Vorhofflimmern
Verlängertes Langzeit-EKG als Superspürnase
Ein einfaches und günstiges diagnostisches Konzept spürt Herzrhythmusstörungen bei Schlaganfallpatienten besser auf als aktuell verwendete Verfahren. Das haben Forscher der Universitätsmedizin in Göttingen und Mainz nachgewiesen.
Veröffentlicht:GÖTTINGEN. Vorhofflimmern ist eine der häufigsten Ursachen für Schlaganfälle und gilt als Vorbote dafür. Sollte man Schlaganfallpatienten daher intensiver als bisher auf Vorhofflimmern untersuchen? Dieser Frage ist ein Team von Forschern der Universitätsmedizin aus Göttingen und Mainz in der Studie "Find-AF-randomised" nachgegangen, teilt die Universitätsmedizin Göttingen mit. Insgesamt 398 Patienten mit frischem Schlaganfall wurden für die Studie untersucht.
Ein Teil der Patienten wurde mit einem Langzeit-EKG über zehn Tage versorgt, das insgesamt drei Mal durchgeführt und in einem spezialisierten Labor ausgewertet wurde. Ein anderer Teil der Patienten bekam die aktuelle Standarddiagnostik. Die Ergebnisse sprechen für sich: In der Gruppe mit Langzeit-EKG-Diagnostik wurde drei Mal häufiger Vorhofflimmern gefunden (13,5 Prozent) als in der Gruppe mit Standarddiagnostik (4,5 Prozent) (Lancet Neurology 2017; online 9. Februar).
Vorhofflimmern häufig übersehen
"Oft wird Vorhofflimmern nicht erkannt, weil die Herzrhythmusstörung nur für wenige Minuten auftritt. Deshalb wird sie bei den aktuell üblichen Herz-Kreislaufuntersuchungen leicht übersehen. Wird Vorhofflimmern jedoch rechtzeitig erkannt, lässt sich ein Schlaganfall als Folge verhindern", wird Professor Rolf Wachter, Leitender Oberarzt der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der Universitätsmedizin Göttingen und Wissenschaftler im Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), in der Mitteilung zitiert.
"Vorhofflimmern besser zu erkennen, ist vermutlich die vielversprechendste Strategie, um die Zahl der Schlaganfälle zu reduzieren. Mit dieser Studie ist uns ein wichtiger Schritt hin zu einer personalisierten Medizin gelungen. Durch eine verbesserte Diagnostik können wir den Patienten genau die Therapien zuordnen, die sie benötigen", so Wachter.
"Aus Voruntersuchungen war uns bekannt, dass wir mit einem verlängerten Langzeit-EKG bei jedem achten Schlaganfallpatienten Vorhofflimmern finden können. Das ist wichtig, denn wir haben Medikamente, um bei diesen Patienten das Risiko für einen erneuten Schlaganfall um zirka 70 Prozent zu senken", sagt Privatdozent Dr. Klaus Gröschel, geschäftsführender Stellvertreter der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Mainz .
Vergleich mit Standardverfahren
"Was bislang noch fehlte, war der Nachweis, dass dieses Verfahren auch wirklich Fälle von Vorhofflimmern findet, die wir normalerweise nicht finden würden. Deshalb haben wir eine Studie durchgeführt, bei der Patienten zufällig entweder unser verlängertes Langzeit-EKG bekamen oder die Standardverfahren, bei denen die Rhythmusaufzeichnung nur für ein bis drei Tage erfolgt. Nur so kann man beweisen, ob das neue Verfahren besser ist", sagt Dr. Mark Weber-Krüger, Assistenzarzt in der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG und Koordinator der Studie.
Ermutigend seien auch die Daten zu wiederholten Schlaganfällen, so die Autoren: Bei den Patienten, die das Langzeit-EKG bekamen, gab es etwa 40 Prozent weniger erneute Schlaganfälle und TIAs (transitorisch ischämische Attacken). "Aufgrund dieser Zahlen planen wir eine weitere größere Studie mit 5000 Teilnehmern. Wir wollen zeigen, dass wir nicht nur mehr Vorhofflimmern finden, sondern auch Schlaganfälle verhindern", sagt Wachter.
"Interdisziplinäre Forschung ist eine der großen Stärken universitärer Medizin. Die enge Kooperation zwischen Neurologen und Kardiologen, wie jetzt zwischen den Universitätsmedizinen in Göttingen und Mainz, wollen wir auch in Göttingen weiter ausbauen" so Professor Heyo K. Kroemer, Dekan der Medizinischen Fakultät und Sprecher des Vorstandes der Universitätsmedizin Göttingen. (eb)