Chronische Niereninsuffizienz

Spätere Dialyse kann sich lohnen

Eine neue kanadische Leitlinie empfiehlt den Dialysestart bei chronischer Niereninsuffizienz erst dann, wenn sich klinische Zeichen einer Urämie oder andere Komplikationen zeigen, oder wenn die eGFR bei 6 oder darunter liegt. Die Idee: Lebensqualität und Lebenserwartung sollen bestmöglich zusammenpassen.

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Dialyse: Die Kanadier wollen sie jetzt verzögern.

Dialyse: Die Kanadier wollen sie jetzt verzögern.

© Klaro

LONDON. Die eGFR als alleiniger Marker für den Dialysebeginn hat ausgedient. In einer aktuellen kanadischen Leitlinie wird für Erwachsene empfohlen, auch bei einem Wert unter 15 ml/min/1,73 m² nicht sofort loszulegen.

Denn der richtige Zeitpunkt einer Dialyseeinleitung ist der, zu dem die höchste Lebenserwartung mit der besten Lebensqualität für Patienten mit urämischen Symptomen zusammentreffen.

Die traditionellen Kriterien für den Start einer Dialysebehandlung haben sich lange an den kreatininbezogenen Werten der Nierenfunktion orientiert. Nun hat sich dieser Parameter allerdings als unzureichend erwiesen. Denn ein früher Beginn der Dialyse, der sich allein an der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) orientiert, verbessert offenbar weder das Überleben noch die Lebensqualität.

Auch die Zahl der Klinikaufenthalte von Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz wird damit nicht verringert. In ihrer klinischen Praxisleitlinie 2014 raten die Experten der kanadischen Gesellschaft für Nephrologie deshalb zu einem eher zögerlichen Vorgehen ("Intend-to-defer"-Strategie) (CMAJ 2014; 186(2): 112-117).

Ausschlaggebend für die Überarbeitung der Leitlinie der Canadian Society of Nephrology waren die Daten der Initiating-Dialysis-Early-and-Late (IDEAL)-Studie. Hier zeigte der direkte Vergleich zwischen Patienten mit frühem und solchen mit spätem Behandlungsbeginn, dass sich die späte Dialyse nicht unbedingt, wie zuvor befürchtet, nachteilig auf die Prognose auswirkt.

Die Daten machten klar, dass für die Entscheidung zum Dialysestart neben der glomerulären Filtrationsrate auch klinische Faktoren eine wichtige Rolle spielen sollten.

Neue Empfehlungen der Kanadier

Nach der neuen kanadischen Praxisleitlinie sollten Patienten mit einer eGFR ‹ 15 ml/min/1,73 m² zunächst durch einen Nephrologen eng überwacht werden. Erst wenn sich eine klare klinische Indikation zeigt oder die eGFR auf 6 ml/min/1,73 m² oder darunter sinkt, sollte mit der Hämodialyse oder Peritonealdialyse begonnen werden.

Zu den klinischen Indikationen der Dialysepflicht zählen den Autoren zufolge: klinische Urämiesymptome, Überwässerung, persistierende Hyperkaliämie oder Azidose sowie andere Zustände und Symptome, die durch eine Dialysebehandlung wahrscheinlich gebessert würden.

Die neuen Empfehlungen legen besonderen Wert auf die Vermeidung belastender und ressourcenintensiver Therapien, die vor dem Eintritt einer klinischen Indikation keinen messbaren Nutzen erkennen lassen.

Weiteren Einfluss auf den Dialysestart können Faktoren wie Patientenschulung und Modalitätswahl, Verlauf und Schwere bestehender urämischer Symptome, die Abnahme der Nierenfunktion sowie verschiedene Zugangsmöglichkeiten und Wartezeiten innerhalb der Dialyseversorgung haben. D

ie Autoren betonen, dass es sich hier nur um Empfehlungen für Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz handelt. Sie gelten nicht für Patienten mit Dialyse nach akuten Nierenverletzungen oder für solche, die sich für eine konservative Behandlung ohne Dialyse entschieden haben oder ein Spenderorgan erhalten.

Anders als die Spezialisten der European Renal Association-European Dialysis and Transplant Association (ERA-EDTA) empfiehlt die kanadische Gesellschaft auch Hochrisiko-Patienten wie Diabetikern keinen frühen Dialysebeginn.

Die deutsche Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) "Nierenerkrankungen bei Diabetes im Erwachsenenalter" (Überarbeitung Mai 2013) empfiehlt die "frühzeitige Aufklärung zur Nierenersatztherapie und entsprechende Vorbereitung von Patienten mit Diabetes und Niereninsuffizienz Stadium 4 (GFR ‹ 30 ml/min/1,73 m² KO)".

Zudem rät die NVL dazu, die "Indikationsstellung für den Beginn einer Dialyse eher nach den Symptomen und Befunden bei Nierenversagen zu richten und weniger nach dem Ausmaß der Nierenfunktionsschädigung, da urämiespezifische Symptome oder therapierefraktäre Überwässerung bei Menschen mit Diabetes bereits in einem Clearance-Bereich von zehn bis 15 ml/min/1,73 m² KO auftreten können". (st)

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