Sportrechtler rät Jan Ullrich von einer DNA-Analyse ab

Von Andreas Zellmer Veröffentlicht:

Jan Ullrich hat sich zurückgezogen. "Er steht etwas neben sich und hat jetzt erstmal Zeit für sich erbeten", sagte T-Mobile-Kommunikationsleiter Christian Frommert, der mit dem suspendierten Top-Angestellten des Hauses in Telefon-Kontakt steht, am Sonntag. Im Hintergrund arbeiten die Anwälte auf der Suche nach einer Verteidigungslinie auf Hochtouren. E-Mails der Ullrich-Fans an T-Mobile beantwortete Frommert von Samstag auf Sonntag in einem kraftraubenden Nacht-Einsatz.

"Es ist ein Albtraum. Ich habe mich in diesem Jahr vorbereitet wie noch nie, fühle mich in einer Bombenform und muß nun zuschauen. Ich habe mit der ganzen Sache nichts zu tun", versicherte Ullrich unterdessen auf seiner Homepage.

Die Tour, die Vorwürfe und der drohende Absturz überschatteten auch ein Familienfest des 32jährigen Wahlschweizers: Am Tag des Prologs der 93. Tour de France, den der mit inzwischen ziemlich konkreten Doping-Anschuldigungen konfrontierte Ullrich gezwungenermaßen verpaßte, feierte seine Tochter Sarah-Maria am Samstag ihren dritten Geburtstag.

Der Heidelberger Sportrechtler Michael Lehner, als Vertreter von Dieter Baumann und Danilo Hondo als Spezialist für juristische Marathonläufe bekannt, würde Ullrich "als Anwalt von einer DNA-Analyse abraten". Die Beweislast würde umgekehrt, "was in einem Rechtsstaat nicht geht". Außerdem würde sich der Radprofi möglicherweise "aufs Glatteis begeben. Er weiß ja gar nicht, in welchem Zustand die ihm zugeschriebenen Blutproben sind", ob überhaupt eine wissenschaftlich unanfechtbare Analyse möglich sei.

Große Teile der Öffentlichkeit und auch sein Sponsor würden eine offensive Verteidigung mit dem Angebot der freiwilligen Abgabe einer DNA-Analyse dagegen sicher begrüßen. Frommert: "Das war eine Option, die wir ihm nahe gelegt haben." Ullrich ist darauf bislang nicht eingegangen. Aus gutem Grund, denn die Geste könnte auch unangenehme Konsequenzen zur Folge haben. Wie seinerzeit bei Christoph Daum. Eine auf Kokain positive Haarprobe verhinderte dessen mögliche Berufung zum Bundestrainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft vor sechs Jahren.

Am Samstag war bekannt geworden, daß Ullrich im Zuge der spanischen Doping-Affäre um die juristisch verfolgten Mediziner Eufemiano Fuentes und José Merino Batres nicht nur mit manipuliertem Blut in Verbindung gebracht wird. Die französische Zeitung "L'Équipe" zitierte aus Berichten der Guardia Civil, es gebe auch Hinweise auf eine Bestellung aus dem Ullrich-Umfeld von Wachstumshormonen und Testosteron.

Die Zeitung dokumentierte auch einen codierten Handy-Verkehr, der Rudy Pevenage ("Rudicio") zugeschrieben wird, mit Fuentes einen Tag vor dem Zeitfahren des Giro d'Italia, das Ullrich überraschend gewann. Die Polizei vermutet, Fuentes führte den 51jährigen Ullrich-Betreuer unter dem Pseudonym "Rudicio".

Theoretisch müßte dem Weltverband UCI das Blut sämtlicher Tour-Starter und der Teilnehmer des vergangenen Giro nach den obligatorischen Kontrollen vor dem Rennen vorliegen. Allerdings sagte T-Mobile-Teamarzt Lothar Heinrich am Sonntag dazu: "Normalerweise müßte dieses Blut nach dem Test vernichtet werden, und ob es rechtlich möglich wäre, gegen den Willen der Fahrer auf diesem Weg einen DNA-Test zu machen, weiß ich nicht."

Der Mediziner der Universität Freiburg war vom Fall Ullrich "genauso überrascht wie alle". Bei internen Blutuntersuchungen im Team habe es keine Hinweise auf Blutdoping gegeben. Ein Nachweis dieser Manipulations-Methode mit Eigenblut sei ohnehin noch nicht möglich. Eine Blut-Volumen-Messung, die darauf hinweisen könnte, könnte laut Heinrich demnächst eingeführt werden.

Nach Ansicht des Chefs der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, Richard Pound, steht die Zukunft des Radsports auf dem Spiel, wenn nicht endlich strikt gegen Doping vorgegangen wird. Im britischen Radio BBC erklärte der Kanadier am Sonntag weiter: "Das Image des Sports und dessen Flaggschiff-Veranstaltung Tour de France ist schwer beschädigt." (dpa)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Doping ist immer eine Schande!

Mehr zum Thema

Totalendoprothese

Welche Sportarten mit Kunsthüfte gut funktionieren

Verteilung von Trainingseinheiten

Auch Sport am Wochenende beugt mehr als 200 Erkrankungen vor

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Tödlicher Einzeller im Hirn

Fallbericht: Amöbenenzephalitis nach Verzehr von rohem Fleisch?

Metaanalyse von zehn RCT-Studien

Antiemetische Therapie: Ein Tag Dexamethason genügt

Lesetipps
Eine Frau mit diversen Erkrankungen

© Sebastian / stock.adobe.com / generated AI

Diagnose-Prävalenzen

Wo Autoimmunerkrankungen besonders häufig auftreten

Verpackung des Wirkstoffs Tirzepatid (Mounjaro) mit Aufziehspritze daneben

© Olaf Kunz / stock.adobe.com

SUMMIT-Studie

Tirzepatid auch erfolgreich bei Herzinsuffizienz-Therapie