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Schmerz wird interdisziplinär gelindert

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Patienten mit chronischen Schmerzen haben einen Rechtsanspruch auf Linderung, das hat der Gesetzgeber geregelt. Aber wie lässt sich der Spagat zwischen Rechtsnormen, Patientenanspruch, Pharmakologie und den Vorgaben der Kassen bewältigen?

Noch immer gibt es ärztliche Praxen ohne BtM-Rezepte, anderenorts werden Opioide aus "Budgetgründen" nicht verordnet.

Der sichere Umgang mit Opioiden ist vielerorts nicht gewährleistet, dabei ist ein differenzierter Umgang mit diesen Medikamenten erforderlich und machbar.

Neue Wirkstoffe kommen auf den Markt: Sind sie echte Neuerungen und hilfreich? Einen festen Stellenwert haben mittlerweile sicher die schnell wirkenden Fentanyle.

Andere Substanzen können sich den erst erringen: Wichtig für die Kenntnis solcher Medikamente ist zum Beispiel auch die Teilnahme an den offenen, interdisziplinären Schmerzkonferenzen, die in der Regel einmal im Monat stattfinden.

Zu diesen Fragen nimmt Dr. Roland Mell, Schmerztherapeut aus Ludwigsburg, auf dem 39. MEDcongress 2012 (1. bis 7. Juli) in Baden-Baden Stellung.

Dr. Roland Mell aus Ludwigsburg hält seinen Vortrag "Update interdisziplinäre Schmerztherapie" am Mittwoch, dem 4. Juli, von 9 bis 12 Uhr.

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Kommentare
Dr. Walther J. Kirschner 18.06.201217:37 Uhr

Schmerztherapie - keine primäre Indikation Opiate/Opioide

Viele Schmerzen - akut und chronisch - treten am Bewegungssystem auf. Eine überwiegende Anzahl von Rücken- und Kreuzschmerzen sind zwar akut auftretend, jedoch meist harmlos. Daher sind oft wenige symptomatische Therapiemaßnahmen ausreichend. Einige wenige Analgetika z.B. reichen aus, gfs. in Kombination mit physiotherapeutischen Maßnahmen.

Erforderliche Aufklärungen der Patienten und Instruktion zu Verhalten und Prävention hingegen kommen oft zu kurz oder unterbleiben. Damit werden z.T. Rezidive, manchmal Chronifizierungen von Funktionsstörungen und Schmerzen veranlaßt. Werden jedoch Ursachen nicht beachtet, sondern Analgetika "verteilt", sind erfolgreiche Therapieergebnisse nicht zu erwarten. Nicht hilfreich, sondern fatal, wenn dann Opiate/Opioide "verteilt" werden, gar als Dauertherapie. Oft helfen diese bei Schmerzen am Bewegungssystem nicht, erst recht nicht bei chronifizierten Beschwerden.

Zudem sind sie auch nicht indiziert, keinesfalls primär - die "modische" Wirklichkeit ist eine andere: Die Arneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft stellt hierzu u.a. fest (Deutsches Ärzteblatt, Jg. 109, Heft 14, 06.04.2012 - Die unkritische Anwendung von Fentanylpflastern erhöht das Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen):

- nur ein Drittel litt unter einer Tumorerkrankung
- bei mehr als 25% der ''opioidnaiven'' Erstanwender waren Fentanyl-
pflaster das erste Analgetikum, das überhaupt ärtlich verordnet wurde
- bei 72,5 % keine Hinweise auf mögliche Probleme bei oraler Einnahme -
daher keine Indikation für Fentanylpflaster!
- Fentanylpflaster werden (dortige Studie) oft als Analgetikum der
der ersten Wahl eingesetzt, obwohl andere Analgetika evtl. besser
geeignet wären
- hoher Anteil einmaliger Verordnungen weist auf Anwendung (Kontraindi-
kation) auch bei akuten Schmerzen hin
- hohe Dosierungen führen zudem zu erhöhtem Risiko unerwünschter
Wirkungen
- Fentanylpflaster nur, wenn orales Opioid nicht möglich
- Wirkstoffdepot in oberen Hautschichten bei F.pflaster, daher bei
akuten Schmerzen nicht sinnvoll (nicht ausreichend wirksam)
- problematische unerwünschte Wirkungen: langsame/flache Atmung, Mü-
digkeit, Schläfrigkeit, Schwierigkeiten beim Denken, Sprechen oder
Gehen/Laufen (schwierig/problematisch postoperativ und bzgl.
nachfolgender aktivierender konditionierender Reha! - kontraproduktiv
und gefährdend gleichermaßen!)
- Intoxikationen - Überwachung erforderlich (erfolgt in der Praxis
nicht!)
- Gefährdung v.a. älterer und multimorbider Patienten

Es ist daran zu erinnern (allgemein bekannt), daß Opiate/Opioide perioperativ kurzfristig eingesetzt zwar gut kontrollierbar sind, nicht jedoch bei längerfristiger Applikation (dann auch tatsächlich klinisch ohne ausreichenden Effekt - somit keine rationale Pharmakotherapie!). Insbesondere indiziert sind sie selektiv bei onkologischen Patienten.

Vor unkritischer rein "modischer" Verodnung ist ausdrücklich zu warnen.


Dr. Walther J. Kirschner
FA Orthopädie, Spez. Schmerztherapie et al.




Dr. Elmar-Marc Brede 18.06.201209:52 Uhr

Schnell wirkende Fentanyle bei chronischen Schmerzen

Sehr geehrte Damen und Herren, ich kann vom Einsatz schnell anflutender Fentanyle beim Nicht-Tumor-Schmerzpatienten nur warnen. Diese sollten nur bei Durchbruchschmerzen beim Tumorpatienten zum Einsatz kommen, wir haben in unserer Schmerzeinrichtung Nichttumorpatienten mit schnell anflutenden Fentanylen mit massiver Toleranzentwicklung und Ausbildung einer opioidbedingten Hyperalgesie und Unwirksamkeit über viele Monate langwierig entziehen müssen und können deshalb nur davor warnen, diese Zubereitungsform beim Nichttumorpatienten leichtfertig einzusezten.
Bei der Behandlung des Tumordurchbruchschmerzes haben die schnellanflutenden Fentanyle die Behandlungsmöglichkeiten jedoch deutlich verbessert und stellen eine deutliche Verbesserung der Therapiemöglichkeiten dar. Mit freundlichen Grüßen Dr. M. Brede (Oberarzt einer universitären Schmerzambulanz)

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