Nach Klinik-Entlassung
Gerontopsychiatrische Patienten werden zu Hause weiterbetreut
Mehr als nur Entlassmanagement: Gerontopsychiatrische Patienten bekommen vom Alexius Josef Krankenhaus in Neuss zusätzliche Hilfe – und das Projekt einen Preis.
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Projektleiterin Svenja Vincke im Gespräch mit einer Patientin.
© St. Augustinus Gruppe
Neuss. Das Konzept ist einfach und überzeugend: Im Alexius Josef Krankenhaus in Neuss werden gerontopsychiatrische Patienten, die keine nahen Angehörigen oder nahe Bezugsperson haben, nach der Entlassung zu Hause weiterbetreut.
Bei den Hausbesuchen geht es nicht um die medizinische Versorgung, sondern darum, die Menschen bei der Rückkehr in den Alltag in verschiedenen Bereichen zu unterstützen.
Die Betreuung übernimmt eine in Gerontopsychiatrie weitergebildete Pflegefachkraft, erläutert Dr. Martin Köhne, Ärztlicher Direktor der Klinik. „Sie kümmert sich vier Wochen lang sehr individuell um die Patienten“, sagt Köhne der „Ärzte Zeitung“.
Besuche zwei- bis dreimal pro Woche
Er hat die Übergangsbegleitung zusammen mit Mitarbeitern aus der Pflege entwickelt. Seit vier Jahren haben die Bezugstherapeuten und Bezugspflegekräfte in der psychiatrischen Fachklinik ein Auge darauf, wer von den Patienten und Patientinnen Unterstützung benötigt. Sind sie mit der Betreuung einverstanden, wird die Pflegefachkraft informiert.
Sie ermittelt noch während des Krankenhausaufenthaltes mögliche Stolpersteine nach der Entlassung und stimmt sich mit den Bezugstherapeuten und -pflegekräften über die Hilfen ab. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus besucht die Fachkraft den Patienten zwei bis drei Mal pro Woche für rund drei Stunden.
Das Einsatzspektrum ist groß. Es reicht vom Einüben praktischer Tätigkeiten wie Bus fahren oder die Hilfe beim Einkaufen über das gemeinsame Spazierengehen und das Trainieren der Medikamenteneinnahme bis zur Begleitung zum ersten Termin beim niedergelassenen Arzt oder Psychotherapeuten und die Unterstützung bei der Beantragung eines Pflegegrades. „Das geht über das Entlassmanagement hinaus“, betont Köhne.
Zwischen den Patienten und der Pflegefachkraft entstehe häufig eine persönliche Bindung, berichtet er. Viele der Patienten litten unter Einsamkeit. Die Übergangsbegleitung helfe ihnen, in Kontakt mit anderen Menschen zu kommen. „Die Leute sind sehr dankbar und traurig, wenn es vorbei ist.“
Klinik finanziert Projekt aus eigenen Mitteln
Der Psychiater verweist auf den einzigen Schwachpunkt aus seiner Sicht: Die Klinik muss das zusätzliche Angebot ausschließlich mit eigenen Mitteln finanzieren. Im Alexius Josef Krankenhaus werden pro Jahr rund 1000 gerontopsychiatrische Patienten versorgt. Pro Woche kümmert sich die Pflegefachkraft um vier von ihnen. „Die häufigsten Krankheitsbilder sind Depression und beginnende Demenz“, sagt Köhne.
Das Projekt „Übergangsbegleitung gerontopsychiatrischer Patienten ohne nahe Bezugspersonen“ ist jetzt mit dem mit 5000 Euro dotierten Gesundheitspreis des Landes Nordrhein-Westfalen 2020 ausgezeichnet worden.
Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) lobt, dass durch die Unterstützung die Risiken bei der Rückkehr nach Hause minimiert werden. Er nennt Fehler bei der Medikamenteneinnahme, Mangelernährung, das Fortschreiten psychischer Symptome oder Stürze.
„Wird das alles vermieden, können wir nachhaltigen Rückfällen bei einer Erkrankung und stationären Wiederaufnahmen vorbeugen“, sagt Laumann. Initiator Köhne hofft, dass ihm der Preis dabei hilft, das Projekt in die Regelversorgung zu überführen. Eigentlich sollte das kein Problem sein, findet er. „Es ist sinnvoll und kostet nicht sehr viel.“