Gute Nachrichten des Jahres 2024

Positiver Jahresrückblick: Kluge Leitlinie statt Gebietsstreit – das S3-CKD-Update

Fachinternisten und Hausärzte haben ihre gemeinsame Leitlinie zur chronischen Niereninsuffizienz aktualisiert. Ein Lehrstück einer Zusammenarbeit der Disziplinen – aus unserer Serie zu guten Nachrichten im Jahr 2024.

Denis NößlerVon Denis Nößler Veröffentlicht:

Die gegenseitigen Un- und Missverständnisse von Haus- und Familienmedizin auf der einen und Organfächern und Fachinternisten auf der anderen Seite sind beachtlich. Man kann sie fast als konstitutiv für manche Dysfunktionen der zeitgenössischen Medizin betrachten. Hier der fast schon liebevolle Blick auf jede noch zu kleine Pathologie und die Hinwendung zu möglichst jeder vermeintlichen „Innovation“. Da der nüchterne Blick des Niedrigprävalenzbereichs, die Abneigung gegen voreilige Diagnosen (abwartendes Offenhalten) und gegen das un- oder nur schlecht geprüfte Neue.

In der Realität gibt es deshalb (mindestens) zwei „Medizinen“. Und dazwischen wird im Zweifel der arme Patient zerrieben, der von diesem Dualismus hierzulande jedenfalls nicht von einer höheren Lebenserwartung profitiert.

Nach langem Streit dann erster Konsens

Da ist es eine gute Nachricht, dass die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) und die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) pünktlich zum Weihnachtsfest ihre S3-Leitlinie zur chronischen Niereninsuffizienz aktualisiert haben. Mit an Bord sind die Ernährungsmediziner (DGEM), die Geriater (DGG), die internistische Dachgesellschaft DGIM und die Patienten im Bundesverband Niere.

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Erstmals war die Leitlinie 2019 veröffentlicht worden. Voraus ging dem ein lange währender Streit um die Deutungshoheit in der Niere. Noch vor der Veröffentlichung der ersten Version mit der AWMF-Nr. 053–048 trat man sich gegenseitig auf die Füße. Unter anderem hatte seinerzeit ein unabgestimmtes Patienten-Booklet der Nephrologen die Allgemeinmediziner brüskiert.

Am Ende war es das Engagement Einzelner auf beiden Seiten, das gemeinsame Leitlinien-Projekt voranzubringen. Es war das Eingeständnis, dass man den ungeheuren Aufwand für gute S3-Leitlinien besser gemeinsam stemmen würde, als dass man es alleine versuchte.

Vorbilder dringend nötig

Und es war das Eingeständnis, dass nicht nur die von einer CKD Betroffenen beide – Hausärzte und Nephrologen – brauchen, sondern dass sich die Fächer auch gegenseitig brauchen. Die Nephrologie wird die Primärversorgung sämtlicher Patienten mit einer GFR <60 ml/min/1,73m2 nicht leisten können. Und die Allgemeinmedizin möchte ihre Patientinnen und Patienten in den Händen von Kollegen wissen, mit denen sie mindestens dieselbe Sprache sprechen und die bestenfalls ein ähnliches Verständnis von Evidenzbasierung und Nutzenbelegen teilen.

Dass die Leitlinie und auch ihr Update ein Kompromiss sein musste, liegt in den unterschiedlichen Kulturen der Fächer. Er bringt aber nicht nur vermeintlich Anderes zusammen, er ist auch eine notwenige Antwort auf den Aufwand, der hinter gescheiten Leitlinien steckt. Literaturrecherchen, Evidenzreports, Metaanalysen und letztlich teils langwierige Prozesse der Konsensfindung können Kosten verursachen, die die Grenze von einer Million Euro übersteigen. Das jetzige Update wurde vom Innovationsfonds beim G-BA mit rund 200.000 Euro unterstützt.

Mithin ist diese Leitlinie und das jetzige Update ein gutes Lehrstück, wie Fachdisziplinen, die sonst gerne streiten, zusammenarbeiten können. Dass es solche Vorbilder offenbar dringend braucht, zeigt nicht zuletzt der Streit etwa zwischen Kardiologie und Allgemeinmedizin bei Blutdruckgrenzwerten oder LDL-C-Werten.

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