Schutz vor RSV

RSV-Prophylaxe: Kinderärzte beklagen Probleme mit Logistik, Vergütung und Verfügbarkeit

Kinderärzte kritisieren, dass nicht nur Lieferengpässe beim Antikörper Nirsevimab, sondern auch organisatorische Schwierigkeiten in den Praxen dafür sorgen, dass die RSV-Prophylaxe in der Breite teils stockt.

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In Kinderarztpraxen bleibt Berichten zufolge derzeit oft wenig Zeit, um eine RSV-Prophylaxe anzubieten – Lieferengpässe kommen teils hinzu. (Symbolbild)

In Kinderarztpraxen bleibt Berichten zufolge derzeit oft wenig Zeit, um eine RSV-Prophylaxe anzubieten – Lieferengpässe kommen teils hinzu. (Symbolbild)

© Christian Charisius / dpa / picture alliance

Güstrow/Rostock/Kiel/Hamburg. Im Juni empfahl die Ständige Impfkommission (STIKO) für Neugeborene und Säuglinge in ihrer ersten RSV-Saison die passive Immunisierung mit dem Antikörper Nirsevimab – dass dieser bislang aber nicht verlässlich geliefert wird, sorgt bei den Kinderärzten im Norden für Schwierigkeiten.

Die Nachfrage von den Eltern sei hoch, berichtet die Hamburger Kinderärztin Dr. Charlotte Schulz aus ihrer Praxis. Bislang seien bei ihr aber keine Dosen von Nirsevimab (Beyfortus®, Sanofi) eingetroffen. „Die Apotheke kann auch für nächste Woche noch nichts sagen“, erklärt die Hamburger Sprecherin des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ). Gerne hätte man Kinder schon bei ohnehin geplanten Terminen immunisiert, sagt die Ärztin. Da aufgrund vieler Erkältungen derzeit immer mehr Kinder in die Praxis kommen, sei in den Sprechstunden kaum Zeit für weitere Termine zum Impfen/Immunisieren. „Jede Woche, die uns da flöten geht, macht das Problem schwieriger“, sagt Schulz.

Kritik an Bestellverfahren und Vergütung

Für separate Impfsprechstunden sei die Vergütung zu gering, kritisiert Schulz. Dass Nirsevimab-Dosen aufgrund der hohen Kosten derzeit nur einzeln pro Rezept bestellbar sind, sorge für zusätzlichen Zeitaufwand. „Wir müssen ständig nachbestellen und hoffen, dass wir akkurat damit durchkommen“, sagt Schulz. Dazu hätten viele Neugeborene beim ersten Sprechstundentermin noch gar keine Versichertenkarte, mit der man ein Rezept ausstellen könne.

Besser sieht es beim Rendsburger Kinderarzt Dr. Sebastian Groth aus. Auch er sei anfangs skeptisch gewesen, erklärte der Sprecher des BVKJ in Schleswig-Holstein. In seiner Praxis seien aber bereits Packungen angekommen. „Ich war positiv überrascht, dass ich eine Packung in der Hand halten konnte“, sagt Groth. Er hofft, dass sich die Lieferungen so fortsetzen.

Auch die Apotheker können Nirsevimab oft nicht bestellen, berichtet Felix-Alexander Litty von der Apothekerkammer Schleswig-Holstein. „Es ist nicht so, dass die Versorgung lückenlos läuft“, sagt Litty. Um die große Nachfrage zu bewältigen, habe Hersteller Sanofi für Frankreich und Spanien hergestellte Impfdosen nach Deutschland umgeplant. Dass der Impfstoff mittlerweile laufend geliefert werde, sei laut Litty daher ein gutes Zeichen.

In Mecklenburg-Vorpommern mangelt es vor allem an Zeit

In der Praxis des Güstrower Kinderarztes Dr. Steffen Büchner gäbe es derzeit noch keine RSV-Prophylaxe – vor allem aus Zeitgründen. „Lieferschwierigkeiten sind nicht unser Hauptproblem“, erklärt der Sprecher des Berufsverbands Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ) in Mecklenburg-Vorpommern. Dass erst seit Mitte September feststehe, dass diese von den Krankenkassen übernommen werde, sei zu spät gewesen. Da die erste Infektwelle bereits gestartet sei, gäbe es nur wenig Zeit für den RSV-Schutz samt nötiger Beratung.

Auch Büchner zeigt sich mit der Vergütung unzufrieden. Für Beratung und Verabreichung plus Beschaffungsaufwand liegt das Honorar bei knapp 13 Euro pro Patient. Im Vergleich zur geleisteten Arbeit würde man damit „eigentlich nur Miese machen“, sagte Büchner. Auch BVKJ-Präsident Dr. Michael Hubmann hatte bereits Kritik an der Vergütung geübt.

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Positiver gestaltet sich der RSV-Schutz bislang am Klinikum Südstadt in Rostock. „Die Nachfrage durch die Eltern ist hoch“, erklärt Dr. Dirk M. Olbertz, Chefarzt der Klinik für Neonatologie. Zwar sei der Nirsevimab bislang nur in begrenzten Mengen in Packungen mit spanischer und französischer Aufschrift verfügbar, die vorrangig an Geburtskliniken mit Risikopatienten und Neugeborenen mit Herzfehlern geliefert werden. Für diese Gruppen habe die Klinik trotz des Versorgungsmangels bislang genügend Dosen erhalten, so Olbertz.

Für die Neugeborenen im Zeitraum von Oktober bis März rechnet Olbertz mit insgesamt 750 bis 1.000 benötigten Dosen zur Immunisierung. Für die kommende Woche habe Hersteller Sanofi die ersten in Deutschland hergestellten Lieferungen angekündigt. Damit sei das Ziel erreichbar, allen Neugeborenen der Klinik eine RSV-Prophylaxe anzubieten. „Wir sind in der Geburtsklinik logistisch und personell auf diese zusätzliche Aufgabe vorbereitet“, sagt Olbertz.

BMG hatte Versorgungsmangel erklärt

Das Bundesgesundheitsministerium hatte Mitte September einen offiziellen Versorgungsmangel beim Antikörper Nirsevimab zum Schutz gegen RSV erklärt.

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) meldete außerdem, dass Sanofi im September und Oktober spanische und französische Packungen des Arzneimittels auf den deutschen Markt bringen wird, um die zu erwartende hohe Nachfrage zu decken. (dpa/lmv/lno/heib)

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