Genomanalyse

Warum Affen kein Aids entwickeln

Einige Affenarten entwickeln niemals eine Immunschwäche, obwohl sie mit einem engen Verwandten des Aids-Erregers infiziert sind. Ein internationales Forscherteam hat molekulare Unterschiede zum menschlichen Immunsystem identifiziert, die das "friedliche Zusammenleben" der Affen mit dem Virus erklären könnten.

Veröffentlicht:
Die von den Forschern untersuchte Affenart Rußmangabe ist in Westafrika beheimatet.

Die von den Forschern untersuchte Affenart Rußmangabe ist in Westafrika beheimatet.

© Yerkes National Primate Research Center, Emory University, Atlanta (USA)

ULM. Einige Affenarten können eine Aids-Erkrankung dauerhaft verhindern, obwohl sie mit nahen Verwandten des HI-Virus infiziert sind.

Die möglicherweise entscheidenden molekularen Unterschiede zum menschlichen Immunsystem hat nun eine internationale Forschergruppe bei einer Genomanalyse identifiziert: Anders als bei HIV-infizierten Menschen kommt es dadurch bei einigen Primatenarten zu keiner chronischen und damit schädlichen Immunreaktion.

Ihre Studie haben die Wissenschaftler, darunter die beiden Ulmer Virologen Professor Frank Kirchhoff und Juniorprofessor Daniel Sauter, in der Fachzeitschrift "Nature" (2018; 553: 77–81) veröffentlicht. Die neuen Erkenntnisse tragen zu einem besseren Verständnis des Infektionsverlaufs bei und ermöglichen auf längere Sicht womöglich die Verbesserung von HIV-Therapien.

Varianten von SIV

Der Aids-Erreger des Menschen (HIV) hat seinen Ursprung in Immundefizienzviren (SIV) verschiedener afrikanischer Affenarten. Wahrscheinlich im frühen 20. Jahrhundert sind Varianten von SIV, durch die Jagd auf Affen und den Umgang mit kontaminiertem Fleisch der Tiere, auf den Menschen übergesprungen.

Doch im Gegensatz zum Menschen zeigen manche der ursprünglichen, natürlichen Affen-Wirte – wie beispielsweise die in Westafrika beheimatete Rußmangabe – auch viele Jahre nach einer SIV-Infektion und trotz hoher Viruslast keine Immunschwäche, teilt die Universität Ulm mit.

Um herauszufinden, wie diese Primaten eine Aids-Erkrankung verhindern, haben die Forscher um Professor Guido Silvestri von der Emory University (USA) das Erbgut der Rußmangabe vollständig entschlüsselt und mit dem Genom des Menschen sowie anderer Primatenarten verglichen.

"Wir haben große Unterschiede in einigen Proteinen des Immunsystems entdeckt, die den gutartigen Infektionsverlauf von SIV in Rußmangaben erklären könnten", berichtet Erstautor Dr. David Palesch, der nach seiner Promotion in Ulm an der Emory University forscht.

Besonders auffällig ist eine Veränderung im so genannten TLR4-Rezeptor der Affenart, heißt es in der Mitteilung. Dieses zelluläre Eiweiß spielt eine wichtige Rolle bei der Aktivierung des Immunsystems durch Bakterien.

Veränderung im TLR4-Rezeptor

Bei HIV-infizierten Menschen trägt die chronische Aktivierung des Immunsystems – beispielsweise durch Bakterien, die nach einer infektionsbedingten Darmschädigung ins Blut gelangen – entscheidend zum Ausbruch von Aids bei.

"Mittels verschiedener Methoden konnten wir nachweisen, dass der TLR4-Rezeptor der Rußmangabe nur eine geringe Aktivität aufweist. Dies könnte der Grund sein, weshalb diese Affen nicht mit einer unkontrollierten Abwehrreaktion auf eine SIV-Infektion reagieren und keine Immunschwäche entwickeln", erläutert Daniel Sauter, Juniorprofessor am Ulmer Institut für Molekulare Virologie.

Auf diese Weise kann die Rußmangabe offenbar eine gesunde Anzahl von Immunzellen aufrechterhalten und den Erreger lebenslang tolerieren.

Auch bei weiteren natürlichen SIV-Wirten, wie der Grünen Meerkatze oder dem Angola-Stummelaffen, hat die Forschergruppe die Veränderung im TLR4-Rezeptor entdeckt. Bei nicht-natürlichen Wirten wie dem Menschen oder Rhesusaffen, die beide eine chronische Immunreaktion zeigen und an Aids erkranken, ist sie hingegen nicht vorhanden.

Genomanalyse als Ansatz

"Wir vermuten, dass die natürlichen Wirte von SIV im Laufe ihrer Evolution Veränderungen im TLR4-Gen entwickelt haben, die eine friedliche Koexistenz mit Immundefizienzviren ermöglichen – ganz ohne eine Immunschwäche zu entwickeln", erklärt Professor Frank Kirchhoff, Direktor des Ulmer Instituts für Molekulare Virologie.

Mit dem globalen Ansatz der Genomanalyse haben die Forscher neue Erkenntnisse gewonnen, wie die Entwicklung von Aids verhindert werden könnte. Das Genom der Rußmangabe liefert dabei wichtige neue Ansatzpunkte für weiterführende Untersuchungen.

Die Forscher hoffen, dass dadurch neue Wege gefunden werden, die schädliche chronische Aktivierung des Immunsystems durch HIV zu verhindern. Denn diese unkontrollierte Abwehrreaktion ist selbst bei optimaler Therapie zu beobachten und kann unter anderem zu einer vorzeitigen Alterung von HIV-Patienten führen.

Für die aktuelle Studie haben die Ulmer Virologen mit Forschern US-amerikanischer Einrichtungen zusammengearbeitet, vor allem vom Yerkes National Primate Research Center der Emory University in Atlanta, Georgia, und vom Human Genome Sequencing Center des Baylor College of Medicine in Houston, Texas.

 Juniorprofessor Sauter wurde durch das DFG Priority Program "Innate Sensing and Restriction of Retroviruses" (SPP 1923) unterstützt und Professor Kirchhoff durch den Sonderforschungsbereich 1279 und den ERC Advanced Grant "AntiVirome". (eb)

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Kommentare
Monika Königstein 02.04.201817:47 Uhr

Von grobem Unfug, Esoterik, Scharlatanerie und anderen "Argumenten"

Das ist Jahrhunderte (gar Jahrtausende?) altes Gebaren, allen, die dem AKTUELLEN Mainstream nicht zu 100% zustimmen, der Scharlatanerie - hier der Esoterik - zu bezichtigen, Herrn Storm.

Ignaz Semmelweis, einer Ihrer Kollegen, dessen Hygiene-Erkenntnisse für die Medizin heute von immenser Bedeutung sind, wurde derzeit für verrückt erklärt und in die Irrenanstalt gesteckt, weil er Zusammenhänge erkannt hat, für die seine Kollegen blind waren. Anders denkenden Ärzten wird es - vornehmlich aus eigenen Reihen - beruflich und im Leben schwer gemacht, wenn es ihnen an prominenten Fürsprechern mangelt. Mehrere Unikliniken mussten sich erst untereinander verständigen / zusammenschließen, ehe man sich dann gemeinsam trauen konnte, Blutinfusionen als gefährlich zu benennen (wenn sie nicht gerade als akut lebensrettend erforderlich sind). /.../

Mainstream möchte nicht belästigt werden von anderes oder "quer" Denkenden oder gar von besserem Wissen, welches infrage stellt, wovon man fest überzeugt ist. Vor allem, wenn man sich vom Studium an auf eine Lehre eingeschossen hat und seit Jahren / Jahrzehnten nach diesem Modell denkt, lebt, handelt und arbeitet.

Ein Problem aller Zeiten: Zu jedem Moment glaub(t)e die Wissenschaft das Ende der Wissensfahnenstange - mindestens so gut wie - erreicht zu haben. Schaut man dann auf die Zeit hinter uns, erahnt man schon, wie beschränkt das ist. Gerade Medizin ist immer schon trial and error gewesen. Drum muss wohl offen bleiben, was von heutigem "Standard" in 20 Jahren rückwirkend und dann sicherlich so leise wie möglich als grober Unfug deklariert wird.

Und es ist lustig wie lästig, immer wieder anzumerken, dass jeder heute Lebende nur Teil einer Entwicklung ist, dessen "Ende" er/sie nicht mehr erleben wird.

.

Dr. Rüdiger Storm 01.04.201815:09 Uhr

Auch mit groben Unfug zerstört man den Kommentarteil

Anscheinend ist das Mitteilungsbedürfnis von unqualifizierten Personen mit merkwürdigen Ansichten besonders groß, anders kann man die bizarre Bemerkung zur Erforschung und Entwicklung von neuen besseren Therapien gegen HIV nicht verstehen.

Ich bin immer wieder erstaunt, daß so etwas hier überhaupt erscheint, bislang hatte ich es primär für ein Forum von wissenschaflich basierter Medizin gehalten.
Für esoterische Vorstellungen gibt es doch schon genug Spielwiesen im Netz.

Dr. Thomas Georg Schätzler 29.03.201817:15 Uhr

"Fake-News"?

Wörtlich formuliert:
»"Einige der von Dr. Claus Köhnlein dargestellten Argumente scheinen mir durchaus vernünftig und logisch begründet. - Und glaubte man dieser "Anti"-These zu HIV und AIDS, müsste man sich tatsächlich fragen, was das wissenschaftliche Geblähe auf der Suche nach neuen "Waffen im Kampf gegen HIV" eigentlich soll.» (Zitat Ende)

Doch in "Sooty mangabey genome sequence provides insight into AIDS resistance in a natural SIV host" von David Palesch et al.
https://www.nature.com/articles/nature25140
geht es darum: "Einige Affenarten können eine Aids-Erkrankung dauerhaft verhindern, obwohl sie mit nahen Verwandten des HI-Virus [nicht mit HIV1+2] infiziert sind."

Was soll dann das unreflektiert in die Debatte eingstreute »müsste man sich tatsächlich fragen, was das wissenschaftliche Geblähe auf der Suche nach neuen "Waffen im Kampf gegen HIV" eigentlich soll»? Ein Heilpraktiker-Flatus?

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Monika Königstein 29.03.201800:44 Uhr

Aberwitzig, ...

Herr Schätzler,

ich habe bewusst formuliert, wie ich es getan habe und nicht die Aussagen von Claus Köhnlein zu meinen eigenen gemacht. Nichtsdestotrotz darf infrage gestellt werden, was hier und da "wissenschaftlich" getan, konstruiert und fabuliert wird. Und ich nehme an, dass Sie dem nicht widersprechen, weil dem nicht zu widersprechen ist. Es ging einzig um die Frage, warum die, mit HIV infizierten Affen wohl anders reagieren als die, in den letzten Jahrzehnten an "AIDS" erkrankten und leider im Gros verstorbenen Personen. Dass die bei HIV eingesetzten Mittel (insbesondere die der ersten Generation) tatsächlich die Symptome hervorufen/hervorgerufen haben, gegen die sie konzipiert sind, lässt sich m.W. aus jedem Beipackzettel herauslesen.

Was Herr Köhnlein - oder Sie - sonst noch treibt/treiben, ist mir weder bekannt noch wirklich wichtig. Es hat mir schon als Hausfrau nicht gefallen, wenn zur Meinungsbildung Informationen auf den Tisch kamen, die nur dazu gedacht sind, Leute erst einmal in eine Ecke zu stellen und dann deren Meinungen mal per se und generell zu diskreditieren. Wollen wir das hier so tun?

.

Dr. Thomas Georg Schätzler 28.03.201814:48 Uhr

Aberwitzig, Frau Monika Königstein, wie Sie ausgerechnet Dr. Claus Koehnlein protegieren wollen!

Von ihm stammt:
"Warum die Medizin-Industrie Seuchen wie AIDS oder Vogelgrippe erfindet, wie die entsprechenden Tests „funktionieren“ und warum antivirale Substanzen die gleichen Symptome verursachen, wie das „Virus“, gegen das sie entwickelt wurden.
“Virus-Wahn”, ein Vortrag von Dr. Claus Koehnlein
Dr. Köhnlein gibt in seinem Vortrag einen analytischen Überblick über die Art und Weise, wie heutzutage Seuchen konstruiert werden. Dabei kommt das Gesundheitswesen nicht gut weg: Dessen Intention sei es mittlerweile, Krankheiten regelrecht zu erfinden und über fragwürdige Tests weite Teile der Bevölkerung als „krank” zu erklären.
Am schlimmsten sei dies bei der Infektiologie, denn durch unspezifische molekularbiologische Tests sei es möglich, jederzeit neue Seuchen zu erstellen. Die Systematik: Lifestsyle-Erkrankungen würden ominösen Viren „in die Schuhe geschoben”, um an den Tests und toxischen Therapien Geld zu verdienen..." (Zitat Ende)
http://www.gesundheitlicheaufklaerung.de/dr-koehnlein-virus-wahn

Indirekt ist der Kollege als sogenanntes Mitglied des AIDS Advisory Panels von Südafrikas Ex-Staatspräsidenten Thabo Mbeki, selbst prominenter AIDS- und SAFER-SEX-Leugner, gemeinsam mit einem Netzwerk von dilettierenden, Infektiologie-fernen, selbsternannten AIDS-"Experten" wohl für tausende von AIDS-Todesfällen in der Republik Südafrika (RSA) mit verantwortlich.

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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