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Niedrige Vitamin-D-Spiegel - ein Blick ins Grab?
Menschen mit wenig Vitamin D im Blut haben offenbar eine verringerte Lebenserwartung. Welche Ursachen das hat, ist aber noch unklar.
Veröffentlicht:HEIDELBERG. An Frühindikatoren für ein vorzeitiges Lebensende mangelt es sicherlich nicht: So geht die Inanspruchnahme von Gehhilfen und Hörgeräten mit einer verkürzten Lebenserwartung einher, was sicherlich nicht daran liegt, dass solche Hilfsmittel ihre Benutzer umbringen, sondern dass die Nutzer eben schon recht alt und gebrechlich sind, wenn sie darauf angewiesen sind.
In ähnlicher Weise sind wohl Studienergebnisse zu verstehen, die Mittagsschläfern einen baldigen Tod versprechen oder aber Menschen mit niedrigeren Vitamin-D-Spiegeln: Oft sind solche Faktoren nur Zeichen einer hohen Morbidität und damit bei alten Menschen auch Vorboten des nahen Todes.
Das sollte man zumindest im Hinterkopf haben, wenn jetzt deutsche Forscher auch einen Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Spiegeln und Mortalität erkennen (BMJ 2014; 348: g3656, online 17. Juni).
Dieser Zusammenhang ist zwar nicht neu, das Team um Dr. Ben Schöttker vom Krebsforschungszentrum in Heidelberg hat für seine Analyse nun aber sieben Kohorten- und eine Fall-Kontroll-Studie ausgewertet, für die Vitamin-D-Messwerte (25-Hydroxyvitamin D) und Sterbedaten der einzelnen Teilnehmer vorlagen - damit ließen sich die Ergebnisse poolen und vergleichen.
Die Forscher um Schöttker beschränkten sich zudem auf Teilnehmer im Alter von 50 bis 79 Jahren. Insgesamt konnten sie Angaben zu über 57.000 Personen auswerten, die im Laufe der Studien zwischen vier und 16 Jahren nachbeobachtet wurden. In dieser Zeit starben knapp 7000 Teilnehmer - bevorzugt solche, bei denen die Vitamin-D-Werte zu Beginn niedrig waren.
Wurden Alter, Geschlecht und Jahreszeit der Messungen berücksichtigt, so ergab sich für das Quintil mit den niedrigsten Vitamin-D-Werten eine 57 Prozent erhöhte Sterberate im Vergleich zum Fünftel mit den höchsten Serumwerten.
Insgesamt ließ sich eine deutliche Abhängigkeit von den Vitamin-D-Werten erkennen: Je weniger Vitamin D die Ärzte zum Studienbeginn im Serum fanden, umso gefährdeter waren die Teilnehmer, im Lauf der Studien zu sterben.
Hatten die Teilnehmer zu Beginn eine kardiovaskuläre Erkrankung, so war die kardiovaskuläre Sterberate bei den niedrigsten Vitamin-D-Spiegeln um 65 Prozent erhöht, hatten sie eine Tumorerkrankung in der Vorgeschichte und niedrige Vitamin-D-Werte, so war die Krebsmortalität um 70 Prozent erhöht.
Waren keine Tumoren in der Vorgeschichte bekannt, so gab es keinen Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Werten und Krebssterblichkeit, hatten die Teilnehmer keine bekannte kardiovaskuläre Erkrankung zu Beginn, dann war die kardiovaskuläre Sterberate bei niedrigen Vitamin-D-Werten immerhin noch um 41 Prozent erhöht.
Gerade diese Ergebnisse lassen ahnen, aus welcher Richtung der Wind weht: Offenbar sind es die bereits morbiden Teilnehmer, bei denen Vitamin-D-Werte die größte Aussagekraft haben. Und das spricht doch sehr dafür, dass wenig Vitamin schlicht ein Marker für einen schlechten Gesundheitszustand ist, räumen auch die Autoren der Publikation um Schöttker ein.
Doch wie lässt sich der Zusammenhang erklären? Eigentlich sehr einfach. Wer krank und gebrechlich ist, also schon mit einem Fuß im Grab steht, wird wenig Zeit im Freien verbringen.
Da Tageslicht aber die wichtigste Vitamin-D-Quelle ist, haben solche Menschen zwangsläufig niedrige Vitamin-D-Spiegel. Schöttker und Mitarbeiter bezweifeln daher, dass eine Vitaminsupplementierung bei alten Menschen etwas nützt, es sei denn, sie haben tatsächlich einen Vitamin-D-Mangel.
Ganz auszuschließen sind positive Effekte von zusätzlichem Vitamin D auf die Gesundheit dennoch nicht. Inzwischen laufen einige Interventionsstudien, die klären sollen, ob eine Supplementierung das Leben verlängert. Auf die Ergebnisse wird man allerdings noch einige Jahre warten müssen.