Klinische Studie

Pilates lindert chronischen Kreuzschmerz

Wer zwei Mal pro Woche eine Stunde Pilates macht, kann dadurch ganz gut seine chronische Kreuzschmerzen lindern. Allerdings nur, solange er auch tatsächlich trainiert.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Regelmäßige Gymnastikübungen sind gut für den Rücken.

Regelmäßige Gymnastikübungen sind gut für den Rücken.

© WavebreakMediaMicro / stock.adobe.com

SAO PAULO. Regelmäßige Gymnastikübungen können als Teil einer multimodalen Therapie unspezifische Rückenschmerzen deutlich lindern. Welche Gymnastik in welcher Intensität für wen am besten ist, lässt sich jedoch schwer sagen.

Ein Cochrane-Review attestierte dem Pilatestraining kurzfristig eine moderate und mittelfristig eine geringe Wirksamkeit mit Blick auf Schmerzintensität und körperliche Einschränkungen, allerdings war ein solches Training anderen Formen körperlicher Aktivität in Studien nicht überlegen, berichten Physiotherapeuten und Gesundheitsforscher um Gisela Cristiane Miyamoto von der Universität São Paulo.

Immerhin scheint Pilates eine Gymnastikform zu sein, die gegen Rückenschmerzen etwa nützt. Die Forscher haben in einer eigenen Studie geschaut, welche Dosis mit Blick auf Wirksamkeit und Kosten am ehesten geeignet erscheint (Br J Sports Med 2018; online 10. März).

Schmerzen um die Hälfte reduziert

Für ihre Untersuchung konnten sie 296 Patienten mit unspezifischen Kreuzschmerzen gewinnen. Die Patienten waren im Mittel 48 Jahre alt und zu drei Viertel Frauen.

Im Schnitt hatten die Teilnehmer leichtes Übergewicht und litten seit etwa vier Jahren an Kreuzschmerzen. Mehr als die Hälfte nahm regelmäßig Schmerzmittel ein, rund 60 Prozent fühlten sich gelegentlich deprimiert.

Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip in vier Gruppen mit jeweils 74 Teilnehmern aufgeteilt. Eine Gruppe erhielt lediglich eine Broschüre mit Informationen über Rückenschmerz. Darin wurde erläutert, dass bestimmte Körperhaltungen und Bewegung die Schmerzen lindern können. Diesen Patienten wurde zudem in Aussicht gestellt, nach einem Jahr an einem Pilatestraining teilzunehmen (Wartegruppe).

Die übrigen drei Gruppen durften gleich trainieren. In der einen Gruppe baten die Therapeuten die Teilnehmer einmal wöchentlich, in den anderen beiden zwei- und dreimal pro Woche zu den Übungen. Diese dauerten stets eine Stunde.

Das ganze Programm wurde auf sechs Wochen begrenzt. In der ersten Trainingsgruppe konnten die Patienten folglich an maximal sechs Pilatesstunden teilnehmen, in der zweiten an zwölf und in der dritten an 18. Im Schnitt nahmen die Teilnehmer 85 Prozent der Übungsstunden wahr – sie zeigten also eine recht hohe Motivation.

Zwei primäre Endpunkte

Als einen primären Endpunkt hatten die Forscher Veränderungen auf einer analogen Schmerzskala (0–10 Punkte) gewählt. Im Schnitt betrug der Wert der Teilnehmer anfangs etwas mehr als 6 Punkte, größere Unterschiede zwischen den Gruppen gab es nicht.

Als zweiten primären Endpunkt wählten sie Änderungen bei rückenschmerzbedingten Einschränkungen im Alltag (Skala mit 0–24 Punkten). Hier lagen die Werte in den einzelnen Gruppen zu Beginn zwischen 10 und 12 Punkten.

Nach sechs Wochen war der Schmerzscore in allen Gruppen zurückgegangen: um 0,9 Punkte in der der Wartegruppe, um 2,1 Punkte mit einer Trainingsstunde pro Woche, um 3,1 Punkte mit zwei und um 3,2 Punkte mit drei wöchentlichen Pilatesstunden.

Berücksichtigten die Forscher Alter, Geschlecht und weitere Begleitfaktoren, so fanden sie den größten relativen Unterschied zur Wartegruppe bei den Teilnehmern mit zwei Gymnastikstunden pro Woche (2,3 Punkte), gefolgt von denen mit drei Stunden (2,1 Punkte) und denen mit einer Stunde (1,2 Punkte).

Alle Differenzen waren statistisch signifikant, als klinisch relevant erachteten die Forscher einen Unterschied von zwei Punkten.

Kein langfristiger Nutzen

Ein ähnliches Bild ergab sich für die Alltagseinschränkungen. Mit einmal Pilates pro Woche gingen diese um 1,9 Punkte stärker zurück als in der Wartegruppe, zwei Wochenstunden führten zu einer adjustierten Differenz von 4,7 Punkten, drei Stunden von 3,3 Punkten.

Auch hier waren sämtliche Differenzen statistisch signifikant, einen klinisch relevanten Unterschied zur Wartegruppe von mindestens vier Punkten gab es jedoch nur mit zweimal wöchentlichem Training.

Nach diesen Daten sollte Pilates also mindestens zweimal pro Woche erfolgen, ein drittes Mal hat jedoch keinen zusätzlichen Effekt auf die Schmerzreduktion und die Alltagskompetenzen.

Anders sieht es bei den Kosten aus. Die Intervention war bei dreimal Pilates die Woche am teuersten (umgerechnet 540 Euro in sechs Wochen). Berücksichtigten die Forscher nun direkte und indirekte Einsparungen, etwa durch einen geringeren Medikamentengebrauch und weniger Fehlzeiten am Arbeitsplatz, so ergaben sich lediglich in der Gruppe mit einmal wöchentlich Pilates Einsparungen im Vergleich zur Wartegruppe, und zwar von 86 Euro pro Person.

Zusätzliche Kosten in Höhe von knapp 200 und 260 Euro pro Person fielen jedoch bei zweimal- und dreimal Pilates pro Woche an.

Bescheidene Langzeiteffekte

Das Bild ändert sich freilich, wenn der Zuwachs an Lebensqualität, gemessen in QALY (quality-adjusted life-years) monetär beziffert wird. Hier ergab sich der größte Nutzen in der Gruppe mit dreimal wöchentlichem Training, entsprechend fanden die Forscher hier die größte Wahrscheinlichkeit für eine Kosteneffektivität.

Relativ bescheiden sind jedoch die Langzeiteffekte: Nach sechs Monaten gab es fast keine und nach zwölf Monaten überhaupt keine signifikanten Unterschiede mehr zwischen den Gruppen bei den beiden primären Endpunkten.

Pilates hat offensichtlich keinen über die Trainingsdauer hinausgehenden Effekt auf die Beschwerden. Unklar ist zudem, ob der Nutzen bei einem dauerhaften Training persistiert. Es ist zumindest davon auszugehen, dass von einem kurzzeitigen Training bei chronischen Schmerzen keine langfristigen Effekte zu erwarten sind.

Schließlich muss ein gewisser Noceboeffekt in der Wartegruppe berücksichtigt werden. Hier waren die Patienten deutlich weniger zufrieden mit der Intervention als in den Pilatesgruppen. Dies könnte einen Teil der Therapieeffekte erklären.

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