Krankenhaustrend
71 Prozent der Kliniken in Bayern mit roten Zahlen im vergangenen Jahr
Es braucht Geld vom Bund – und zwar sofort, fordert die Bayerische Krankenhausgesellschaft, denn die Lage spitzt sich zu: 88 Prozent der bayerischen Kliniken rechnen in 2023 mit einem Defizit.
Veröffentlicht:München. Zwei Drittel der bayerischen Kliniken erwirtschafteten in 2022 ein Defizit. Damit ist die Zahl so hoch wie nie zuvor. Gleichzeitig bewegt sich das Vertrauen in die Bundesregierung mit Blick auf die Krankenhausreform unter Krankenhausverantwortlichen gegen Null. Das und mehr zeigte sich bei der Präsentation des inzwischen 14. Bayerischen Krankenhaustrends der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) in München.
Er hätte sich nicht vorstellen können, irgendwann solche Zahlen präsentieren zu müssen, sagte BKG-Geschäftsführer Roland Engehausen. 127 Krankenhausträger hatten sich an der Erhebung für 179 Krankenhäuser beteiligt. Das sind 54 Prozent der bayerischen Kliniken mit hoher Beteiligung vor allem auch in den oberen Versorgungsstufen. 71,2 Prozent von ihnen erwarten, Stand Februar, für 2022 ein Defizit. Damit fällt die Zahl deutlicher höher aus als erwartet: Noch vor einem Jahr lag die Schätzung für 2022 bei 66 Prozent. Ein Jahr zuvor meldeten „nur“ 52 Prozent ein Defizit.
„Eindeutig ein systemisches Versagen“
„Und jetzt kommt die Dramatik“, leitete Engehausen nach 2023 über. Fürs laufende Jahr befürchten gar 88,5 Prozent der bayerischen Kliniken, ein Defizit zu erwirtschaften. 75 Prozent der bayerischen Krankenhausverantwortlichen schätzten außerdem die wirtschaftliche Situation ihrer Einrichtungen in den kommenden zwei bis drei Jahren als schlecht bis sehr schlecht ein.
„Wenn neun von zehn Krankenhäusern ins Defizit rutschen, ist das eindeutig ein systemisches Versagen“, betonte BKG-Geschäftsführer Engehausen und habe weder mit einem schlechten Wirtschaften noch einer schlechten Organisation in den Kliniken zu tun. Als Hauptgrund nannte er vorneweg den fehlenden Inflationsausgleich. Und: Hilfsfondsgelder, die statt eines Inflationsausgleichs zugesagt wurden, kämen in den Kliniken schlicht nicht an.
Vertrauen in die Bundesregierung extrem niedrig
So werde aus einer wirtschaftlichen Krise eine Versorgungs- und Vertrauenskrise. 86 Prozent der Befragten gaben an: Das Vertrauen in die Bundesregierung bei der Ausgestaltung der Krankenhausreform sei niedrig. Nur eine einzige Person klickte „hoch“ an. Die größten Sorgen bereiten den Kliniken der Fachkräftemangel (121), das Betriebskostendefizit (108), die Unsicherheit durch politische Rahmenbedingungen (104), Bürokratie (89), mangelnde Investitionsmittel (64) und der Digitalisierungsstau (49).
Deutlich fiel auch die Antwort aus auf die Frage, ob mit der angekündigten Reform im Krankenhaus die Ökonomisierung überwunden werden könne. 65 Prozent der Befragten antworteten mit einem „Nein“, 34 Prozent mit „teils/teils“. Ohne zusätzliche Finanzmittel, war man sich weitgehend einig, sei eine Krankenhausreform nicht möglich (siehe nachfolgende Grafik).
Negativ treffen werden die Auswirkungen der Reform, der Umfrage zufolge, vor allem die Beschäftigten in Krankenhäusern, die Patienten, die kleinen und mittelgroßen Kliniken, die Rettungsdienste sowie die regionale Gesundheitsversorgung. Profiteure: die Träger großer Kliniken sowie die Krankenkassen.
Hausaufgaben für den Freistaat
Maßnahmen auf Bundesebene sind das eine, die Krankenhauspolitik in Bayern ein Weiteres. Hier stehen auf der To-do-Liste der befragten Kliniken zufolge weit oben: ein Entbürokratisierungsprogramm (115), eine Beschleunigung der Anerkennungsverfahren aus dem Ausland (102), ein Aktionsprogramm zur Fachkräftegewinnung (90), eine Erhöhung der Investitionsmittel (102), mehr Unterstützung der Krankenhausträger bei Strukturanpassungen (79) sowie eine aktivere Krankenhausplanung zur Vermeidung von Doppelstrukturen (78).