Sport für Hypertoniker? Ja, aber die Tücke liegt im Detail

Langfristig hilft körperliche Bewegung dabei, erhöhten Blutdruck zu senken. Die kardiovaskuläre Sterberate wird verringert. Kurzfristig steigt jedoch der Blutdruck mehr oder weniger stark. Es kommt auf die richtige Sportart an, die adäquate Belastung und die am besten geeignete Medikation.

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Regelmäßige Bewegung sollte für jeden Hypertoniker zur Basistherapie gehören. So steht es in allen Empfehlungen. Denn langfristig wird dadurch der Blutdruck gesenkt. Die Tücke liegt im Detail.

Denn zu Beginn der körperlichen Aktivität eines Hypertonikers steigt der Blutdruck, wobei extreme Werte jedoch nicht erreicht werden dürfen. Und es ist auch nicht jede Sportart für Hypertoniker geeignet. Denn manche Sportarten können schon bei Normotonikern mit hohen Blutdruckspitzen einhergehen.

Solche Spitzen können für Hypertoniker gefährlich werden. Es kommt deshalb darauf an, eine geeignete Sportart zu wählen. Dabei sind auch Neigung und Erfahrungen der Patienten zu berücksichtigen. Es ist eine adäquate Belastung festzulegen.

Kardiovaskuläre Sterberate wird verringert

Wenn der Sport als Blutdrucksenker nicht ausreicht, ist den Patienten ein geeigneter medikamentöser Blutdrucksenker zu verordnen.

Wenn alles richtig gemacht wird, wird durch regelmäßige körperliche Aktivität bei Hypertonikern die kardiovaskuläre Sterberate verringert, und das sogar viel stärker als bei Menschen mit normalem Blutdruck.

So hat bereits eine prospektive Kohorten-Studie von Dr. Gunnar Engström von der Universität Lund in Schweden, die über 25 Jahre gelaufen ist, ergeben, daß bei Hypertonikern, die fit waren, die kardiovaskuläre Mortalität um 70 Prozent niedriger war als bei Hypertonikern, die körperlich inaktiv waren. Absolut betrugen die Todesraten pro 1000 Personen-Jahre 17 Prozent und 40 Prozent.

Was bewirkt Bewegung bei Hypertonikern?

Körperliche Bewegung bei Hypertonie hat mehrere günstige Effekte: Das Training senkt den Sympathikotonus. Gleichzeitig steigt der Vagotonus in Ruhe. Das Herz wird gebremst, die Pulsfrequenz verlangsamt. Die arteriellen Blutgefäße erweitern sich. Pro abtrainiertes Kilogramm Körpergewicht sinkt der Blutdruck um 1,5 bis 2 mmHg systolisch und um 1,2 bis 1,5 mmHg diastolisch. Das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei den Hypertonikern vermindert sich. Die Werte der Stoffwechselparameter Blutzucker, Cholesterin, LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin und Triglyzeride verbessern sich. Eine für die Prognose ungünstige linksventrikuläre Hypertrophie bildet sich zurück.

Bei Menschen mit normalem Blutdruck in der Studie, die fit waren, war die kardiovaskuläre Sterberate im Vergleich zu inaktiven immerhin noch um 20 Prozent vermindert, mit absoluten Todesraten pro 1000 Patienten-Jahre von 25 Prozent für inaktive und 21 Prozent für fitte Personen (Journal of Hypertension 17, 1999, 737).

Wann ist bei Hypertonie Sport besonders geeignet?

Gerade Patienten mit leichter, unkomplizierter Hypertonie sollten zu sportlichen Aktivitäten mindestens dreimal pro Woche angehalten werden. Liegt der Blutdruck unter 160 zu 100 mmHg, kann er sich durch diese Allgemeinmaßnahme durchaus normalisieren.

Bei höheren Werten muß vor Aufnahme des Trainings der Blutdruck medikamentös gesenkt werden, weil es sonst zu gefährlichen Blutdruckspitzen kommen kann. Dabei läßt sich der während einer dynamischen Belastung zu erwartende Blutdruckanstieg durch eine vorherige ergometrische Untersuchung gut abschätzen und der Blutdruck durch Pharmakotherapie senken, so daß es nicht zu gefährlichen Blutdruckspitzen kommt.

Und diese sind wirklich gefährlich. Denn die Hypertonie ist ein Risikofaktor für den plötzlichen Herztod beim Sport. Hypertoniker sind in allen Studien über den plötzlichen Herztod beim Sport überrepräsentiert: Bei jedem dritten plötzlich Gestorbenen lag eine Hochdruckanamnese vor, hat eine Studie bereits 1986 ergeben.

Langfristig jedoch ist die kardiovaskuläre Sterberate durch regelmäßige körperliche Aktivität bei Hypertonikern vermindert.

Wieviel Blutdrucksenkung ist zu erwarten?

Nach großen Metaanalysen können bei Menschen mit leichter Hypertonie durch regelmäßiges Ausdauertraining sowohl der systolische als auch der diastolische Blutdruck in ähnlichem Ausmaß wie bei medikamentöser Therapie gesenkt werden.

Das trifft für den Ruheblutdruck, für den Belastungsblutdruck und für das Tagesprofil zu. Im Ausmaß des Effektes gibt es keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Und der Nutzen ist auch in allen Altersstufen belegt. Aber: Schnelle Erfolge gibt es dabei nicht.

Wie schnell ist ein Erfolg zu erreichen?

Nach den Ergebnissen von Studien sind 80 Prozent der maximalen antihypertensiven Wirkung von 10 mmHg zu 8 mmHg nach zehn bis zwölf Wochen erreicht. Die Wirkung ist dabei umso ausgeprägter, je höher der Ausgangs-Blutdruck ist.

Bei langjährigem Training nimmt der blutdrucksenkende Effekt noch leicht zu. So sanken in einer Langzeitstudie von Privatdozent Reinhard Ketelhut vom Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum der Humboldt-Universität Berlin die mittleren Ruheblutdrucke bei Hypertonikern von 139 zu 96 mmHg in den ersten drei Jahren auf 130 zu 87 mmHg.

Innerhalb von zehn Jahren fielen sie noch etwas weiter auf 126 zu 85 mmHg. Metaanalysen von anderen Studien zur blutdrucksenkenden Wirkung von körperlicher Bewegung haben bei Hypertonikern eine systolische Blutdrucksenkung um bis zu 10 mm Hg und eine diastolische Blutdrucksenkung um bis zu 8 mm Hg ergeben.

Wie senkt Ausdauersport den Blutdruck?

Nach großen Studien bedeutet eine Senkung des diastolischen Blutdrucks um 6 mmHg eine Senkung der Apoplexie-Rate um 40 Prozent, eine Senkung der KHK-Rate um 15 Prozent und eine Senkung der Gesamtsterberate um 20 Prozent.

Zur Blutdrucksenkung durch Sport tragen mehrere Mechanismen bei. Die Katecholaminspiegel in Ruhe und unter Belastung nehmen ab. Dadurch sinkt der Sympathikotonus. Es kommt zu einer endothelinabhängigen Vasodilatation durch NO-Anstieg. Außerdem senkt Ausdauertraining die Insulinspiegel.

Welche Patienten profitieren von Ausdauertraining?

Als alleinige Maßnahme sollte ein Ausdauertraining nach den Empfehlungen der Deutschen Hochdruckliga nur bei Blutdruckwerten unter 160 zu 100 mmHg begonnen werden. Ist bereits in Ruhe der Blutdruck wesentlich höher, besteht die Gefahr, daß unter dynamischer Belastung ein zu hoher Blutdruck auftritt, der dann ein Risiko bedeutet. Bei solchen Patienten muß zuvor der Blutdruck medikamentös gesenkt werden, um hohe Spitzen zu vermeiden.

Welcher Blutdruck beim Training erwartet werden kann, läßt sich durch eine ergometrische Untersuchung gut abschätzen. Der Belastungsblutdruck bei 100 Watt sollte nicht über 230 zu 115 mmHg liegen. Der Blutdruck kann dann medikamentös entsprechend reguliert werden. Zudem sollte bei Hypertonikern vor Trainingsbeginn im Belastungs-EKG festgestellt werden, ob bereits Koronarläsionen bestehen.

Auch Krafttraining wird für Hypertoniker heute empfohlen. Hier gilt: Bei Personen mit Bluthochdruck sollte der Blutdruck in Ruhe gut eingestellt sein. Und er sollte während des Trainings gemessen werden. Der Blutdruck sollte nicht über 180 bis 200 mmHg steigen.

Wie intensiv muß trainiert werden?

Nach den neuen Empfehlungen des American College of Sports Medicine aus dem vergangenen Jahr sollten Hypertoniker, wenn möglich, täglich 30 Minuten körperliches Training machen. Diese Zeit kann in drei Phasen zu 10 Minuten aufgeteilt werden.

Die Intensität des Trainings ist ein wesentlicher Faktor für die langfristige günstige Beeinflussung des Blutdrucks. Die Trainingsintensität sollte im submaximalen Bereich liegen mit 60 bis 70 Prozent der maximalen Herzfrequenz 220 minus Lebensalter.

Das entspricht einem Trainingspuls von 170 bis 180 minus Lebensalter. Bei einer Behandlung mit einem Betablocker sollte ein 10 bis 20 Prozent niedrigerer Puls angestrebt werden. Auch beim Schwimmen sollte der Puls 10 bis 15 Schläge niedriger sein als bei anderen Bewegungsformen.

Welche Sportarten sind für Hypertoniker günstig?

Früher wurden generell Ausdauersportarten mit geringem bis mittleren Kraftaufwand wie Laufen, Walking, Radfahren, Schwimmen oder Skilanglauf empfohlen. Denn bei diesen überwiegend dynamischen Sportarten treten keine exzessiven Blutdruckspitzen auf. In neuen Empfehlungen, etwa den Empfehlungen des American College of Sports Medicine, wird das dynamische Training durch Gymnastik mit einer Kraftkomponente ergänzt.

Von reinem Krafttraining bei Bluthochdruck wurde über viele Jahre abgeraten. Inzwischen belegen jedoch immer mehr Untersuchungen positive Effekte. So wurde bei Patienten in Krafttrainingsprogrammen der systolische Blutdruck um bis zu 10 mmHg und der diastolische um bis zu 5 mm Hg gesenkt. Dies bestätigen Untersuchungen sowohl bei jüngeren Menschen als auch bei Älteren bis zu einem Alter von über 70 Jahren.

Übermäßiger Blutdruckanstieg während des Trainings kann vermieden werden, wenn bei der Kraftanstrengung nicht mit Preßatmung gearbeitet wird. Gerade ältere Menschen, die meist einen zu hohen Blutdruck haben, profitieren von Krafttraining, das dem Muskelverlust entgegen wirkt.

Prinzipiell ist Muskelkrafttraining an Geräten, aber auch mit Kleingeräten wie Hanteln, dem eigenen Körpergewicht oder mit elastischen Bändern möglich. Besonders empfehlenswert ist Krafttraining an Geräten mit geführten Bewegungen, da hier am ehesten eine angemessene Technik sowie eine abschätzbare Intensität zu erreichen ist.

Die Intensität sollte so gewählt werden, daß die Trainierenden die Bewegung zehn- bis fünfzehnmal wiederholen können, berichten die Sportmediziner Dr. Michael Siewers und Professor Burkhard Weisser von der Universität Kiel. Ein detaillierter Trainingsplan findet sich im Internet-Angebot der Universität: www.uni-kiel.de/sport/medizin.

Bei mittlerer bis schwerer Hypertonie benötigen die Hypertoniker vor Aufnahme des Ausdauertrainings eine blutdrucksenkende Therapie.

Welche Antihypertensiva sind geeignet?

Es gilt dabei natürlich das Prinzip: Die antihypertensiven Medikamente sollten den Bewegungsdrang der Patienten nicht bremsen. Viele Kollegen steigen mit Betablockern in die antihypertensive Therapie ein, zumal mit dieser Substanzklasse jahrzehntelange Erfahrungen bestehen.

Und Betablocker können den systolischen Blutdruck bei körperlicher Belastung am besten senken. Allerdings können sie auch die Ausdauerleistungsfähigkeit und die Leistungsbereitschaft einschränken. So reduzieren Betablocker die maximal mögliche Herzfrequenz, so daß ein so behandelter Patient seine unbehandelt mögliche Leistung nicht mehr erreichen kann.

Frequenzminderung muß beachtet werden

Berücksichtigt werden sollte zudem, daß durch regelmäßiges Training die Herzfrequenz vermindert wird. Durch eine frequenzsenkende Medikation mit einem Betablocker könnte dann eine Bradykardie hervorgerufen werden. Zudem stören Betablocker die Fett- und vor allem die Glykogenverwertung - kontraproduktiv für Ausdauersportarten, die bei Hypertonie empfohlen werden. Betablocker, die zusätzlich eine vasodilatierende Wirkung haben, etwa Nebivolol, scheinen dabei Vorteile zu haben.

ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten oder langwirksame Kalziumantagonisten sind für sporttreibende Hypertoniker gute Alternativen, weil sie die Leistungsfähigkeit nicht einschränken und stoffwechselneutral sind. Besonders gut senken Angiotensin-Rezeptor-Antagonsten den Belastungsblutdruck. Da zugleich auch das Produkt aus systolischem Blutdruck und Herzfrequenz als Maß für den myokardialen Sauerstoffverbrauch bei körperlicher Belastung deutlich stärker gesenkt wird, eignen sich Sartane besonders für KHK-Patienten mit Hypertonie. (Rö)



Tips für körperliche Bewegung bei Hypertonie

Vor Aufnahme eines regelmäßigen Trainings sollte ein Belastungs-EKG gemacht werden. Damit werden eine KHK und Herzrhythmusstörungen ausgeschlossen, die für Hypertoniker ein besonders hohes Risiko bedeuten. Die Belastung sollte der beim Training geplanten entprechen, also sind Fahrradergometrie oder Test auf dem Laufband entsprechend auszuwählen.

Bei der Trainingssteuerung kann man sich an der Herzfrequenz orientieren mit einem Trainingspuls von 170 bis 180 mmHg minus Lebensalter, Bei einer Betablocker-Therapie sollte ein 10 bis 20 Prozent niedrigerer Puls angestrebt werden. Auch beim Schwimmen ist aufgrund des Tauchreflexes der Trainingspuls um 10 bis 15 Schläge zu reduzieren (also 160 minus Lebensalter).

Bei der milden und mittelschweren Hypertonie (unter 180 zu 110 mmHg) besteht keine Einschränkung der sportlichen Betätigung, auch nicht für den Leistungssport. Voraussetzung für volle Sporttauglichkeit ist, daß noch keine kardiovaskulären Hochdruckfolgen bestehen.

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