Mutation
Überlebens-Chance bei Brustkrebs hängt nicht vom BRCA-Status ab
Junge Brustkrebspatientinnen mit BRCA1- oder BRCA2- Mutation haben in den ersten zehn Jahren dieselben Überlebenschancen wie Krebskranke ohne die BRCA-Mutation.
Veröffentlicht:SOUTHAMPTON. Bei Frauen mit pathogenen BRCA1- oder BRCA2-Mutationen ist nach Brustkrebserkrankung das Risiko für sekundäre Tumoren der Ovarien und der kontralateralen Brust sowie für De-novo-Karzinome der betroffenen Brust erhöht. Zu den Auswirkungen der Mutationen auf das Überleben der Patientinnen gibt es dennoch widersprüchliche Daten. Einer Metaanalyse von 2015 zufolge ist es bislang nicht möglich, evidenzbasierte Schlüsse über den Zusammenhang zwischen BRCA1/2 und der Brustkrebsprognose zu ziehen.
Die jetzt veröffentlichte britische Kohortenstudie POSH (Prospective Outcomes in Hereditary vs. Sporadic breast cancer) deutet jedoch darauf hin, dass junge Mutationsträgerinnen dieselben Überlebenschancen haben wie Frauen mit sporadischem Brustkrebs (Lancet Oncol 2018; online 11. Januar).
In der Studie waren 2733 Frauen im Alter bis 40 Jahre, die von 2000 bis 2008 eine Brustkrebsdiagnose erhalten hatten, im Median acht Jahre prospektiv beobachtet worden. Von ihnen hatten 338 (12 Prozent) eine BRCA-Mutation (201 BRCA1 und 137 BRCA2).
"Das Wissen, dass BRCA-Mutationen die Prognose nicht beeinflussen, könnte das therapeutische Herangehen verändern."
Professor Peter Fasching
Universität Erlangen
20 Prozent hatten ein triple-negatives Karzinom, jede Vierte zusammen mit einer BRCA-Mutation. Rund 90 Prozent der Frauen hatten zusätzlich zur chirurgischen Behandlung eine Chemotherapie erhalten, meist mit Anthrazyklinen allein oder in Kombination mit Taxanen. Risikoreduzierende prophylaktische Operationen gehörten im Studienzeitraum noch nicht zum Therapiestandard.
Kontralaterale Mammakarzinome wurden in der Studie bei 18 Prozent mit BRCA1, bei 12 Prozent mit BRCA2 und bei 4 Prozent ohne Mutation entdeckt. 678 Frauen starben, davon 651 infolge von Brustkrebs. Dabei machte es im Hinblick auf das Überleben, den primären Studienendpunkt, weder vor noch nach dem Abgleich anderer Risikofaktoren einen Unterschied, ob die Patientinnen Mutationsträgerinnen waren oder nicht.
Überlebensraten bei verschiedenen Gentypen
Die adjustierten Überlebensraten betrugen nach zwei Jahren 97,0 Prozent (BRCA-positiv) vs. 96,6 Prozent (BRCA-negativ), nach fünf Jahren 83,8 vs. 85,0 Prozent und nach zehn Jahren 73,4 vs. 70,1 Prozent.
Bei den Frauen mit triple-negativen Tumoren war nach zwei Jahren die Überlebensrate mit BRCA-Mutation sogar höher als ohne (95 vs. 91 Prozent), nach fünf und zehn Jahren war die Differenz aber nicht mehr signifikant. Der Überlebensvorteil nach zwei Jahren ließ sich einer Post-hoc-Analyse zufolge nicht auf bilaterale Mastektomien zurückzuführen.
Die sofortige bilaterale Mastektomie war auch in der Gesamtgruppe nicht mit einem verbesserten Überleben verbunden, so die Studienautoren um Dr. Ellen Copson und Professor Diana Eccles von der Universität in Southampton.
Allerdings hatten sich nur 107 Patientinnen prophylaktisch beide Brüste abnehmen lassen. Heute wird Patientinnen mit BRCA-Mutationen in Großbritannien in vielen Krebszentren fast routinemäßig die bilaterale Mastektomie empfohlen.
Langfristig, das betonen die Forscher, seien risikoreduzierende Operationen, besonders für BRCA-1-Trägerinnen, eine geeignete Maßnahme, um die Mortalität zu reduzieren. Aufgrund der Studienergebnisse raten sie aber, die Entscheidung über den Zeitpunkt des Eingriffs von der Prognose aufgrund des Ersttumors und den Wünschen der Patientin abhängig zu machen. Auch BRCA-Trägerinnen mit triple-negativen Tumoren könnten bei regelmäßigen MRT-Kontrollen die Mastektomie ein bis zwei Jahre aufschieben, ohne Konsequenzen für das Überleben befürchten zu müssen.
Kontroverse Debatte
"Die POSH-Sudie liefert uns Hinweise, wenn auch keinen Beweis, dass man sich bei jungen Brustkrebspatientinnen mit BRCA-Mutation Zeit nehmen kann, um in Ruhe eine informierte Entscheidung über eine bilaterale Mastektomie zu treffen", sagte Professor Peter Fasching von der Universität Erlangen zur "Ärzte Zeitung".
Die Frage, ob jeder dieser Patientinnen zu einer bilateralen Mastektomie geraten werden solle, werde in Deutschland sehr kontrovers diskutiert. Eine weitere wichtige Erkenntnis aus der Studie ist für den Gynäkologen, dass der Großteil der Patientinnen in der Routinetestung keinen BRCA-Test erhalten hätte.
Fasching weiter: "Angesichts der gesunkenen Kosten für die Genotypisierung müssen wir darüber nachdenken, ob die Kriterien für die Testung noch angemessen sind."