Sexueller Missbrauch im Sport
"Voice" gibt Opfern eine Stimme
"Deine Stimme, dein Leben, deine Wahrheit": Das Forschungsprojekt "Voice" bemüht sich darum, Missbrauchsopfer zu Wort kommen zu lassen und besser zu schützen. Jetzt kamen Sportverbände und Opfer erstmals zusammen.
Veröffentlicht:FRANKFURT. Werden Sportler Opfer von sexuellem Missbrauch, schweigen sie oft aus Scham oder um ihre Karriere nicht zu gefährden: Das EU-geförderte Projekt "Voice" will gegensteuern und ihnen eine Stimme geben. Diese Woche hat laut Deutscher Sporthochschule Köln in Frankfurt die erste Anhörung von Betroffenen stattgefunden.
Vor etwa 50 Gästen aus dem organisierten Sport sprachen fünf Ex-Sportler über ihre Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt. So berichtete ein ehemaliger Fußballer, exemplarisch für viele anonyme Opfer, wie er die Leidenschaft für seinen Sport verlor – nach einem Übergriff im Trainingslager durch seinen Jugendtrainer: "Ich habe damals niemandem davon erzählt. Ich wollte nur noch weg von dem Verein", sagte der Mann vor den Repräsentanten der Sportorganisationen.
"Niemand hat die Verantwortung übernommen"
Auch ehemalige Leistungssportler aus der DDR erzählten von ihrer Kindheit zwischen Leistungsdruck und körperlicher beziehungsweise sexualisierter Gewalt: "Es hat niemand die Verantwortung übernommen, uns in diesem System zu schützen", so eine Betroffene.
Gewaltopfer und Kinderschutzorganisationen forderten bei der Anhörung mehr Fachberatungsstellen und Unterstützung bei der Traumabewältigung. Die Sportverbände wollen Taten systematisch aufarbeiten, wenn ihnen diese bekannt werden. Dazu gehörten weitere Anhörungen und wissenschaftliche Untersuchungen.
Laut Studie der Deutschen Sporthochschule in Köln, der Uniklinik Ulm und der Deutschen Sportjugend hat knapp jeder dritte Kaderathlet hierzulande sexualisierte Gewalt erlebt – einer von neun sogar schwere beziehungsweise lang anhaltende.
Das Forschungsprojekt Voice hat sich zum Ziel gesetzt, sexuelle Gewalt im Sportbereich wissenschaftlich aufzuarbeiten. Es wird zwischen 2016 und Mitte 2018 durch EU-Mittel gefördert. In acht beteiligten Ländern werden dafür Interviews mit Betroffenen geführt und Anhörungen ausgerichtet.
In Deutschland unterstützen die Deutsche Sportjugend und der Deutsche Kinderschutzbund Bundesverband e. V. das Projekt. (ajo)