Mini-Stimulator schaltet Kopfschmerzen ab

Beim Internationalen Kopfschmerzkongress in Berlin sind erste positive Studienergebnisse eines neuartigen Neurostimulators zur Behandlung bei schweren Kopfschmerzen vorgestellt worden.

Veröffentlicht:
Implantierbarer Neurostimulator zur Therapie bei Cluster-Kopfschmerz und Migräne.

Implantierbarer Neurostimulator zur Therapie bei Cluster-Kopfschmerz und Migräne.

© Autonomic Technologies

BERLIN (eb). Attacken bei Cluster-Kopfschmerz können mehrmals täglich auftreten und dauern zwischen 15 Minuten bis 3 Stunden an. Man schätzt, dass mindestens einer von 1000 Menschen Cluster-Kopfschmerz hat. Bisher gibt es nur wenige Therapieoptionen. In einer Studie wird derzeit die Sicherheit und Wirksamkeit des ATI-Neurostimulators geprüft. Erste Daten der Studie wurden beim 15. Jahreskongress der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft jetzt in Berlin vorgestellt.

Das Implantat wird am Meckel-Ganglion platziert

Das in der Erprobungsphase befindliche Neurostimulationssystem besteht aus einem neuartigen implantierbaren Mini-Stimulator. Er ist etwa mandelgroß und wurde für die Therapie bei starken Kopfschmerzen einschließlich Cluster-Kopfschmerz und Migräne entwickelt, wie es in einer Mitteilung des Unternehmens Autonomic Technologies heißt.

Röntgenbild des Kopfes nach Implantation des ATI-Neurostimulators in das Zahnfleisch des Oberkiefers.

Röntgenbild des Kopfes nach Implantation des ATI-Neurostimulators in das Zahnfleisch des Oberkiefers.

© Autonomic Technologies

Der Neurostimulator wird ohne sichtbare Narben oder kosmetische Beeinträchtigungen in das Zahnfleisch implantiert. Die Spitze des Implantats wird an dem als Ganglion sphenopalatinum (GSP, Meckel-Ganglion) bezeichneten Nervenbündel hinter dem Wangenknochen platziert.

Schon seit Jahren konzentriert man sich bei der Therapie starker Kopfschmerzen auf das GSP, um dort vor allem Lidocain zu injizieren und so die Nervenblockade auszulösen.

Nach Implantation des Mini-Stimulators können die Patienten über eine externe Fernsteuerung, die einem großen Mobiltelefon ähnelt, bei Bedarf die Stimulation auslösen, die zur Linderung des Kopfschmerzes führt. Nach Behandlung der Schmerzen wird das Fernsteuergerät einfach wieder von der Wange genommen und die Stimulationstherapie damit ausgeschaltet.

An der Pathway-CH-1-Studie zur Sicherheit und Wirksamkeit des ATI-Neurostimulators des kalifornischen Unternehmens nehmen bislang 22 Personen teil; insgesamt sind 40 Patienten vorgesehen. Von 7 der 22 Patienten liegen inzwischen Stimulationsdaten aus der Titrationsphase der Studie vor. Die Implantation selbst dauerte zwischen 40 und 175 Minuten.

Eine Schmerzlinderung innerhalb von 15 Minuten - primärer Endpunkt der Studie - wurde bei 66 Prozent der behandelten Kopfschmerzattacken (n = 57) erreicht, wie das Unternehmen mitteilt. Bei drei Patienten verschwanden die Schmerzen komplett, bei jeweils einem Patienten wurde der Schmerz um 80 oder 33 Prozent verringert. Zwei Patienten sprachen auf die Stimulation nicht an.

Zudem hat sich in der Studie mit der Stimulation die Häufigkeit der Kopfschmerzen bei der Mehrheit der Patienten verringert; im Vergleich zu dem 4-Wochen-Zeitraum vor Beginn der Studie sank die Kopfschmerz-Häufigkeit während der Studie bei 70 Prozent der Patienten um mindestens 50 Prozent.

"Die Ergebnisse sind sehr ermutigend", wird Professor Jean Schoenen aus Lüttich in Belgien zitiert. Chronischer Cluster-Kopfschmerz verursache schwerste Beeinträchtigungen und starke Schmerzen, die es den Betroffenen oft unmöglich machten, ein normales Leben zu führen. Die neuartige Kopfschmerz-Therapie solle künftig auch bei Patienten mit schwerer Migräne geprüft werden.

"Bisher gab es für Cluster-Kopfschmerzpatienten nur wenige Behandlungsoptionen", wird Professor Arne May, Neurowissenschaftler am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und Präsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) zitiert. Die gängigen Ansätze umfassten die präventive Medikation und abortive Therapien zur Akutbehandlung, zum Beispiel injizierbare Substanzen und das Inhalieren von Sauerstoff.

Diese Behandlungsformen könnten jedoch bei manchen Patienten nicht angewendet werden, etwa wenn kardiovaskuläre Risikofaktoren vorliegen; bei anderen Patienten würden erhebliche Nebenwirkungen auftreten. Er hoffe, "dass sich dieser neue therapeutische Ansatz weiterhin bei vielen Cluster-Patienten als chancenreich erweist".

Sieben Kopfschmerzzentren sind an der Studie beteiligt

An der multizentrischen Pathway- CH-1-Studie sind sieben führende Kopfschmerzzentren in sechs europäischen Ländern beteiligt. Insgesamt soll die Studie 40 Patienten umfassen.

In einer Titrationsphase werden die Stimulationsparameter eingestellt und gegebenenfalls angepasst. Danach werden die Kopfschmerzen der Patienten im Rahmen einer experimentellen Phase in randomisierter Form mit einer von drei verschiedenen Stimulationsdosen behandelt, darunter ein Scheinpräparat.

Ergebnisse der randomisierten Phase der CH-1-Studie wurden beim Kopfschmerzkongress noch nicht vorgestellt.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Studie der Unimedizin Greifswald

Neurologin: Bei Post-COVID-Kopfschmerzen antiinflammatorisch behandeln

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Porträt

Felix Michl: Unternehmer, Jurist und Medizinstudent

Lesetipps
Arzt injiziert einem älteren männlichen Patienten in der Klinik eine Influenza-Impfung.

© InsideCreativeHouse / stock.adobe.com

Verbesserter Herzschutz

Influenza-Impfraten erhöhen: So geht’s!