Seltene Immundefizienz
Mit Gentherapie Mykobakterien nicht mehr schutzlos ausgeliefert
Bei Patienten mit dem seltenen Immundefizienz-Syndrom "Mendelian Susceptibility to Mycobacterial Disease" können mykobakterielle Infektionen tödlich verlaufen. Eine neue Gentherapie soll die Funktion der Makrophagen, die bei der Erbkrankheit gestört ist, wiederherstellen.
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Neue Optionen bei seltene Erkrankungen: Privatdozent Dr. Nico Lachmann (li.) mit zwei der drei Erstautoren: Patrick Blank und Dr. Miriam Hetzel arbeiten an der Therapie für MSMD-Patienten.
© MHH
HANNOVER. Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben eine Zell- und Gentherapie für eine genetisch bedingte Immundefizienz entwickelt. Die vielversprechende Therapieoption solle Patienten mit der lebensbedrohlichen und seltene Erkrankung "Mendelian Susceptibility to Mycobacterial Disease" (MSMD) vor mykobakteriellen Krankheitserregern schützen, heißt es in einer Mitteilung der Hochschule. Die Forscher haben ihre Studienergebnisse in der Zeitschrift "Blood" veröffentlicht (Blood 2017; online 12. Dezember).
Eine Ursache für Immunschwäche können bekanntlich Mutationen im Erbgut sein, die dazu führen, dass Makrophagen im Körper nicht mehr funktionieren und somit Krankheitserreger wie etwa Mykobakterien nicht mehr richtig beseitigen können. Dies tritt unter anderem bei der Erkrankung MSMD auf, bei der Patienten schwere und zum Teil tödlich verlaufende Infektionen durch niedrigvirulente Mykobakterien erleiden.
MSMD ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die sich bereits im Kleinkindalter manifestiert und für die es derzeit keine effektive heilende Therapie gibt. Die Therapie mit rekombinantem IFN? seien ineffizient und hämatopoetische Stammzelltransplantationen hätten eine schlechte Prognose, so die Autoren im Abstrakt der Studie.
Erfolge im Mausmodell
Das internationale Forscherteam um Privatdozent Dr. Nico Lachmann aus dem Institut für Experimentelle Hämatologie habe nun den Grundstein für eine effektive und langanhaltende Therapie für MSMD entwickelt. "Für die schwerste Form der MSMD, die IFNgR1 Defizienz, haben wir Genfähren entwickelt, die es uns erlauben, den genetischen Defekt in den Zielzellen zu korrigieren und so die Funktion in den Makrophagen wiederherzustellen", wird Lachmann in der Mitteilung zitiert.
Das Team aus Wissenschaftlern und Ärzten aus Hannover, Italien, Frankreich und den USA hat die neuartige Therapie bereits erfolgreich in einem Mauskrankheitsmodell getestet. "Die Therapie ist so wirksam, dass nur wenige genetisch korrigierte Zellen ausreichen, um den gesamten Organismus vor den schweren Infektionen durch Mykobakterien zu schützen" sagt Dr. Miriam Hetzel, die sich die Erstautorenschaft mit Dr. Adele Mucci, früher MHH, jetzt am San-Raffaele-Krankenhaus in Mailand, und Patrick Blank vom Zentrum für Experimentelle und Kinische Infektionsforschung TWINCORE teilt.
Nur wenige Zellen nötig
Die genetisch korrigierten Blut-Stammzellen wandern nach der Transplantation ins Knochenmark und fangen dort sofort an, die fehlenden Makrophagen zu bilden.
Die Wissenschaftler waren überrascht, dass die neu gebildeten Fresszellen dann sehr schnell in die einzelnen Organe wandern, um dort ihre Arbeit aufzunehmen. "Wir waren erfreut zu sehen, wie gut und schnell diese Therapie schützt", berichtet Lachmann in der Mitteilung. Der Forscher arbeite bereits daran, die Ergebnisse auf den Menschen zu übertragen.
Schnelle Umsetzung in die Klinik
Dass nur wenige korrigierte Zellen für eine Behandlung nötig sind, lässt die Wissenschaftler auf eine schnelle Umsetzung in die Klinik hoffen. "Aufgrund dieser Erkenntnis arbeiten wir gerade daran, nur die defekten Fresszellen durch gesunde Zellen in den Lungen zu ersetzen. Diese Art der zellbasierten Therapie eröffnet dann ganz neue Wege in der regenerativen Medizin" sagt Lachmann in der MHH-Mitteilung. (eb/grz)