahrungen haben Frauen in Studien mit der kontinuierlichen Einnahme einer Östrogen-Gestagen-Kombi über 84 oder sogar 168 Tage mit einer anschließenden siebentägigen Pillenpause gemacht. Die Migräneattacken traten erst bei der Abbruchblutung nach Absetzen der Pille auf, nicht wie vorher üblich monatlich. Aus medizinischer Sicht spreche nichts dagegen, die Menstruation über einen so langen Zeitraum zu unterdrücken. Es könne aber Zwischenblutungen geben.

Nach der Menopause meist weniger Migräneattacken

Während der Schwangerschaft sowie nach der Menopause geht die Häufigkeit von Migräneattacken deutlich zurück. In den Wechseljahren kann es jedoch auch zur Zunahme der Attacken kommen. Hier gilt in der Therapie das gleiche wie bei menstruationsassoziierten Attacken: Angestrebt werden normal hohe und gleichmäßige Östrogenspiegel.

Bei schwerer hormonbedingter Beeinträchtigung durch Migräne sollte in der prämenopausalen Phase auch das Einleiten einer "chemischen Menopause" mit mehrwöchiger Gabe von hypothalamischen Hormonen (Gonadotropin-Releasing-Hormon-Analoga) unter gleichzeitiger Östrogen- und Gestagensubstitution in Betracht gezogen werden

Treten bei oraler Östrogensubstitution täglich migräneartige Kopfschmerzen auf, ist das ein Hinweis darauf, dass die Hormone in der Leber schnell verstoffwechselt werden (fast metabolizer). Dann sind transdermale oder vaginale Darreichungsformen sinnvoll. Es gibt keinen Hinweis auf ein erhöhtes Schlaganfallrisiko durch Hormonersatztherapie nach der Menopause.

NSAR-Start zwei Tage vor Monatsblutung.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Studie der Unimedizin Greifswald

Neurologin: Bei Post-COVID-Kopfschmerzen antiinflammatorisch behandeln

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Verbesserter Herzschutz

Influenza-Impfraten erhöhen: So geht’s!

Lesetipps
Im Vordergrund Savanne und eine Giraffe, im Hintergrund der Kilimandscharo.

© espiegle / stock.adobe.com

Erhöhtes Thromboserisiko

Fallbericht: Lungenembolie bei einem Hobby-Bergsteiger