Kinder gefährdet
Vom Zeckenstich zur Fleischallergie
Wer von einer Zecke gestochen wird, denkt an FSME und Borreliose. Doch dass es auch anders kommen kann, haben jetzt US-Forscher gezeigt. Denn der Stich kann Monate später zu einer Fleischallergie führen - mit bedrohlichen Symptomen.
Veröffentlicht:CHARLOTTESVILLE. US-Forscher beschreiben eine neue Form einer Nahrungsmittelallergie, die offenbar in Zusammenhang mit dem Stich einer Zecke steht.
Kinder mit dem alpha-Gal-Syndrom reagieren erst Stunden nach einer Fleischmahlzeit mit teilweise lebensbedrohlichen Symptomen (Pediatrics 2013; online am 8. April).
An der Studie haben 51 Allergiepatienten im Alter zwischen vier und siebzehn Jahren teilgenommen. Diese litten immer wieder unter schweren allergischen Reaktionen mit Quaddeln und Erythemen, Angioödemen oder Symptomen einer Anaphylaxie.
Ein Zusammenhang mit dem Verzehr von Fleisch wurde vermutet. Fast die Hälfte der Teilnehmer hatte man wegen ihrer Allergiesymptome bereits ein- oder mehrmals notfallmäßig behandeln müssen.
alpha-Gal ist ein Kohlenhydrat
Bei 45 Kindern ließen sich IgE-Antikörper gegen das Kohlenhydrat alpha-Gal, kurz für Galactose-alpha-1,3-galactose, nachweisen. Wie die Forscher um Joshua L. Kennedy von der Universität Virginia berichten, steht die Bildung dieser spezifischen Antikörper offenbar in Zusammenhang mit einem Zeckenstich.
Bei allen alpha-Gal-IgE-positiven Patienten hatte man im Jahr zuvor mindestens einen Zeckenstich entdeckt, bei den meisten (39) hatte die Stelle über mehrere Wochen gejuckt, war gerötet und geschwollen.
Wie Kennedy und seine Kollegen in der Studie zeigen konnten, fanden sich in Gegenden der USA, in denen die sogenannte Lone-Star-Zecke (Amblyomma americanum) vorkommt, besonders viele Kinder mit einer Sensibilisierung gegen alpha-Gal.
Das Verbreitungsgebiet der Zecke reicht von Texas über den Mittleren Westen bis hinauf in die nördlichen Bundesstaaten der Ostküste; in Europa kommt sie bislang nicht vor.
Das Phänomen der verzögerten allergischen Reaktion nach einer Fleischmahlzeit hatten US-Forscher zuvor schon bei Erwachsenen festgestellt. Wie bei diesen waren auch bei den Kindern der Kennedy-Studie die Antikörpertiter für Schweine- und Rindfleisch-IgE hoch-positiv.
Trotzdem stellten sich die Reaktionen - Urtikaria, Angioödem oder Anaphylaxie - stets erst nach einer Latenzzeit von drei bis sechs Stunden ein. Ein positiver Test auf "rotes" Fleisch korrelierte eng mit einem positiven Alpha-Gal-Immunoassay.
Auch der Test auf Milch war positiv
Auch die spezifischen IgE-Titer für Fisch, Hühnchen, Eier und Erdnüsse hatten die Wissenschaftler gemessen, diese waren jedoch vergleichsweise niedrig.
Wer von den Kindern IgE-Antikörper gegen alpha-Gal aufwies, hatte zumeist auch einen positiven Test auf Milch, aber auch auf Katzen- und Hundehaare.
In den meisten Fällen war dies jedoch nicht mit klinischen Symptomen bei entsprechender Exposition verbunden. Der IgE-Test auf Milch wurde negativ, wenn man die spezifischen alpha-Gal-Antikörper eliminierte.
Auch bei Kindern müsse man das alpha-Gal-Syndrom als mögliche Differenzialdiagnose bei Angioödemen und Urtikaria unbekannter Ätiologie berücksichtigen, fordern Joshua und Kollegen, vor allem wenn ein Zusammenhang mit dem Verzehr von rotem Fleisch bestehe.
Patienten mit dieser spezifischen Sensibilisierung reagieren allerdings nicht unbedingt auf jede Fleischmahlzeit, betonen die Forscher: Es komme immer darauf, an, wie viel von dem Allergen tatsächlich aufgenommen werde und wie viel davon in die Blutbahn gelange.
Nicht nur die Größe der Portion, sondern auch die Konservierungsform und die Zubereitung der Mahlzeit spielen dabei möglicherweise eine Rolle. An ein alpha-Gal-Syndrom müsse man vor allem auch dann denken, wenn Kinder nach dem fünften Lebensjahr eine Milchallergie entwickeln.