Leitartikel
Sepsis - verkappte Todesursache Nummer eins
Die Gefahr durch Sepsis ist vielen nicht bewusst - sonst würden daran nicht jährlich über 50.000 Menschen in Deutschland sterben. Zum Welt-Sepsis-Tag am 13. September wird daher erneut nach einem Nationalen Aktionsplan gerufen.
Veröffentlicht:Sie sind nur einige von vielen Botschaftern des Welt-Sepsis-Tages am 13. September: Reinhold Messner, Klaus von Dohnanyi, Daniel Bahr, Professor Jörg Hacker und die Professorin Johanna Wanka.
Das inzwischen glücklicherweise größere Interesse am Kampf gegen Sepsis weltweit spiegelt sich auch darin wider, dass sich Dr. Tom Frieden, der einflussreichste Gesundheitspolitiker der USA, zum Fürsprecher der Kampagne erklärt hat.
"Wir müssen nicht nur verstärkt auf dieses Krankheitsbild hinweisen, darüber aufklären und die Früherkennung verbessern, damit mehr Patienten geschützt werden und überleben. Wir müssen darüber hinaus die Ursachen von Sepsis verstehen, damit wir sie vermeiden können, wann immer möglich", wird der Direktor der Centers for Disease Control (CDC) in Atlanta, von der Global Sepsis Alliance (GSA) zitiert.
Folgende Zahlen verdeutlichen die Dimension des Problems: Jedes Jahr erkranken bis zu 30 Millionen Menschen weltweit an Sepsis. In Deutschland haben Krankenhäuser 2011 mehr als 175.000 Sepsiserkrankungen gemeldet, von denen über 50.000 tödlich verlaufen sind, so die GSA und die Deutsche Sepsis-Gesellschaft (DSG).
Sepsis werde dabei nicht nur in der Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamts unterschätzt, sondern auch im Global Burden of Disease Report der WHO.
Denn dort werde Sepsis nur als "Sepsis bei Neugeborenen" aufgeführt. Sepsis bei Erwachsenen bleibe weitgehend unberücksichtigt und nur die Infektionen, die die tödliche Sepsis ausgelöst haben, würden genannt.
"Versteckte Gesundheitskatastrophe"
Insgesamt rangiert das Krankheitsbild in dem Report nur auf Platz 16, weshalb manche auch bei Sepsis von einer "versteckten Gesundheitskatastrophe" sprechen.
Bei korrekter Berücksichtigung der Sepsis als eigentlicher Todesursache würde sie in dem Bericht wahrscheinlich an erster Stelle stehen, heißt es in einer Mitteilung der GSA und DSG.
In Deutschland habe sich die Kodierung von Sepsisfällen anhand der ICD-9 oder -10-Klassifikation in den letzten Jahren verbessert. Dies sei unter anderem auch durch die mit der Diagnose Sepsis verbundene finanzielle Vergütung für die Kliniken geschehen, so die GSA.
Bereits im vergangenen Jahr wurde die von vielen Organisationen unterstützte Welt-Sepsis-Deklaration veröffentlicht, die die Bedeutung von Aufklärung und Prävention durch Hygiene und Impfungen hervorhebt.
Durch weniger Krankenhausinfektionen und strukturierte Impfprogramme soll demnach die Zahl der Sepsiserkrankungen bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent gesenkt werden.
Ein weiteres Ziel ist zudem, innerhalb der kommenden fünf Jahre durch eine verbesserte Früherkennung von Infektionen und Sepsis die Sterberate um zehn Prozent zu senken.
Wie wichtig Impfungen von Risikogruppen wie Kindern, älteren Menschen oder auch Patienten ohne Milz sind, betont auch die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) am Beispiel der splenektomierten Patienten. Die Zahl der Splenektomien pro Jahr liege in Deutschland bei etwa 8000. Insgesamt 80.000 Menschen lebten hier ohne Milz.
"Insbesondere Pneumokokken können bei splenektomierten Patienten schwerste Verläufe von Lungen- und Hirnhautentzündungen hervorrufen, die überproportional häufig zu einer schweren Sepsis und Kreislauf- und Organversagen führen", wird Professor Ulrich R. Fölsch aus Kiel, Generalsekretär der DGIM, in einer Mitteilung der Gesellschaft zitiert.
Mehrere Impfungen beugen vor
Die DGIM rät Menschen ohne Milz zu Impfungen gegen Pneumokokken, Meningokokken und Hib. Diese erfolgen in der Regel 14 Tage nach der Splenektomie, bei einem geplanten Eingriff besser bereits 14 Tage vor der Operation. Auch an die Booster ist zu denken.
Zudem rät die DGIM zur jährlichen Grippe-Impfung, da eine Virusgrippe oft den Boden für eine bakterielle Lungenentzündung bereitet.
Sepsis-Stiftung, DSG und Deutsche Sepsis-Hilfe haben bereits 2013 einen Nationalen Aktionsplan gegen Sepsis vorgelegt. Das Ziel: Senkung der Sepsishäufigkeit und -sterberate sowie eine Verbesserung der Lebensqualität nach einer Sepsis.
Kernpunkte sind unter anderem Entwicklung und Implementierung von Qualitätssicherungsprogrammen zur Verbesserung der Prävention, Diagnose und Therapie in allen Sektoren des Gesundheitswesens.
Zudem müsse die Bevölkerung über Präventionsmöglichkeiten und Frühsymptome aufgeklärt werden, etwa in Kampagnen in Anlehnung an "Gib Aids keine Chance".
Erfreulicherweise ist die GSA auch im Internet sehr aktiv und bekommt Aufmerksamkeit, auch ohne spektakuläre Aktionen wie die "Ice Bucket Challenge" der ALS-Association.
Dem Aktionsplan zufolge muss die unsachgemäße Anwendung von Antibiotika in Medizin, Landwirtschaft und Tierzucht gestoppt werden. Nicht zuletzt müsse lokalen, länder- und kontinentübergreifenden Erregerausbrüchen vorgebeugt oder diese eingedämmt werden.
Gefordert wird auch der Aufbau eines nationalen Sepsisregisters, in dem bundesweit zur Qualitätssicherung die Entwicklung der Sepsishäufigkeit und der Sepsissterblichkeit dokumentiert wird. Der Nationale Aktionsplan wird inzwischen von vielen Parlamentariern, Fachgesellschaften und Ärztekammern unterstützt.