Thromboembolie
Vorsicht bei Testosteron-Therapie!
Männer, die eine Behandlung mit einem Testosteronpräparat beginnen, tragen ein höheres Risiko für eine venöse Thromboembolie. Laut Ergebnissen einer Studie gilt das aber nur für die ersten sechs Monate der Therapie.
Veröffentlicht:FRANKFURT / MAIN. Wie der diesjährige Arzneiverordnungsreport meldet, hat sich das Verordnungsvolumen von Testosteronpräparaten in Deutschland seit 2004 nahezu verdreifacht. Aus den USA wird diesbezüglich für die erste Dekade dieses Jahrhunderts von einem zehnfachen, aus Kanada sogar von einem 40-fachen Anstieg berichtet.
Da kaum anzunehmen ist, dass in den genannten Ländern der Hypogonadismus als einzige unstrittige Indikation für den Testosteronersatz epidemisch um sich greift, muss der Anstieg auf andere Einsatzgebiete zurückzuführen sein. Dazu zählen etwa Potenz- und andere Störungen aus dem Formenkreis, der als "Androgendefizit des alternden Mannes" mit dem Kürzel ADAM bezeichnet wird.
Unerwünschte Wirkungen
Ein Blick auf die Beipackzettel der einschlägigen Medikamente zeigt, dass die Testosterongabe neben den erwünschten auch eine Reihe weniger wünschenswerter Wirkungen zur Folge haben kann. Männer mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko etwa sind von Komplikationen bedroht; allerdings sind die Ergebnisse von Studien hierzu nicht eindeutig.
Seit Mitte 2014 schreiben die Gesundheitsbehörden in den USA und in Kanada für alle zugelassenen Testosteronprodukte einen Warnhinweis auf das Risiko von venösen Thromboembolien vor. Auch hier gibt es Studien, die für, und solche, die gegen eine erhöhte Thromboemboliegefahr unter Testosteron sprechen.
Eine Forschergruppe aus Kanadiern, Australiern, Briten und Deutschen unter Führung von Carlos Martinez vom Institut für Epidemiologie, Statistik und Informatik in Frankfurt / Main hat in einer populationsbasierten Fall-Kontroll-Studie analysiert, wie sich das Thromboembolierisiko im Verlauf einer Testosterontherapie verändert (BMJ 2016; 355: i5968). Verwendet wurden die Daten von mehr als 19.000 Patienten mit bestätigten venösen Thromboembolien und rund 900.000 passender Vergleichspersonen ohne Thromboembolie, die in 370 britischen Allgemeinarztpraxen betreut wurden.
Die Probanden wurden unterteilt in solche mit aktueller, solche mit vorangegangener und solche ohne jedwede Testosterontherapie. Im untersuchten Kollektiv lag die Inzidenz von Thromboembolien (tiefen Venenthrombosen, Lungenembolien und nicht näher spezifizierten venösen Thromboembolien) bei 15,8 / 10.000 Personenjahre. Im Vergleich zur Inzidenz bei Männern ohne Testosterontherapie war die Inzidenz bei Männern unter laufender Testosteronsubstitution im Mittel um 25 Prozent erhöht (95%-Konfidenzintervall –6 Prozent bis +66 Prozent).
In den ersten sechs Monaten der Therapie mit Testosteron betrug die Erhöhung aber 63 Prozent (12 Prozent bis 137 Prozent), was gleichbedeutend war mit zehn zusätzlichen venösen Thromboembolien über die durchschnittliche Inzidenz hinaus. Nach einem halben Jahr war die überschießende Thromboembolieinzidenz verschwunden. Nach Beendigung der Behandlung sank sie im Schnitt um 32 Prozent (–57 Prozent bis +7 Prozent).
Gipfelwert nach drei Monaten
In den ersten sechs Monaten lag die Inzidenz thromboembolischer Ereignisse bei testosterontherapierten Männern mit Hypogonadismus um 52 Prozent (–6 Prozent bis +146 Prozent) über jener vergleichbarer Männer ohne Testosterontherapie. Bei Männern ohne Hypogonadismus betrug die Steigerung 88 Prozent (2 Prozent bis 245 Prozent). Lag ein bekannter Risikofaktor für Thromboembolien vor, erhöhte sich die Gefahr unter Testosteron um 41 Prozent (–18 Prozent bis +141 Prozent). Fehlten solche Risiken, ergab sich eine Zunahme um 91 Prozent (13 Prozent bis 223 Prozent).
"Der Beginn einer Testosterontherapie, ob zum ersten oder wiederholten Mal, ist mit einem erhöhten Risiko für venöse Thromboembolien verknüpft", schreiben Martinez und Mitarbeiter. Das Risiko strebe während der ersten drei Monate einem Gipfelwert zu und falle danach ab.
63%
höher lag das Risiko für Thromboembolien bei Männern unter Testosteronsubstitution in den ersten sechs Monaten der Therapie im Vergleich mit Männern ohne Testosterontherapie.