Depressionen
Sport hilft so gut wie Antidepressivum
Den Körper auf Trab zu halten, vertreibt Kummer und Sorgen bei Depressionskranken sowie Patienten mit Angststörungen wohl ebenso gut wie eine Behandlung mit Antidepressiva oder Anxiolytika. Darauf deutet eine Gesamtanalyse aller bekannten Studien zu dem Thema.
Veröffentlicht:SAN DIEGO. Antidepressive Effekte durch Sport werden immer wieder postuliert und in großen Studien beobachtet. Wie die bisherige Evidenz dazu aussieht, haben nun Wissenschaftler um Dr. Henning Budde von der Medical School Hamburg (MSH) in einer Mega-Analyse eruiert.
Dazu schauten sie sich 39 Metaanalysen an, die ihrerseits insgesamt fast 1600 Studien mit zusammen 142.000 Teilnehmer umfassten. Die Studien stammten alle aus den vergangenen 23 Jahren.
Wichtig für die Auswahl war, dass in all den Studien eine Effektgröße berechnet wurde. Diese war dann zumindest ein Kriterium, welches sich in den zahlreichen sehr unterschiedlichen Studien unabhängig vom Design vergleichen ließ.
Nach Angaben von Budde und Mitarbeitern ist ihre Analyse bisher die größte ihrer Art. Sie wurde auf dem Kongress der Society for Neurology in San Diego in den USA vorgestellt.
Moderater Nutzen bei Depressionen
Als Maß für den Nutzen von Sport gegen Depression und Ängste verwendeten die Hamburger Forscher den Cohens-d-Wert. Dieser gibt unabhängig von Studienzahl und -umfang eine Effektgröße an.
Nach Aussagen des Statistikers Jacob Cohen, der dieses Maß etabliert hat, deutet ein Wert ab 0,2 auf einen kleinen Effekt, ab 0,5 auf einen mittleren und ab 0,8 auf einen großen Effekt.
Für die etwa 61.000 Studienteilnehmer mit Ängsten ließ sich ein Cohens-d-Wert für den Effekt körperlicher Bewegung von 0,34 berechnen, was eher einen geringen Nutzen kennzeichnet.
Bei den 81.000 Teilnehmern mit Depressionen lag der Wert bei 0,56 und damit schon im Bereich eines moderaten Nutzens, berichtet das Medizin-Portal "Medpage Today".
Gegen Depression scheint körperliche Bewegung also etwas mehr zu bringen, das ließ sich auch mit anderen statistischen Verfahren bestätigen.
In einem Teil der Studien wurde Sport mit anderen Therapien verglichen. Interessanterweise war hier der Nutzen der körperlichen Bewegung sowohl bei Depressionen als auch bei Ängsten ähnlich groß wie eine medikamentöse oder eine psychotherapeutische Behandlung.
Sport wirkt ähnlich wie ein Antidepressivum
Budde und Mitarbeiter vermuten, dass Sport ähnlich wie ein Antidepressivum wirkt: Viel Bewegung lässt die Serotoninspiegel steigen und verbessert die noradrenerge Transmission im Gehirn.
Zudem begünstigte Sport in Studien das Wachstum neuer Nervenzellen im limbischen System.
Welche Konsequenzen lassen sich nun aus der Mega-Analyse ableiten? Da Sport kaum Kosten verursacht, kaum unerwünschte Wirkungen hervorruft und im Gegensatz zur Psychotherapie auch nicht so viel Zeit benötigt, sehen Budde und Mitarbeiter darin eine gute Ergänzung zu den anderen Verfahren.
Das Problem ist allerdings: Depressive gehen nicht gerne an die frische Luft oder ins Fitnessstudio. Mitten im Stimmungstief verspüren wohl die wenigsten große Lust, sich körperlich zu bewegen. Ganz auf Pillen und Psychotherapeuten verzichten kann man daher wohl doch nicht.