Psychotherapie unterstützt Patienten mit Defibrillator

BAD NAUHEIM (ner). Patienten mit implantiertem Defibrillator (ICD) haben oft erhebliche psychische Probleme. Mit einer spezifischen psychokardiologischen Intervention kann den meisten geholfen werden.

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Bei Patienten mit ICD treten im Falle lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen zum Teil Mehrfachschocks auf. Die psychologischen Folgen seien dramatisch, berichtet Professor Jochen Jordan, Leiter der Klinik für Psychokardiologie am Kerckhoff-Rehabilitationszentrum in Bad Nauheim. "Viele Patienten entwickeln daraufhin eine schwere posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)", so Jordan in einer Mitteilung. Dies äußert sich in erheblichen Angstsymptomen, Nervosität, Schlaf- und Hoffnungslosigkeit, der Unfähigkeit, Gefühle zu empfinden sowie sozialem Rückzug und Vermeidungsverhalten. Kürzlich ist sogar eine erhöhte Mortalitätsrate bei Herzpatienten mit PTBS festgestellt worden. Aber auch ohne diese Erlebnisse fürchten viele ICD-Patienten den lebensrettenden Elektroschock und reagieren mit teils irrationalem Verhalten, leiden unter Panikattacken und Depressionen.

Jordan und seine Kollegen haben für diese Patienten eine spezifische Psychotherapie entwickelt und evaluieren diese derzeit prospektiv. In einer Pilotstudie bei 21 Männern und Frauen mit PTBS, die bis zu 70 Schocks in einer Episode erlebt hatten, haben sie jetzt eine Befragung von 17 dieser ehemaligen Patienten abgeschlossen. Bei 13 von ihnen liegen inzwischen keine PTBS-Symptome mehr vor, 15 der Behandelten äußerten sich sehr zufrieden, zwei waren lediglich durchschnittlich zufrieden oder unzufrieden und benötigen gegebenenfalls erneut Hilfe.

Im Mittelpunkt des Behandlungskonzepts steht eine intensive, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie von täglich 70 bis 90 Minuten Dauer an mehreren aufeinander folgenden Tagen, die Gesamtdauer war individuell verschieden. Sie beinhaltet verhaltenstherapeutische Elemente der Angstverarbeitung, Vermeidungsverhalten soll abgebaut werden. Hinzu kommen psychoedukative Komponenten sowie das traumaspezifische Verfahren EMDR (eye movement desensitization and reprocessing). Dabei folgt der Patient mit den Augen rhythmischen Bewegungen der Hand des Therapeuten, während er sich an das belastende Ereignis erinnert. Zusätzlich erhalten die Patienten von Kardiologen Informationen über die Funktion und die Wirkung des implantierten Defibrillators sowie über die Ursache der erhaltenen Elektroschocks. Den Patienten werden außerdem unterschiedliche Entspannungstherapien angeboten.

Insgesamt haben bereits mehr als 300 ICD-Patienten das Schulungsprogramm der Kerckhoff-Klinik absolviert. Jetzt soll ein allgemeiner Behandlungsleitfaden entwickelt werden.

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Dr. Dieter Wettig 08.07.201014:40 Uhr

Nutzen unbewiesen - Schaden möglich

Prof. Jordan, Leiter der psychokardiologie, behauptet mit einer speziellen intensiven, tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie von täglich 70 bis 90 Minuten Dauer Patienten helfen zu können, die durch ICD psychische Schäden erlitten hätten. Grundlage seiner Ausführungen ist eine prospektive Pilotstudie an 21 Patienten. Von ihnen wurden bisher 17 Patienten befragt, 13 von ihnen würden mittlerweile nicht mehr unter PTBS leiden, 15 äußerten sich zufrieden. Das ist interessant, taugt aber nicht zur Behauptung, daß die angewandte Psychotherapie für die positiven Beobachtungen verantwortlich ist. Psychische Beschwerden gehen schließlich auch oft von selbst weg und wenn man einem Patienten täglich 70 bis 90 Minuten Zuwendung gibt, egal ob durch eine Ärztin, Sozialarbeiterin oder nette Hilfsschwester, werden sich die meisten zufrieden äußern. Derartige "Studien" sind weder randomisiert, noch kontrolliert, ihnen fehlt auch die Power. Fazit: Höchstens einen 5-Zeiler aber keinen Artikel wert.
Die Behauptungen von Prof. Jordan erinnern an die Ausführungen von Frau Dr. Benecke in der ÄZ vor einem Jahr Psychotherapie sei hilfreich bei der Behandlung von Diabetes. In den von ihr zitierten Quellen las sich das aber ganz anders: Keine bedeutsamen Psychotherapiewirkungen feststellbar.
Das Geld, das für derartige Eskapaden ausgegeben wird, fehlt dann leider woanders, zum Beispiel bei den hausärzten.

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