Uniklinik Saarland

Entführung von Säugling mit angeblicher Corona-Untersuchung verschleiert

Die Entführung eines Säuglings aus der Uniklinik im Saarland hat ein gerichtliches Nachspiel. Am Mittwoch begann der Prozess gegen die geständige Angeklagte.

Dr. Michael KudernaVon Dr. Michael Kuderna Veröffentlicht:
Ein zwei Tage alter Säugling wurde aus der Uniklinik in Homburg entführt. Am Mittwoch begann der Prozess gegen die geständige Angeklagte.

Ein zwei Tage alter Säugling wurde aus der Uniklinik in Homburg entführt. Am Mittwoch begann der Prozess gegen die geständige Angeklagte.

© Stefan Puchner / picture alliance / dpa

Saarbrücken. „Entziehung Minderjähriger“ – das nüchterne Juristen-Deutsch wird nur schwer dem Schrecken gerecht, dem eine Mutter im Februar zwei Tage nach der Entbindung ausgesetzt war: Ihr Kind verschwand aus dem vermeintlich geschützten Bereich der Entbindungsstation. Am folgenden Tag wurde der Junge in einer Wohnung in der 30 Kilometer entfernten Gemeinde Eppelborn wohlbehalten aufgefunden.

Die Beschuldigte, eine 39-jährige Frau, legte gleich zu Prozessauftakt vor dem Landgericht Saarbrücken ein Geständnis ab. Nach ihren Worten ging sie in der Uni-Klinik in Homburg „einfach in die nächste Tür“, nahm das Baby an sich und fuhr zusammen mit ihrem Lebenspartner nach Hause.

Das Klinikpersonal konnte der Polizei jedoch Beobachtungen mitteilen, die zur Identifizierung der Entführerin führten. Daraufhin wurde der Junge am nächsten Tag in ihrer Wohnung gefunden. Die Ermittlungen gegen den offenbar ahnungslosen Partner wurden bald eingestellt, die drei minderjährigen der insgesamt vier gemeinsamen Kinder kamen in die Obhut des Jugendamts.

Angeklagte war bereits zuvor in psychiatrischer Behandlung

Die Frau, die schon einmal in psychiatrischer Behandlung war, beteuerte, sie bereue die Tat zutiefst und entschuldige sich dafür. Sie berichtete von ihrer eigenen schweren Kindheit, in der sie schon früh versucht habe, durch Lügen Anerkennung und Liebe zu erlangen. Ihren eigenen Kindern habe sie eine „erdrückende Liebe“ entgegengebracht. Nach zunehmendem Streit mit ihrem Partner habe sie versucht, eine Fehlgeburt zu vertuschen, und aus Angst, verlassen zu werden, eine weitere Schwangerschaft vorgetäuscht.

Mit Bildern aus dem Internet habe sie ihrem Partner vorgegaukelt, sie habe tatsächlich zweimal entbunden, die Kinder seien aber noch im Krankenhaus. Schließlich habe sie dann den Säugling im Homburg entführt, der ihr zudem sofort das Gefühl gegeben habe, „wieder gebraucht zu werden.“ Sie entschuldigte und bedankte sich auch bei der Polizei, dass sie ihr Lügengebäude zum Einsturz gebracht habe.

Als Pflegekraft ausgegeben

Bei ihrer Tat kam ihr paradoxerweise die von Isolationsmaßnahmen begleitete Corona-Zeit zu Hilfe. Den Ermittlungen zufolge nahm sich die damals noch 38-Jährige, die in den Tagen zuvor zu einer Untersuchung in der Frauenklinik war, den Kittel einer Mitarbeiterin und zog sich dazu Kopftuch und Mundschutz an. Der Mutter gegenüber gab sie sich dann als Pflegekraft aus und erklärte, dass sie den Säugling aufgrund eines Corona-Ausbruchs für einen Abstrich mitnehmen müsse.

In der Befragung zur Person kam vor Gericht noch eine weitere Schwachstelle im Gesundheitssystem zu Tage: Die 39-Jährige berichtete, sie habe seit zwei Jahren Antidepressiva und Schmerzmittel konsumiert, darunter auch größere Mengen Tilidin. Diese habe sie aus den Vorräten ihrer an Krebs gestorbenen Schwiegermutter entnommen. In deren Haus hätten sich zwei Kartons voll Tabletten befunden, aus denen sie sich in unregelmäßigen Abständen bedient habe. Selbst habe sie sich bei Ärzten nichts besorgt.

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