Gehirntumor?

Warnsignale bei Kopfschmerzen

Kopfweh ist in der Regel harmlos, heftige Schmerzen können aber einen Hirntumor oder Infarkt als Ursache haben. Bestimmte Warnzeichen sollten aufhorchen lassen.

Von Friederike Klein Veröffentlicht:
Kopfschmerzen – eine Volkskrankheit.

Kopfschmerzen – eine Volkskrankheit.

© Annett Vauteck / iStock / Thinkstock

MÜNCHEN. Die Statistik zeigt die Dimension des Problems: Von 100.000 Menschen hatten 80.000 Menschen im vergangenen Jahr Kopfschmerzen, 9100 auch heftige.

Zum Hausarzt gehen deswegen 1800, zum Neurologen überwiesen werden 272. Beruhigend ist: Nur 10 von 100.000 haben wirklich einen Hirntumor, berichtete Professor Arne May vom Institut für systematische Neurowissenschaften der Uniklinik Eppendorf in Hamburg.

Ein Tumor macht sich aber meist durch zusätzliche neurologische Ausfälle bemerkbar. Die Rate mit Kopfschmerzen als einzigem Symptom einhergehenden Hirntumoren beträgt nur 0,5 Fälle pro 100.000. Kopfschmerz alleine ist also nur selten Leitsymptom für einen Hirntumor.

Warnsignal: "plötzlich"

Immer wenn Patienten von einem plötzlich einsetzenden Kopfschmerz sprechen, ist aber besondere Aufmerksamkeit geboten. "Auch ein Patient, der erst zwei Wochen später von einem plötzlich einsetzenden, drei Stunden anhaltenden heftigen Kopfschmerz beim Schneeschieben berichtet, ist ein Notfall", betonte May bei der Neurowoche in München an einem Fallbeispiel. "Das Wort ‚plötzlich‘ und der Zusammenhang mit körperlicher Anstrengung stört mich!"

Die Konstellation kann auf einen Belastungskopfschmerz hinweisen und damit gutartig sein - aber es kann auch eine Blutung gewesen sein, und das sollte man ganz genau überprüfen.

Geeignet ist nach so langer Zeit die Kernspinuntersuchung - in der Computertomografie wird das Blut nach zwei Tagen isodens und ist nicht mehr zu erkennen.

May empfahl allen Kollegen zu dokumentieren, dass ein Kopfschmerz nicht als plötzlich einsetzend beschrieben wurde ("begann nicht plötzlich"). Das könne bei gerichtlichen Auseinandersetzungen existenziell wichtig sein, weiß er aus seiner gutachterlichen Tätigkeit.

Er empfiehlt folgende Fragen: "War es, als wenn jemand Ihnen in den Kopf geschossen hätte" oder "War es, als ob Ihnen gegen den Kopf getreten worden wäre?" Wenn der Kopfschmerz in dieser Geschwindigkeit auftritt, ist es immer ein Gefäß. Das Gefäß geht zu und der Schlaganfall ist da.

Senioren: Neu auftretendes Kopfweh

"Auch wenn Menschen über 60 Jahren neu über Kopfschmerz berichten, sollten Sie nervös werden", warnte May. In diesem Alter treten Spannungskopfschmerzen oder Migräne normalerweise nicht erstmals auf.

Hier kann eine Arteriitis cranialis dahinter stecken. Er riet anhand eines Falls, sich auch nicht von einer normalen Blutsenkung beeindrucken zu lassen. "Die Klinik führt", betonte er.

Auch eine ältere Dame, die schon länger unter einer Trigeminusneuralgie litt und nun kaum noch sprechen kann, ist ein Notfall. Nicht wegen der Schmerzen, sondern weil sie kaum noch etwas trinken und essen wird. Ein Test an einer Handfalte zeigt rasch, ob sie überhaupt noch genügend trinken kann.

"Alte Menschen mit Trigeminusneuralgie sterben nicht besonders häufig an Suizid, wie man bei den Schmerzen denken könnte, sondern weil sie nicht mehr genug essen und trinken", mahnte May.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 19.09.201422:06 Uhr

Etwas mehr Kollegialität wäre noch netter, Frau Sommer!

Es ist schon peinlich, mangelnde Transparenz ausgerechnet bei Prof. Arne May aus der Hansestadt Hamburg anzumahnen: Einfach "prof. arne may uke hamburg" eingeben!

I n h a l t l i c h weist Professor Arne May vom Institut für systematische Neurowissenschaften der Uniklinik Eppendorf in Hamburg mit gewohnt wissenschaftlicher Brillanz auf das komplexe Problem des a t y p i s c h e n Kopfschmerzes hin. Nicht nur Art, Schwere, Lokalisation und Periodik sind bei der sehr häufig vom Arzt geforderten Zephalgie-Diagnostik gefragt, sondern Umstände, Begleiterscheinungen und B-Symptomatik müssen eruiert werden.

Fallbeispiel aus meiner hausärztlichen Arbeit:
Am ersten Arbeitstag nach meinem 3-wöchigen Abenteuer- und Wanderurlaub in Island und Alaska mit rappelvoller Sprechstunde kommt ein langjährig bekannter, 59-jähriger Patient mit gut eingestelltem Hypertonus, Schlaf-Apnoe (CEPAP-Therapie) und Adipositas zu mir und berichtet, vor 3 Wochen zu Hause(!) über einen Wäschekorb gestürzt zu sein. Erstversorgung orthopädisch mit Rö-Schädel. Diagnose V. a. Commotio cerebri. Seitdem Leistungsminderung, jetzt gering schlurfender Gang re-betont, diskrete Koordinationsstörungen, subjektiv Zittrigkeit re. Meine Urlaubs-Vertretung wertete dies bei bisher blandem Verlauf als Commotio-Folgen; von den Arbeitskollegen wird der Pat. Montagvormittag zu mir geschickt.

Eigentlich ungewöhnlicher, atypischer Sturz: Zu Hause fällt man nicht einfach so über einen Wäschekorb (ein B-"Promi" fiel allerdings schon mal in eine Hotel-Wäschekammer mit bekannten Spätfolgen). In der Regel fängt man sich zu Hause in gewohnter Umgebung auch ab, um eine mögliche Kopfverletzung zu parieren. Als ich zusätzlich den schlurfenden Gang und den Tremor erkannte, veranlasste ich sofort ein Schädel-MRT am Folgetag.

Der Radiologe rief mich mit dem Befund eines 22-24 mm großen peritentoriellen Meningeoms und beginnenden Hirndruckzeichen an. Einen Tag später Vorstellung in der neurochirurgischen Ambulanz; stationäre Aufnahme Neurochirurgie, Klinikzentrum Nord, Dortmund (KLIDO) mit OP nach entsprechenden Voruntersuchungen. Leider sind postoperative Komplikationen bei Hydrozephalus und zusätzlicher Shuntanlage noch nicht ganz überwunden.

Das waren also ausführliche Anamnese/Fremdanamnese, neurologisch orientierte Untersuchung, Differenzialdiagnose, Beratung, radiologische Spezialuntersuchung, differenzialdiagnostisches Konsil, Erörterung und Prozeduren-Beratung gemeinsam mit der Ehefrau und die risikoadaptierte Zuführung zu einer adäquaten Therapie. Passt durchaus in die Ausführungen von Prof. Arne May.

M. E. ist den Kollegen/innen in der Vertretung kein Fehler vorzuwerfen. Sie kannten den Patienten nicht lange genug und haben die nahe liegende Verdachtsdiagnose gestellt. Und auch ich war in dieser Situation zunächst bei vollem Wartezimmer in Eile. Ich möchte auch keineswegs behaupten, nicht selbst einmal Warnzeichen, atypische Befunde oder "red flags" übersehen zu haben. Aber meine klinischen Lehrer, die Neurologen Prof. Hans Schliack und Prof. Roland Schiffter haben mir vor Jahrzehnten an der FU Berlin doch einiges beigebracht. Dafür bin ich Ihnen an meinem ersten Arbeitstag nach den Praxisferien dankbar gewesen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Kerstin Sommer 19.09.201414:09 Uhr

Auftraggeber des Artikels?

Transparenz wäre nett

Dr. Richard Barabasch 19.09.201409:54 Uhr

Dran denken ist das Wichtigste

1964 hatte ich an der Neurologie Innsbruck bereits in einer Promotions-Arbeit über "die subjektive Symptomatik bei Hirntumoren" als Metaanalyse im Visier und diese neuere Untersuchung aus Hamburg nun bestätigt meine damaligen Ergebnisse erneut. Dass inzwischen 50 Jahre vergangen sind und die Möglichkeiten von CT und NMR die Diagnosefindung beschleunigt hat, ändert nun aber andereseits gar nichts am "Prinzip 7 Sinne" und eben an der Tatsache der Diagnosefindung durch aufmerksame Anamnese und dem feinen ärztlichen Gespür für DIESEN MENSCHEN vor mir mit DIESEN Hinweisen auf SEIN Leiden - den Rest macht dann als Beschleuniger der tatsächlichen Diagnose die moderne Technik,
meint
R.B.

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