Darmkrebs
Vorsorge-Koloskopie schon ab 50?
In einem Facharztprogramm förderte die Vorsorgekoloskopie bei 8,6 Prozent der 50- bis 54-jährigen Männer und bei 4,5 Prozent der Frauen fortgeschrittene Neoplasien zu Tage. Ein guter Grund, die Altersgrenze für die Darmspiegelung zumindest bei Männern zu senken.
Veröffentlicht:Die Koloskopie zur Darmkrebsfrüherkennung – für Professor Dr. Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist das eine Erfolgsgeschichte: "Seit 2002 können gesetzlich Versicherte ab 55 Jahren diese Leistung in Anspruch nehmen, bis 2012 haben das mehr als vier Millionen Menschen auch getan. Dadurch wurden schätzungsweise 180.000 Darmkrebsfälle verhindert." Aber damit ist Brenner zufolge das Potenzial der Koloskopie noch nicht ausgereizt.
Seit längerem weiß man, dass das Darmkrebsrisiko bereits ab 50 Jahren deutlich ansteigt. Deutsche und US-Leitlinien empfehlen einen Einstieg in die Früherkennung daher ab diesem Alter – durchaus auch mit einer Koloskopie. Diese Empfehlung wird nun durch aktuelle Daten aus einem baden-württembergischem Facharztprogramm unterstützt, in dem erstmals für Deutschland die Prävalenz kolorektaler Neoplasien bei 50- bis 54-Jährigen erfasst wurde.
85.000 Einladungen verschickt
Im Rahmen des Programms können Versicherte der AOK Baden-Württemberg und der Bosch-BKK seit 2014 eine Vorsorgekoloskopie schon ab dem 50. Lebensjahr vornehmen lassen. In Zusammenarbeit mit MEDI Baden-Württemberg und dem DKFZ wurde nun untersucht, inwieweit die 50- bis 54-jährigen Versicherten dieses Angebot annehmen, und wie häufig kolorektale Neoplasien in diesem Alter sind.
Dazu erhielten knapp 85.000 Versicherte dieses Alters eine schriftliche Einladung zur Vorsorgekoloskopie. Innerhalb eines Jahres folgten 1574 Personen dem Aufruf, die weiteren Analysen beruhen auf den Daten von 1396 Koloskopien. Bei insgesamt 6,8 Prozent der Untersuchungen wurden fortgeschrittene Adenome oder Darmkrebs entdeckt. Dabei zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen den Geschlechtern: Während sich für Männer eine Prävalenz von 8,6 Prozent ergab, betrug sie bei Frauen gerade mal 4,5 Prozent (p = 0,003).
"Nach diesen Daten sind der Darmkrebs und seine Vorstufen bei Männern zwischen 50 und 54 Jahren häufiger als bei 55- bis 59-jährigen Männern und bei 55- bis 79-jährigen Frauen, für die die Darmspiegelung ganz selbstverständlich zum Früherkennungsangebot gehört", resümiert Brenner. Weiter verweist er darauf, dass die Vorsorgekoloskopie bei über 55-Jährigen nicht nur kosteneffektiv, sondern sogar kostensparend sei und dies nach den Daten aus dem Facharztprogramm auch für die Altersgruppe zwischen 50 und 54 Jahren gelten dürfte. "Das sind überzeugende Gründe, die Altersgrenze für das Angebot zur Vorsorgekoloskopie zumindest bei Männern auf 50 Jahre zu senken."
Nur 3 Prozent lassen sich spiegeln
Nun ist es eine Sache, ob eine Untersuchung angeboten wird, eine ganz andere, ob die Versicherten sie auch annehmen. Die Vorsorgekoloskopie stößt dabei auf eine mäßige Resonanz, pro Jahr lassen sich nur etwa 2 bis 3 Prozent der Anspruchsberechtigten spiegeln. Ärzte und Wissenschaftler suchen daher nach Wegen, um die Inanspruchnahme zu erhöhen.
In einer aktuell veröffentlichten saarländischen Studie wurde untersucht, wie sich ein persönliches Anschreiben auf die Bereitschaft zur Teilnahme an einem Stuhltest bzw. an einer Vorsorgekoloskopie auswirkt. Dazu erhielten 18.560 Personen im Alter von 50 Jahren randomisiert ein Einladungsschreiben zum Stuhltest, dem der Test beigelegt war oder nicht, oder sie wurden einer Kontrollgruppe ohne Einladung zugewiesen. Personen im Alter von 55 Jahren (n=16.824) wurden randomisiert entweder zur Koloskopie eingeladen oder nicht.
Die Teilnahmerate am Stuhltest ohne Einladungsschreiben und nach einer Einladung ohne beigelegten Stuhltest betrug jeweils 15 Prozent. Dagegen nahmen von den Personen, die mit dem Schreiben zugleich den Stuhltest erhielten, 25 Prozent teil, was einer Steigerung um 62 Prozent entspricht (p<0,001). Die Teilnahmerate an der Koloskopie wurde durch das Einladungsschreiben um 32 Prozent erhöht, nämlich von 4,4 auf 5,9 Prozent (p<0,001).
"Dies zeigt, dass gezielte Einladungsverfahren die Motivation zur Früherkennung durchaus steigern können", sagt Brenner. Allerdings hängt der Effekt offenkundig von der Gestaltung ab, wie auch die Ergebnisse aus dem baden-württembergischen Facharztprogramm zeigen. Dort konnte ein beigelegter Fragebogen zur Erhebung des familiären Darmkrebsrisikos die Teilnahmerate nämlich nicht steigern.
Dieser Beitrag ist in der Beilage der "Ärzte Zeitung" vom 30.6.17 anlässlich des Symposiums "Innovations in Oncology" am DKFZ in Heidelberg erschienen.